Standing ovations, Euphorie, 1500 Delegierte, grenzenloser Optimismus: die Gründung der neuen Linkspartei Liberi e uguali gestaltete sich am Sonntag in Rom zur Jubelfeier jener, die den Anspruch erheben, die authentische Linke zu vertreten. Ein Fest, das jene friedlich vereinte, die bisher immer wieder die Notwendigkeit verspürt hatten, sich voneinander abzugrenzen. Für Nicola Fratoianni ist es die fünfte Linkspartei, für den gerade in Sizilien gescheiterten Claudio Fava die siebte. "Qui ci sono persone che credono nelle lore idee, è una bellissima immagine. Siamo qui, culture e persone diverse, ma tutti uniti per difendere principi e valori in cui crediamo," freute sich Senatspräsident Luigi Grasso, der neue Hoffungsträger, der seinen Austritt aus dem Partito Democratico als "scelta politica e personale, scelta di un'esigenza interiore" definierte: "Serve un’alternativa e allora tocca a noi offrire una nuova casa a chi non si sente rappresentato, difendere principi e valori che rischiano di perdersi. Serve un’alternativa all’indifferenza e alla rabbia inconcludente dei movimenti di protesta, alle favole bellissime che abbiamo sentito raccontare per decenni. Tocca a noi offrire una nuova casa a chi non si sente rappresentato. Una nuova proposta per il paese. Io ci sono", versicherte der 72-jährige Staatsanwalt.
Neben Grasso hat die neue Linkspartei noch einen zweiten, in Rom abwesenden Geburtshelfer: Matteo Renzi, der als Vorsitzender des Partito Democratico seinen tatkräftigen Beitrag leistete, um den lästigen linken Flügel loszuwerden.
Liberi e uguali ist eine neue Partei mit alten, sattsam bekannten Gesichtern, die seit Jahrzehnten auf der politischen Bühne vertreten sind - von Nichi Vendola zu Pier Luigi Bersani, von der ultralinken Frontkämpferin Loredana De Petris bis hin zu Massimo D'Alema, der nach einem halben Jahrhundert in der Politik und seinem bereits angekündigten Abschied erneut für das Parlament kandidiert: "Puntiamo alla doppia cifra - con un modo di fare politica fondato sulla serietà".
An rhetorischen Höhenflügen liess man es nicht fehlen:"Noi prendiamo l'impegno di fare promesse che non verranno più tradite. Loro stanno già preparando nuovi tradimenti ma noi li fermeremo. Il nostro progetto non è solo mettere insieme la sinistra, che è un'impresa titanica mai riuscita, ma cambiare l'Italia" so der Gründer der Ein-Prozent-Partei Possibile, Pippo Civati.
Die gestrige Inszenierung im römischen Palazzetto Atlantico rmöglichte auch pschologische Interpretationen: sie war die gelungene Revanche der alten PD-Garde um Bersani am frechen Verschrotter, der ihr vor vier Jahren ihr Lieblingsspielzeug entrissen hatte.
Dass Pietro Grasso, als Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes zur Überparteilichkeit verpflichtet, den Vorsitz einer Oppositionspartei übernimmt und sie in den Wahlkampf führt, ist zweifelsohne eine krasse politische Anomalie, ein klassischer "strappo istituzionale".
Nach Schätzung der Meinungsforscher kann die neue Partei acht Prozent der Stimmen erreichen. In den Ein-Mann-Wahlkreisen freilich bleibt sie weitgehend chancenlos. Dort peilt sie ein anderes Ziel an: die Wahl von Renzis Kandidaten zu verhindern. Als lachender Dritter darf sich Berlusconi die Hände reiben.
Angesichts der bevorstehenden Wahlen blieb der linke Aufmarsch im römischen Palazzetto Atlantico nicht die einzige Parteigründung. In Mailand hob der bei der Bürgermeisterwahl knapp unterlegene Stefano Parisi seie neue Zentraumspartei Energie per l'Italia aus der Taufe: "Tagliare la spesa pubblica e abbassare le tasse." In Triest liess sich Giorgia Meloni zur Vorsitzenden der ultrarechten Fratelli d'Italia küren und präsentierte das neue Parteisymbol - die fiamma tricolore der ehemaligen Alleanza nazionale. Es war deren Vorsitzender Gianfranco Fini, der Meloni vor zehn Jahren zur jüngsten Ministerin Italiens gekürt hat : "Una delusione terribile."