Bühne | Gesang

„Ich war immer sehr entschlossen“

Weltstar Ute Lemper reist mit ihrer Musik durch die Zeit. Ihr Konzert "Time Traveler" bringt sie demnächst in den Meraner Kursaal. SALTO hat mit ihr gesprochen.
Ute Lemper
Foto: Guido Harari
  • Die Künstlerin Ute Lemper hat im vergangenen Jahr ein autobiographisches Buch (Die Zeitreisende Zwischen Gestern und Morgen, Gräfe und Unzer Verlag) veröffentlicht. Es erschien, um ihr Leben an der Schwelle des sechzigsten Geburtstags zu erzählen. Gleichzeitig brachte sie eine CD heraus (Time traveler), um 45 Jahre einer außergewöhnlichen Karriere zu feiern, die mit immer neuen musikalischen Projekten gespickt ist. 
    Ute Lemper ist Sängerin, Tänzerin, Schauspielerin, Malerin und überragende Interpretin von Marlene Dietrich, Edit Piaf, des Berliner Kabaretts von Weill und Brecht und des französischen Chanson, mit einem noch breiteren Repertoire, das von Jazz bis zur Poesie reicht. Auf Welttournee kommt sie jetzt mit Time Traveler im Rahmen des Südtirol Festivals nach Meran (11. September, 20.30 Uhr, Kursaal) Begleitet wird sie von Vana Gierig, ein Musiker, mit dem sie seit langem zusammenarbeitet.

    SALTO: Ute Lemper, wo beginnt die musikalische Reise, die Sie auch in Meran anbieten werden?

    Ute Lemper: Es begann in den 1980er Jahren, als ich im noch durch die Mauer geteilten Berlin war. Ich entdeckte und sang das Repertoire von Kurt Weill und Bertold Brecht, die historische Periode der Weimarer Republik war ein wichtiges Kapitel der deutschen Geschichte, vergessen und vergraben durch die Schrecken des Nationalsozialismus und des Holocaust. Die deutsche Sprache wurde damals stigmatisiert und mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht, niemand wollte sie hören. Diese Musik und die fortschrittlichen, ja revolutionären Ideen, die sie enthielt, mit meiner ersten Kurt Weill-Platte 1986 wiederzubeleben, war eine erstaunliche Erfahrung. Danach lebte ich lange Zeit in Paris, wo ich am Theater arbeitete, und war fasziniert von der französischen Musik und Kultur. Ich sang das Chanson-Repertoire von Jacques Brel über Edith Piaf bis zu Jacques Prévert. Dann kamen Piazzolla, Gershwin und nach und nach alle anderen.

    Welche anderen Projekte berührt Ihre Zeitreise?

    Das Projekt, das mir vielleicht am meisten am Herzen liegt, ist ein theatralisches Gespräch zwischen mir und Marlene Dietrich, das aus einem langen Telefongespräch entstanden ist, das ich wirklich mit ihr geführt habe, als sie noch am Leben war, und das ich jetzt inszeniert habe. Und dann meine eigene Musik, die ich zu den Texten der drei Dichter Charles Bukowski, Pablo Neruda und Paulo Coehlo, die mir viel bedeuten, geschrieben habe. Und noch die berührende Interpretation von Liedern und Musik, die in den Lagern von den Opfern des Holocausts geschrieben wurden.
     

    Jedes Mal, wenn ich nach New York zurückkomme, dann atme ich auf.

  • Ute Lemper: "Das Projekt, das mir vielleicht am meisten am Herzen liegt, ist ein theatralisches Gespräch zwischen mir und Marlene Dietrich" Foto: Guido Harari

    Können Sie kurz etwas über die Band erzählen, die Sie auf der Bühne begleitet?

    Meine Band besteht aus 3 Musikern. Am Klavier ist Vana Gierig. Er spielt Klavier und ist seit 20 Jahren mein treuer Pianist. Am Bass ist Giuseppe Bassi, Italiener aus Bari sowie am Schlagzeug Mimmo Campanale, ebenfalls aus Bari. Es sind zwei fantastische Musiker, die seit einigen Jahren mit mir Musik machen. Wir sind ein gut eingespieltes Team und lieben es, gemeinsam zu spielen und zu improvisieren.

    Sie sind in Münster geboren und aufgewachsen, haben in Wien studiert und in Berlin, Paris, London und schließlich in New York gelebt, wo sie seit den 1990er Jahren ansässig sind. Gibt es einen Ort, an dem Sie sich zu Hause fühlen?

