Politik | Reform

Ein kleiner Passus mit Folgen

66 Gemeinden haben seit Februar neue Referenten eingesetzt, in mehr als der Hälfte der Fälle entstehen dadurch Mehrausgaben – insgesamt fast eine halben Million Euro.

Seit Februar dieses Jahres können die Gemeinden der Provinz Bozen ihre Ausschüsse nicht nur um einen Referenten aufstocken, sondern ihm beziehungsweise ihr auch die volle Amtsentschädigung zahlen. Möglich gemacht hat das ein Passus des Gesetzentwurfs für das neue Wahlrecht für Bozen. Neben der Einführung von Zugangshürden und der Abschaffung der Restmandate sah dieser Entwurf, ausgearbeitet von Regionalassessor Josef Noggler (SVP), auch die Aufstockung der Gemeindeausschüsse in Südtirol (nicht aber im Trentino) um einen Referenten vor – bei vollem Gehalt. Am 1. Februar wurde der Gesetzentwurf nach einer blamablen Sitzung vom Regionalrat verabschiedet.

Der weitgehend unbeachtet gebliebene Passus – die Aufmerksamkeit im Rahmen der Debatte um Nogglers Gesetzentwurf lag vielmehr auf die Auswirkungen, die die gesetzlichen Neuerungen auf die bevorstehenden Gemeinderatswahlen in der Landeshauptstadt haben würde – hat inzwischen einiges in Bewegung versetzt. In einer Landtagsanfrage wollte Andreas Pöder wissen, wie viele neue Gemeinderferenten nach der Anfang Februar genehmigten Reform in welchen Gemeinden zusätzlich ernannt wurden und wie hoch die jeweiligen jährlichen Brutto-Zustatzkosten für die betreffenden Gemeinden sind. Der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion war einer der wenigen, der von Anfang an auf den “blinden Passagier”, als den er die Aufstockung der Posten und Gehälter für die Ausschüsse bezeichnet, im Bozner Wahlgesetz hingewiesen hatte. “Die von der SVP im Jahr 2013 und auch 2014 versprochene Eindämmung der Politikkosten in den Gemeinden wurde damit wieder aufgehoben”, kritisiert Pöder.

2013 wurde die Zahl der Gemeindereferenten im Regionalrat reduziert. Im Dezember 2014 wurde die Möglichkeit geschaffen, die Ausschüsse wieder um je einen Referenten zu erhöhen – falls die Gemeinden dies wollten und sofern dafür keine zusätzlichen Kosten entstanden. “Diese Ausgabenbeschränkung wurde durch die Noggler-Reform aufgehoben und sofort haben Gemeinden die Zahl der Referentenposten erhöht und zusätzliche Gehaltsausgaben beschlossen”, so Pöder. Um den Ausschuss bei voller Entschädigung für alle Mietglieder aufzustocken, genügt eine Änderung der Gemeindesatzung.

Tatsächlich haben, seit die Reform im Februar verabschiedet wurde, mindestens 66 der 116 Südtiroler Gemeinden* neue Referenten eingestellt. In 30 dieser Gemeinden sind dadurch keine zusätzlichen Kosten entstanden. Drei Gemeinden (Gargazon, Hafling, Truden) konnten oder wollten keine Auskunft über die Zusatzkosten geben. Bei den restlichen 30 Gemeinden variieren die geschätzten jährlichen Ausgaben, die für die Verwaltung durch die Einsetzung eines weiteren Referenten entstehen, zwischen 561,14 Euro in Altrei und 33.476,64 Euro in Eppan. Insgesamt kommen auf die 30 Gemeinden, die ihre Ausgaben offengelegt haben, Kosten von über 450.000 Euro im Jahr zu. “Fast eine halbe Million Euro kostet die Noggler-Reform den Steuerzahler”, kritisiert Andreas Pöder. Neben den zusätzlichen Gehaltsausgaben sieht er den Hund noch anderswo begraben: Die Referentenposten, die Josef Noggler und Dieter Steger “unter dem Deckmantel der Bozner Gemeindewahlreform schnell einmal geschaffen haben” seien “in der Regel” SVP-Posten. Und diese würden frisches Geld in die Parteikassen spülen, “zumal die Referenten ihres Gehaltes als Parteispenden abgeben sollen”.


* 10 der 116 Gemeinden haben auf die Landtagsanfrage von Andreas Pöder nicht geantwortet (Aldein, Branzoll, Brixen, Deutschnofen, Karneid, Kastelruth, Kurtinig, Montan, Neumarkt, Waidbruck). In der Antwort sind sie mit dem Verweis “Beantworten keine Landtagsanfragen mehr” gekennzeichnet. Zurückzuführen ist das auf eine Empfehlung des Gemeindenverbands. Zahlreiche Gemeinden hatten sich beschwert, mit Anfragen aus dem Landtag regelrecht überflutet zu werden. Andreas Pöder fordert nun, den Gemeinden, die die Auskunft verweigern, finanzielle Beiträge zu streichen.