Politik | Euregio

Tiroler Trübsal

Ist der “Milchkrieg” nur die Spitze des Eisbergs? Wie gestört sind die Beziehungen zwischen Nord- und Südtirol? Die Grünen warnen, die offizielle Politik beruhigt.
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Foto: milk.tv

“Meinem Tiroler Kollegen und mir war dieses Thema bereits seit Frühjahr bekannt, dass es nun für solch hohe Wellen sorg, ist für uns beide unverständlich.” Mit diesem Satz ließ sich Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler am gestrigen Donnerstag (3. November) vom Landespresseamt zitieren. Am Nachmittag war er kurzfristig mit Josef Geisler, seinem Tiroler Amtskollegen in Bozen zusammen gekommen (Geisler weilte in seiner Funktion als Tiroler Sportlandesrat in Bozen). Grund dafür: die Schlagzeile der Tiroler Tageszeitung vom Vormittag (Die Euregio viechert: Bauernprotest wegen Viehstopp). Das Kuriose daran: Als Obmann des Tiroler Bauernbundes ist Josef Geisler maßgeblich für diese Schlagzeile mit verantwortlich. Gemeinsam mit weiteren Vertretern der Tiroler Landwirtschaft hat Geisler nämlich ein “geharnischtes Schreiben”, wie es die TT nennt, an die beiden Landeshauptleute nördlich und südlich des Brenners verschickt. Kritisiert wird darin die Entscheidung des größten Südtiroler Milchhofes, der Bergmilch/MILA, ihren Mitgliedern die Auszahlung des Milchpreises zu reduzieren wenn sie mehr als zehn Prozent “ausländischer Kühe” im Stall stehen haben.

Diese “ungerechtfertigte Diskriminierung” stößt den Tirolern sauer auf, fürchten sie doch einen Wettbewerbsnachteil für ihre heimischen Milchvieh-Züchter. Josef Geisler scheint in der “Kuh-Affäre” eine doppelte Rolle eingenommen zu haben, woran . Als Bauernbundobmann vertritt er eine schwindende Bevölkerungsgruppe. Anfang des 20. Jahrhunderts waren noch 60 Prozent der Menschen in Tirol in der Landwirtschaft tätig. “Heute sind es gerade einmal 4 Prozent”, sagte Geisler bei seiner Wiederwahl zum Obmann 2015. Und fügte hinzu: “Was damals eine Mehrheitsmeinung war, muss heute gut argumentiert werden.” Seine Argumente bringt Geisler nun lautstark vor, wettert gegen die Südtiroler Bergmilch und fordert die Landeshauptleute auf, einzugreifen – “einmal mehr” funktioniere die Zusammenarbeit in der Euregio nicht. Als Landeshauptmannstellvertreter und Landwirtschaftslandesrat zeigt sich Geisler hingegen diplomatischer. Zusammen mit Arnold Schuler scheint er bemüht, eine politische Eskalation zu verhindern: “Das Problem wird sich von alleine lösen, da die Milchanlieferungen zurückgegangen sind.” Von einem Rückschritt in der Euregio, von dem Bauernbundobmann Geisler in dem Schreiben an Arno Kompatscher und Günther Platter spricht, will Landwirtschaftslandesrat Geisler nichts wissen. Gerade in der Landwirtschaft werde die Europaregion gelebt, heißt es nach dem Treffen mit Schuler am Donnerstag.

Was schwant der Euregio?

Dem betont harmonischen Bild, das die beiden Landesräte dabei abgeben, trauen in Südtirol nicht alle. Die Südtiroler Grünen fragen sich, ob der “Milchkrieg” nicht als Symptom für “gestörte Beziehungen in der Euregio” zu deuten sei. Diese seien ohnehin nicht in Bestform, “ja sogar auf einem Tiefstand”, sind sich Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarbe einig. Als Beispiele führen sie die unterschiedliche Haltung im Bundesland Tirol und Südtirol bei Themen wie dem Sektoralen Fahrverbot, der Flüchtlingsfrage und nun dem Versuch “des faktischen Importverbots für Vieh aus Tirol durch Bergmilch”. “Das sind Belastungen, die nicht zu beschönigen sind”, so die Grünen. “Etwas Kontraproduktiveres für die Vernetzung zwischen den Landesteilen hätte man nicht tun können”, meint auch Christoph Mitterhofer, der für die Süd-Tiroler Freiheit im Meraner Gemeinderat sitzt und selbst Jungbauer ist.

“Der Vieh- und Milchimporte ist bei weitem kein Detailproblem, sondern weist auf grundlegende Belastungen und dringende Verbesserung hin.”
(Grüne Landtagsabgeordnete)

Die Verstimmung nördlich des Brenners sei auch nach dem Treffen von Schuler und Geisler “mit den Händen zu greifen”, mahnen die Grünen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht zeigen sie zwar Verständnis für die Ankündigung der Bergmilch, die volle Auszahlung des Milchpreises zu verweigern. “Sie belastet jedoch die Zusammenarbeit zwischen Tirol und Südtirol, die Euregio und ist ein krasser Verstoß gegen EU-Recht”, kritisieren Heiss, Foppa und Dello Sbarba. Ähnliche Töne schlägt auch Christoph Mitterhofer an. Er spricht von einem “Skandal” und fordert: “Diese Art der Erpressung und Wettbewerbsverzerrung darf es in einem gemeinsamen Europa nicht geben.”

Sollten die Tiroler Landwirtschaftsvertreter, wie in dem Schreiben an Kompatscher und Platter angedroht, eine EU-rechtliche Prüfung dieser “Wettbewerbsverzerrung” beauftragen, wäre das “Gift für die Beziehungen”, befürchten die Grünen. Zumal sie einer Beschwerde bei der EU-Kommission durchaus Aussicht auf Erfolg einräumen. Wie übrigens auch der Europarechtexperte Walter Obwexer, der im Gespräch mit RAI Südtiorl bestätigt, dass Verbote beim Kuh-Import EU-Recht verletze. In einer eilig verfassten Landtagsanfrage wollen die Grünen nun Aufklärung von der Landesregierung. Unter anderem fragen sie, ob es nicht an der Zeit wäre, “in einer grundlegenden Aussprache zwischen den Landesregierungen offene Fragen und Probleme auf vielen Ebenen (Transit, Flüchtlinge, Landwirtschaft) auf lange Sicht abzuklären?”.

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Hartmuth Staffler Fr., 04.11.2016 - 23:05

Da die Milch der Bergmilch/Mila aufgrund des viel zu hohen Anteiles an Silage-Fütterung als qualitativ minderwertig einzustufen ist, stellt sich das Problem eigentlich gar nicht. Wer gute Milch haben will, kauft ohnehin Nordtiroler Milch.

Fr., 04.11.2016 - 23:05 Permalink
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Hartmuth Staffler Fr., 04.11.2016 - 23:08

Da die Milch der Bergmilch/MILA aufgrund des viel zu hohen Anteiles an Silage-Fütterung als qualitativ minderwertig einzustufen ist, stellt sich das Problem eigentlich gar nicht. Wer gute Milch haben will, kauft ohnehin Nordtiroler Produkte ein.

Fr., 04.11.2016 - 23:08 Permalink