Politik | Gesundheit

„Kritik wird nicht wahrgenommen“

Andreas Tutzer, Kandidat der Süd-Tiroler Freiheit für die Landtagswahlen, meldet sich mit einer geharnischten Kritik am Südtiroler Gesundheitssystem zu Wort.
Arzt
Foto: Pixabay
Wie der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in seiner Presseaussendung betont, wird sich der Hausärztemangel in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen und folgenschwere Auswirkungen auf die Basisversorgung der Bevölkerung haben. Zwar seien inzwischen Initiativen ergriffen worden, um dem Mangel entgegenzuwirken, der Erfolg lasse jedoch auf sich warten.
„Trotz eingeleiteter Maßnahmen und Willenserklärungen seitens der Landesregierung ist die Stimmung unter jungen Hausärzten nicht gut. Um Jungmediziner zur allgemeinmedizinischen Ausbildung zu motivieren oder Jungärzte nach Süd-Tirol zu holen, wurden diverse Initiativen ergriffen“, erklärt Tutzer, der in diesem Zusammenhang von „halben Sachen“ spricht, eine Aufwertung des Hausarztberufes könne er darin nicht erkennen.
 
 
Trotz eingeleiteter Maßnahmen und Willenserklärungen seitens der Landesregierung ist die Stimmung unter jungen Hausärzten nicht gut.
 
 
„Diverse Kompetenzen, die Hausärzte in Zusatzbereichen und Spezialisierungen haben, können entweder nicht abgerechnet werden oder bleiben unbezahlte Leistungen. Der Ankauf von diagnostischen Geräten wie EKG, Ultraschall, Labor werde zwar unterstützt. Solange die Leistungen nicht im Leistungskatalog vermerkt seien, müsse der Patient aber dafür bezahlen“, so Tutzer, der die Bürokratie als einen der größten Hemmschuhe für eine funktionierende Gesundheitsversorgung an der Basis nennt. Die Tätigkeit des Hausarztes müsse daher massiv entbürokratisiert werden. Damit steige die Effizienz des Systems. Schreibarbeit und Dokumentation müsse delegierbar sein und Schreibkräfte diese Arbeit übernehmen. Der finanzielle Mehraufwand durch das Sekretariatspersonal würde sich trotz Kostenübernahme durch den Sanitätsbetrieb leicht amortisieren.
 
 
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Andreas Tutzer, Mediziner und Kandidat der Süd-Tiroler Freiheit: „Diverse Kompetenzen, die Hausärzte in Zusatzbereichen und Spezialisierungen haben, können entweder nicht abgerechnet werden oder bleiben unbezahlte Leistungen.“ (Foto: Süd-Freiheit)
 
Der monatliche Mietbeitrag bei Gründung einer Hausarztpraxis stoße zwar auf Zustimmung, dass aber nicht jeder Hausarzt in Miete sei, wurde nicht berücksichtigt. So fallen Kredit- und Leasingnehmer durchs Raster.
Von Tutzer ebenfalls kritisiert wird, dass die Hausärzte dem Sanitätsbetrieb untergeordnet sind. So verwundere es nicht, dass der Sanitätsbetrieb die Fortbildungskosten der Krankenhausärzte übernimmt, nicht aber jene der Hausärzte. Ebenso zählen dem Krankenhausarzt die Fortbildungen als Arbeitszeit, Hausärzte hingegen müssen dafür ihren Urlaub verwenden. Gerade die Basismediziner, die keine interdisziplinäre Ärzteschaft in unmittelbarer Nähe haben, seien aber auf breite, fundierte Fortbildungen angewiesen. Teilweise werde auch die Anbindung an die Krankenhäuser als schwierig empfunden. Mitschuld dabei trage sicher auch die gefühlt geringe Wertschätzung durch den Sanitätsbetrieb und die Politik, so der Kandidat der Süd-Tiroler Freiheit.
Laut Tutzer ist und bleibt aber das italienische Gesundheitswesen weiterhin die größte Hürde im Land und schreckt auch Jungärzte davon ab, in Südtirol Fuß zu fassen.
 
 
Vor allem ist eine mutige Ausrichtung des Gesundheitswesens nach österreichischem und deutschem Vorbild unumgänglich.
 
 
„Es bedarf der Aufwertung der Hausärzte inklusive Erweiterung ihres Leistungskataloges, Erhöhung der Effizienz, Steigerung der Wertschätzung und verstärkte Anbindung an die Spitäler, Entbürokratisierung, benutzerfreundliche Digitalisierung und Auslagerung nicht-ärztlicher Tätigkeiten sowie individuelle finanzielle und organisatorische Unterstützung mit Weitsicht. Vor allem ist eine mutige Ausrichtung des Gesundheitswesens nach österreichischem und deutschem Vorbild unumgänglich“, so die Forderung des Mediziners.
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Profil für Benutzer G. D.
G. D. Di., 05.09.2023 - 10:02

Es soll bestimmt nicht immer nur um die Entlohnung gehen, aber sofern ich richtig informiert bin, bekommt ein junger Mediziner, der die Facharztausbildung als Allgemeinmediziner beginnt, für die Dauer der Ausbildung (4 Jahre?) ein Monatsgehalt von rund 1.300 Euro (diese Info habe ich von 2 Uni-Studenten, sollte diese Info falsch sein, ersuche ich um Nachsicht und Korrektur!). Ein Schulabgänger mit Abitur bekommt als Berufseinsteiger locker gleichviel, meist aber auch 1.600–1.800 Euro.
Nach mind. 6 (harten) Jahren eines Medizinstudiums, mit wenigen kurzen Pausen wegen den Famulaturen und Praxisausbildungen die meist zwischen den Semestern abgewickelt werden müssen, ist das wirklich schwach. Bei jeder anderen Facharztausbildung ist es in etwa das doppelte, wobei hier noch eventuelle Überstunden und Bereitschafts- und Nachdienste hinzukommen.
Summiert man die von Dr. Tutzer vorgebrachten Themen, darf man sich nicht wundern, wenn wir immer weniger Allgemeinmediziner haben und der Nachwuchs fehlt. (Auch) dieser Bereich wurde in meinen Augen ziemlich stiefmütterlich behandelt.
In Deutschland werben die Kommunen in den Medizinischen Fakultäten um Allgemeinmediziner und stellen, besonders in ländlichen Gebieten, meist ein Haus mit Praxis, beides bereits eingerichtet, einen garantieren Arbeitsplatz für den Partner und einen Kitas-Platz für den Nachwuchs zur Verfügung (letzteres ist in D nicht einfach zu ergattern)! Des öfteren steht auch noch ein Dienstfahrzeug zur Verfügung.

Di., 05.09.2023 - 10:02 Permalink