Körperwelten - Leben trifft Tod

Bis Mitte August läuft Gunther von Hagens „Körperwelten“-Ausstellung im Naturhistorischen Museum von Wien. Gestern nutzte ich die Gelegenheit und schaute mir die durch Kontroversen bekannt gewordene Ausstellung an.
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Foto: Elisa Cappellari

Ein Großteil der Präparate waren „Plastinate“. Diese Konservierungsmethode funktioniert so:
Zuerst wird dem menschlichem Körper oder dem Organ, das präpariert werden soll, mit Formaldehyd ein Teil der Flüssigkeit entzogen und die Strukturen werden vor Fäulnis geschützt. In einem zweiten Schritt präpariert man jene Strukturen, die man darstellen will (beispielsweise Nerven) aus den umliegenden Geweben heraus um sie sichtbar zu machen. Im dritten Schritt entzieht man dem Körper die restliche Flüssigkeit und ersetzt sie durch Kunstharz. Aus dem menschlichen Körper ist nun ein Präparat geworden.

Was fällt bei der Ausstellung auf?

Der erste Raum ist der menschlichen Embryonalentwicklung gewidmet. Es ist unglaublich, wie schnell sich ein Embryo entwickelt und wie früh man schon einen kleinen Menschen von wenigen Millimetern Größe erkennen kann. Dieser Raum war für mich einer der beeindruckendsten Teile der Ausstellung.
Der Rest der Ausstellung befasst sich jeweils themenmäßig mit den Bereichen Bewegungsapparat, Hirn, Brusthöhle mit Herz und Lunge sowie Bauchhöhle mit den Bauchorganen. Die meisten Präparate dieser Bereiche sind rein anatomisch betrachtet kaum spektakulär. Für einen medizinischen Laien jedoch durchaus faszinierend.

Der letzte Teil der Ausstellung befasst sich mit den Geschlechtsorganen und als „Höhepunkt“ wird ein Liebespaar beim Geschlechtsakt ausgestellt. Ob das geschmacklos ist oder nicht, muss jeder für sich selbst beantworten. Den kichernden Schülergruppen scheint es gefallen zu haben.

Die Diskussion über Pietätslosigkeit kann ich nach meinem Ausstellungsbesuch nicht nachvollziehen. Alle Körperspender melden sich freiwillig und wissen vor ihrer Einwilligung, in welcher Pose sie ausgestellt werden. Dass die Ausstellungen an sich eher populärwissenschaftlich sind, liegt auf der Hand. Es geht hier schließlich nicht um hochtrabende wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um die Faszination des menschlichen Körpers sowie darum, sich mit Themen wie Leben, Tod und Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.

Für naturwissenschaftlich Interessierte lohnt sich die Ausstellung allemal, vor allem da im Kombiticket auch ein Besuch im Naturhistorischen Museum von Wien inkludiert ist. Wer sich weitergehend für Anatomie interessiert, dem kann ich auch „La Specola“ im Naturhistorischen Museum von Florenz empfehlen. Ich selbst war noch nie dort, es steht aber ganz oben auf meiner Liste. Dort sind sehr hochwertige Nachbildungen des menschlichen Körpers aus Wachs zu finden. Allein die Akribie und Arbeitszeit, welche für die Präparate dort investiert wurde, ist unbezahlbar. Wer also in Florenz ist, sollte sich diese Ausstellung nicht entgehen lassen.

Apropos menschlicher Körper: Da fällt mir das "museo lombroso" in Turin ein. Es ist den ersten Kriminalitätstheorien Mitte des 19. Jahrhunderts des Darwin-Anhängers und Arztes Cesare Lombroso gewidmet. Das Museum ist ein bisschen "vintage", wie man heute gerne sagt und schön schaurig, alte Holzvitrinen mit aufgesägten Schädeln berühmter Delinquenten, welche laut der Theorie beweisen sollten, dass Verbrecher eine typisch geformte Hirnschale aufweisen und somit "geborene Verbrecher" sind. Alles garniert mit wissenschaftlichen Aufzeichnungen und konservierten Leichenteile von damaligen zum Tode Verurteilten...

Do., 04.07.2013 - 20:36 Permalink