Sanft versus fair
Christine Plüss ist Geschäftsführerin einer Schweizer Fachstelle, die sich für gerechten Tourismus engagiert. Sie spricht langsam, überlegt lieber zweimal. Dennoch, so merkt man sofort, es ist eine quirlige Frau. Immer wieder fährt sie sich während des Gesprächs mit den Händen durch die Haare. Man merkt ihr ihre Reiselust an. Bereits auf den ersten Blick. Auch wenn sie meint, heute kaum noch Fernreisen zu unternehmen und bevorzugt in der Schweiz zu urlauben. Doch vor und während ihres Studiums, arbeitete sie für 15 Jahre als Reiseleiterin. In diesen Jahren sei sie viel rumgekommen, habe die Welt gesehen und mit ihr die negativen Entwicklungen des Tourismus. Von der Korruption bis zur Ausbeutung von Mitarbeitern.
In diesem Wochenende ist der Schweiz ausnahmsweise entflohen. Ins Hochpustertal. Zu den 26. Toblacher Gesprächen im dortigen Grand Hotel. Zwei Tage lang hat sie sich zusammen mit den 160 Teilnehmern mit der Frage auseinandergesetzt, ob der sanfte Tourismus doch nur eine Illusion sei. Ihre Antwort lautet: Jein. Die Ansätze, die Hans Glauber vor 30 Jahren formuliert habe, seien genau richtig gewesen. Aber in die Praxis lasse sich der Begriff nur schwer umsetzen. „Als Tourismusform ist dieser Begriff nicht richtig greifbar. Eben weil sich so viel verändert hat, wir haben seither die Globalisierung erlebt. Die Tourismusunternehmen, die Inhaber der Hotelresorts und die Reiseveranstalter sind mächtig geworden. Tourismusinvestoren sind oft nur auf schnellen Gewinn aus. Großes Geld wird gemacht beim Konvertieren von Land, beim Ausbau und bei der Vergabe von Bauaufträgen“, resümiert Christine Plüss. Eine Entwicklung mit fatalen Folgen, wie sie meint. „Ob ein Megaresort aber auch funktioniert und rentabel arbeitet, das ist zweitklassig geworden.“
Seit über drei Jahrzehnten beschäftigt sie sich mit den Folgen des Tourismus für die Gastgeber und die Umwelt. Sie sensibilisiert westliche Reisende für Klimagerechtigkeit, eine gerechte globale Verteilung der natürlichen Ressourcen und faire Formen des Reisens. Mit ihrem „Arbeitskreis tourismus & entwicklung" betreibt sie das Webportal www.fairunterwegs.org. Ein Portal, das Tipps für nachhaltiges Reisen gibt. Tipps, welche Hotels faire Löhne bezahlen, in welchen Betrieben mit Bioprodukten gekocht wird und wo die Umweltstandards eingehalten werden. Ähnliche Prinzipen also wie jene des Fairen Handels. Es gibt heute bereits eine Zertifizierung von Tourismusbetrieben anhand einer Messlatte weltweit gültiger Kriterien des Fairen Handels. „Der Tourismus wird bei uns aus entwicklungspolitischer Sicht hinterfragt. Unsere Arbeit fokussiert sich auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Sehr stolz sind wir auf die Entwicklung in Südafrika, dort gibt es mittlerweile über 60 Fair Trade-zertifizierte Betriebe, von Weingütern über Backpacker-Unterkünfte bis hin zu Fünf-Sterne Hotels“, erklärt Plüss. Stolz sei sie auch deshalb, da die Initiativen direkt vom Süden ausgingen und nicht vom Norden diktiert wurden. Plüss ist sogar überzeugt, dass einige der Ansätze vom Norden übernommen werden könnten. „In Indien oder in Bali gibt es Hotelbetriebe, die sich dazu entschieden haben, die Wäscherei entgegen dem heutigen Trend nicht auszulagern sondern Frauen aus umliegenden Dörfen zu fairen Bedingungen zu beschäftigen und auszubilden. Das könnte doch auch ein Ansatz für das ein oder andere Hotelsresort in den Alpen sein?“ fragt Plüss am Ende unseres Gesprächs mit einem Lächeln im Gesicht.