salto.music | Isabel Goller

Streunend

Eine EP, eingespielt mit Harfe. Die Brixner Musikerin Isabel Goller hat kürzlich „Roaming“ veröffentlicht und bezaubert mit sechs ruhigen, einnehmenden Stücken, darunter auch Adaptionen von Claude Debussy und Mel Bonis.
Isabel Goller
Foto: Lukas Lorenz
  • Mélanie Hélène Bonis (1858-1937) war eine französische Komponistin, die ihre Kompositionen unter dem Pseudonym Mel Bonis veröffentlichen musste, weil zu ihrer Zeit Kompositionen von Frauen nicht ernst genommen wurden. Diese Zeiten sind vorbei. Ihr für Klavier geschriebenes Stück „Gai Printemps (Impromptu)“ findet sich, arrangiert für Harfe, auf der neuen EP „Roaming“, der Brixner Harfenistin Isabel Goller.

    Roaming heißt aus dem Englischen übersetzt so viel wie streunen, und Isabel Goller bezieht das auf die verschiedenen musikalischen Epochen, die sie mit ihren sechs Stücken „besucht“. Neben Bonis finden sich nämlich Namen wie jenen des Barock-Komponisten Jean-Philippe Rameau („Suite En Sol: 8. L'Égyptienne“), über den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka („The Lark“), den Impressionisten Claude Debussy („Préludes Book II, L. 123: V. Bruyeres“) bis hin zum Vertreter der gegenwärtigen Neo-Klassik Ludovico Einaudi („Nuvole bianche“).

  • Der EP „Roaming“, die am 18. Jänner 2024 das Licht der digitalen Welt erblickt hat, sind zwei Videos vorausgegangen: Isabel Goller geht eine „klassische Sache“ zeitgemäß an. Foto: Lukas Lorenz
  • Goller schreibt zu ihrer EP: „Keines der Stücke wurde ursprünglich für die Harfe komponiert. Stattdessen bediene ich mich Kompositionen anderer Instrumente und adaptiere sie für die Harfe. Dies gibt ‚Roaming‘ eine unverwechselbare Note und fängt meine Idee des musikalischen ‚Herumwanderns‘ ein.“

    „Roaming“ enthält, so viel vorweg, ruhige Musik, wer sich aber darauf einlässt, wird dennoch viel Bewegung in ihr finden.

    Das „Herumwandern“ ist denn auch eine treffende Umschreibung für die Musik, die die Brixnerin mit „Roaming“ vorlegt. Der Klang ihrer Harfe ist schön, aber nicht süß, und auch die Arrangements sind zwar stets wohlklingend und angenehm, aber – zumindest für ungeübte Hörer so genannter klassischer Musik wie wir es sein mögen – nie einschmeichelnd. Die Stücke, bleibt man ihnen auf den Fersen, sind stets spannend und mit einer Dynamik gespielt, die die Neugier hoch hält. Zudem sind die Stücke gut gewählt, weil sie mitunter sehr unterschiedlich sind: „Vega“ ist ein reduziertes, fast zum Ambient lehnendes Stück, das aber die Offenheit einer Improvisation ausstrahlt, während „Cinq Pièces Pour Piano: I. Gai Printemps, Impromptu“ eine sehr schöne Melodie in ein fast verträumtes und groovendes Lied verpackt.

    „Roaming“ zeigt Goller als vielseitige Musikerin, mit einem Gespür für den Fluss der Stücke und mit der Fähigkeit, Musik, die etwa für Klavier geschrieben wurde, so auf ihr Instrument, die Harfe, zu übertragen, dass diese natürlich und überzeugend wirkt. Es bleibt zudem der Eindruck, dass hier viel von Goller's Persönlichkeit zu hören ist.

  • Isabel Goller: Mel Bonis: „5 Pièces pour piano, I. GAI PRINTEMPS, Impromptu”
    (c) Isabel Goller

  • Vielseitigkeit findet sich nicht nur in den Stücken ihrer EP, sondern auch ganz konkret in ihrem Leben. Goller: „Neben meiner Tätigkeit als klassische Harfenistin in verschiedenen Orchestern genieße ich es, meine eigenen Projekte zu entwickeln und zu realisieren. Dabei liegt mir Neugierde, Offenheit und Kreativität am Herzen. Mein Künstlerinnendasein ist von Vielseitigkeit geprägt, das spiegelt sich in meinen Projekten wider.“

    Zu diesen Projekten gehört zum Beispiel NUJA, mit dem sie gemeinsam mit Elisa Godino ihre Musik mit Meditation verbindet, und Forest Art, bei dem Performances der Akrobatin Veronika Smolkova im Wald mit Goller's Musik miteinander verbunden werden.

    Der musikalische Background ist aber klassisch. Goller beginnt mit neun Jahren Harfe zu spielen, wird mit 14 am Mozarteum in Salzburg aufgenommen und war bereits 2009 beim internationalen Harfenwettbewerb in Bangkok. Während ihres Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste wurde sie bei verschiedenen internationalen Jugendorchestern aufgenommen, verbrachte ihre Sommer in der internationalen Orchesterakademie des Schleswig Holstein Musikfestival, beim Aspen Music Festival in den USA und auf Europatournee mit dem Gustav Mahler Jugendorchester. In der Folge war sie Mitglied der Giuseppe Sinopoli Akademie der Sächsischen Staatskapelle in Dresden (2016-2018) und machte ihren zweiten Master am Konservatorium von Maastricht. 

    Als Orchestermusikerin hat sie unter anderem mit den Wiener Philharmonikern, mit dem Klangforum Wien, dem Musikkollegium Winterthur, der Philharmonia Zürich und dem ORF Radiosinfonieorchester Wien zusammengearbeitet. Seit 2019 ist Goller Teil der Südtirol Filarmonica und ist Gründungsmitglied dieses Orchesters. Goller: „Dieses Herzensprojekt vereint Südtiroler MusikerInnen, die in der Welt erfolgreich sind, in ihrer Heimat zu gemeinsamen Konzerten“.

  • Adaptiert auf ihrem Release Stücke für die Harfe, die nicht für die Harfe geschrieben wurden: Die Brixner Musikerin Isabel Goller präsentiert mit „Roaming“ ihre erste EP als Solo-Künstlerin. Foto: Foto: Lukas Lorenz / Grafik: Stephanie Innerbichler