Gesellschaft | Russland-Meran

Zankapfel Zarenbrunn

Kurz vor der Übergabe des Zarenbrunn-Komplexes an die Stadt Moskau kritisiert die Liste Rösch/Grüne das Vorgehen des Landes und spricht von einem “Fehler”.
Ikone Zarenbrunn
Foto: LPA

Zarenbrunn geht nach der Stadtgemeinde Meran und dem Land zu 100% an die Russen. Was vor eineinhalb Jahren beschlossen wurde, soll in Kürze unter Dach und Fach sein: die 30-jährige Konzession, mit der der Gebäudekomplex in der Schafferstraße in Obermais/Meran an die Stadt Moskau übergeht. Vorige Woche berieten Vermögenslandesrat Massimo Bessone und der russische Generalkonsul von Mailand Dmitry Shtodin über die Details der Vereinbarung. Laut Shtodin soll der Betrieb für öffentliche Dienste der Stadt Moskau der direkte Vertragspartner des Landes Südtirol sein und die Kosten von rund 3,5 Millionen Euro für die Restaurierung und Instandhaltung der Gebäude übernehmen – eine “wichtige Investition in eines der wenigen russischen Kulturzentren auf italienischem Boden”.

Der Gebäudekomplex Zarenbrunn umfasst die Villa St. Petersburg (besser bekannt als Villa Borodina), die Villa Katharina, die russisch-orthodoxe Kirche samt Bibliothek, das Schusterhäusl und die großzügige Parkanlage. Zarenbrunn ist unter anderem Sitz des gemeinnützigen Vereins “Russisches Zentrum N. I. Borodina” und geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Damals hatte eine der in Meran wohnhaften russischen Adelsfamilien den Meraner Architekten Tobias Brenner mit dem Bau der Gebäude beauftragt.

Sowohl die Gemeindeverwaltung um den damaligen Bürgermeister Paul Rösch als auch Soziallandesrätin Waltraud Deeg hatten sich gewünscht, dass Zarenbrunn bzw. ein Teil der Immobilien für soziale Zwecke genutzt wird. Diesem Plan erteilte Landesrat Bessone im Frühjahr 2020 eine klare Absage. Jetzt, wo die Konzessionsunterzeichnung unmittelbar bevorsteht, äußern Vertreter der Meraner Liste Rösch/Grüne erneut scharfe Kritik. Den Zarenbrunn-Komplex zur Gänze den Russen zu überlassen sei “ein Fehler”. Auch, weil die Passerstadt “dringend ein Haus der Solidarität braucht, das Menschen in Not kurzfristig und unbürokratisch aufnimmt und unterstützt”. Ein solches Gebäude fehle trotz anderslautender Zusage vonseiten des Landes nach wie vor.

Außerdem sei nach wie vor unklar, “wofür das russische Zentrum Borodina so viel Platz benötigt – die derzeitige Fläche würde sich mehr als verdreifachen”, zeigt die Liste Rösch/Grüne auf.

 

“Fragwürdige Entscheidung gegen das Soziale”

 

“Als Stadtregierung haben wir vor fast zwei Jahren vorgeschlagen, in der Villa Katharina ein Haus der Solidarität nach dem Vorbild in Brixen unterzubringen, das Menschen in Schwierigkeiten eine temporäre Unterkunft und Hilfe bei der Rückkehr in ein autonomes Leben bieten sollte”, erinnert Paul Rösch, der bei den Neuwahlen zum Gemeinderat im Oktober erneut als Bürgermeisterkandidat antritt. “Die Landesregierung hat jedoch entschieden, den gesamten Komplex an die Russen zu übergeben – kein Haus der Solidarität also, und sogar das laufende Sozialprojekt der Bezirksgemeinschaft wird aus dem Schusterhäusl ausziehen müssen”, fügt Listenführerin, die ehemalige Urbanistikstadträtin Madeleine Rohrer hinzu. Sie spricht von einer “fragwürdigen Entscheidung gegen das Soziale”, die die Landesregierung mit der Zusage hat versucht abzufedern, dass sie der Stadt Meran eine freie Landesimmobilie für ein Haus der Solidarität zur Verfügung stellen werde.

Von dieser versprochenen Landesimmobilie fehle aber weiterhin jede Spur, berichtet der ehemalige Gemeinderat Toni Ladurner, der sich um die Agenda Soziales in der Liste Rösch/Grüne kümmert. Die einstimmige Kritik der ehemaligen Bürgermeisterpartei: “Wir wollen in einer sozialen Stadt leben, in der Solidarität groß geschrieben wird. Jeder Mensch in Not verdient es, von der Gemeinschaft unterstützt zu werden – auch das gehört zur Lebensqualität. Ein Haus der Solidarität für Meran hat daher Priorität. Niemand soll durch eine plötzliche Notsituation auf der Straße leben müssen. Doch für die Landesregierung ist das offenbar nicht so wichtig.”

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Karl Trojer Do., 05.08.2021 - 09:18

Ich denke, dass Eigentum (...Zarenbrunn ist unter anderem Sitz des gemeinnützigen Vereins “Russisches Zentrum N. I. Borodina” und geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Damals hatte eine der in Meran wohnhaften russischen Adelsfamilien den Meraner Architekten Tobias Brenner mit dem Bau der Gebäude beauftragt....) nicht einfach genommen werden kann. Und ich erachte es als wertvoll, wenn Südtirol versucht, gute Kontakt zum russischen Volk zu pflegen.
Andrerseits, ist soziale Solidarität eine wesentliche Aufgabe einer Stadt. Meran sollte, meines Erachtens, das Angebot des Landes, eine Immobilie für ein Sozialzentrum zur Verfügung zu stellen, annehmen.

Do., 05.08.2021 - 09:18 Permalink