    Vielleicht New York. Jedes Mal, wenn ich nach New York zurückkomme, dann atme ich auf. Es ist so, als ob man hier durchatmen kann. Obwohl ich mich nach wie vor nicht als Amerikanerin identifiziere. Ich bin nach wie vor Europäerin. Ich bin natürlich Deutsche, aber hier, ich bin auf jeden Fall New Yorkerin. Und das ist eben das Besondere an dieser Stadt, dass man hier wirklich in diesem Konglomerat von internationalen Menschen mit ihren Immigrationsgeschichten lebt und hier überhaupt nicht auffällt damit. Man passt hier genau mit seiner Andersartigkeit herein. Und das ist irgendwie so eine Weltoffenheit, die mir oft in anderen Ländern fehlt. Ja, in vielen Ländern fühle ich mich wohl, aber ich fühle mich eigentlich nirgendwo zu Hause, obwohl ich in New York zu Hause bin, aber irgendwie bin ich doch entwurzelt und trage Elemente vieler Kulturen in mir. Ich bin wie ein Mosaik, ein Mosaik an Kulturen. Und das ist auch gut so. Also ich kann mich mit keiner Nation, mit keiner Nationalität irgendwie wirklich identifizieren, sondern bin eigentlich eine Weltbürgerin.

    Wie sind Sie damals in New York angekommen?

    Ich habe immer in Städten gelebt, in denen ich in Theatern, in Musicals gearbeitet habe. Meine beiden ältesten Kinder wurden in Paris geboren, mein Mann war Amerikaner, und New York, wohin ich zum Arbeiten am Broadway kam, schien uns ideal. Das war die Stadt, die uns irgendwie am meisten gefallen hat. Sie war so offen, so weltoffen, so vibrierend, so lebhaft und auch kinderfreundlich. Und uns hat die Schule gefallen und die Community. Und wir wollten dann einfach hier bleiben. Auch meine beiden anderen Kinder, die aus meiner zweiten Ehe stammen, sind jetzt ältere Teenager und studieren hier.

    Auf der Bühne haben Sie immer alles gegeben und wirken sehr engagiert. Woher nehmen Sie die ganze Energie?

    Für mich gibt es kein Faulsein, ich muss immer mein Bestes geben, nicht nur auf der Bühne, sondern in allem: in der Arbeit wie in der Liebe, in Beziehungen mit Menschen oder beim Putzen zu Hause. Vor allen Dingen bin ich ja eine selbstständige Künstlerin, das heißt, ich werde nicht engagiert von Produktion zu Produktion, sondern ich kreiere die Produktion selbst. Ich bin Autorin, Komponistin, Regisseurin, Künstlerin, ich bin immer alles gleichzeitig. Jetzt muss ich aber alles ein bisschen langsamer machen, ich muss meinen Körper schonen, mit den Jahren braucht er mehr Aufmerksamkeit.

  • Ich bin immer alles gleichzeitig.: Autorin, Komponistin, Regisseurin, Künstlerin, Sängerin Ute Lemper Foto: Guido Harari
  • Wie hat Ihre Verbindung zur Musik begonnen?

    Ich bin in einer musikalischen Familie aufgewachsen, zu Hause hat meine Mutter gesungen und ein Instrument gespielt, mein Vater auch. Aber es war alles sehr konventionell, das moralistische und stark katholische Klima in Münster war mir zu eng. Sobald ich volljährig war, wählte ich meinen eigenen Weg und meine Eltern konnten mich nicht aufhalten. Ich war immer sehr entschlossen. Sie hatten keine andere Wahl, als zu akzeptieren und mich gehen zu lassen.

    Und Ihre Kinder?

    Mein ältester Sohn ist 30, meine Tochter 28. Die ersten zwei Kinder habe ich früher oft mitgenommen auf Tournee und meine zwei jüngeren sind jetzt auch schon ältere Teenager. Alle haben eine musikalische Begabung und spielen auch gerne Instrumente, aber keiner möchte Musik zum Beruf machen. Man muss Glück haben, um Karriere zu machen und ansonsten ist oft brotlose Kunst, wie man sagt, man lebt dann als Künstler wirklich am Rande der Existenz. Alle haben eine künstlerische Begabung, wollen aber ein sicheres Leben führen. Meine Tochter möchte Literatur-Professorin an der Universität werden und mein Sohn ist in einem Start-up-Unternehmen. Meine anderen Kinder sind athletisch, wollen eher Sport machen. 
    Doch wenn meine Kinder an die verrückten Zeiten der Tourneen zurückdenken, finden sie das immer wunderbar: die Erlebnisse zwischen Soundcheck und Theater oder Open Air-Bühne. Es sind verrückte Erinnerungen, die sie alle immer noch mit sich tragen.