Über-Tourismus
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Gastbeitrag des Architekturzentrum Wien von Katharina Ritter zur aktuellen Ausstellung "Über Tourismus"
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Seit Jahrzehnten erfährt der Tourismus eine kontinuierliche Intensivierung und ist zu einem integralen Bestandteil unseres westlichen Lebensstils geworden. Er hat Wertschöpfung, Wohlstand und Weltoffenheit auch in die entlegensten Gegenden gebracht und so Abwanderung verhindert. Das ist die Sonnenseite des Tourismus. Auf der Schattenseite stehen negative Effekte wie Menschenmassen, grobe Umwelteingriffe und steigende Bodenpreise.
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Touristische Hotspots leiden unter dem Ansturm der Besucher*innen, während andere Orte abgehängt werden. Gemeinden sind zwiegespalten: Einerseits profitieren sie vom Tourismus, andererseits nehmen sie immer stärker unerwünschte Nebenwirkungen wahr. Und bedenkt man, dass der Tourismus mehr als andere Wirtschaftssektoren vom Klima abhängt, ist es erstaunlich, dass der Klimawandel ausgerechnet hier oft noch ein Randthema ist. Anhand von anschaulichen Illustrationen, Beispielen und Datenmaterial zeigt die Ausstellung u. a. das Zusammenspiel von Tourismus und Wirtschaftswachstum, steigenden CO2-Emissionen oder der Verdrängung der lokalen Bevölkerung durch ausufernde Wohn- und Lebenshaltungskosten – auch seit touristische Unterkünfte vermehrt zu Anlageobjekten werden.
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Wie können wir Tourismus in Zeiten von Klimakrise, Kriegen, drohenden weiteren Pandemien, Fachkräftemangel und einer anhaltenden Energiekrise neu denken und in nachhaltigere Bahnen lenken? Welche Rolle spielen dabei Raumplanung und Architektur? Die Ausstellung beleuchtet zentrale Aspekte des Tourismus wie Mobilität, Städtetourismus, Wechselwirkungen mit der Landwirtschaft, Klimawandel, die Privatisierung von Naturschönheit bis zum Wandel der Beherbergungstypologien und geht der Frage nach, ob und wie Tourismusentwicklung geplant wird. Vor allem aber sucht die Ausstellung nach Transformationspotential. Viele Reisende sehen sich selbst ungern als Teil des Phänomens Massentourismus, und Zweifel an der Klimaverträglichkeit unseres Reiseverhaltens werden immer lauter.
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Eine Vielzahl von Initiativen sind in letzter Zeit entstanden, die einen anderen Umgang mit der Natur, der lokalen Bevölkerung, dem Klima, Städten und Dörfern oder der Mobilität pflegen. Lokale und internationale Beispiele präsentieren wegweisende Lösungsansätze. Planungskonzepte unterschiedlicher Länder laden zu einem strategischen Vergleich. Zahlreiche gelungene Beispiele machen Lust auf eine Art des Urlaubens, die nicht mehr ausschließlich dem Konsum sowie dem Wachstumsparadigma folgt. Im Zentrum bleibt die Frage: Wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht mehr das zerstört, wovon er lebt?
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Kuratorinnen: Karoline Mayer & Katharina Ritter, Az W
Assistenz: Dina Unterfrauner
Ausstellungsarchitektur: ASAP – Pitro Sammer
Ausstellungsgrafik: LWZ & Manuel RaddeBuch zur Ausstellung erhältlich
Eine Ausstellung des Architekturzentrum Wien, ab Herbst 2024 in der Kulturhauptstadt Salzkammergut. -
Zwei Länder, ähnliche Ausgangslage, anderer Umgang: Ein Vergleich Tirol – Südtirol
Die zwei Alpenländer Tirol und Südtirol stehen für den enormen wirtschaftlichen Erfolg, den Tourismus in wirtschaftlich schwache Regionen zu bringen vermochte. Die großen Wachstumsschübe im Tourismus scheinen jedoch vorüber zu sein, tourismusintensive Orte sind an eine Belastungsgrenze gestoßen und neue Konzepte sind gefordert. Während die Ankünfte und Nächtigungen seit 2000 stark angestiegen sind, hat die Aufenthaltsdauer abgenommen. Betriebe im unteren Sterne-Segment brechen weg und werden durch solche im 4- bis 5-Sterne-Segment ersetzt.[1] Beides sind Entwicklungen, die zu erhöhtem Ressourcenverbrauch führen.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass beide Länder kürzlich jeweils neue bzw. überarbeitete Strategien beschlossen haben, die sich mit der Raumwirkung von Tourismus beschäftigen. In Südtirol wurde das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+ am 24. Februar 2021 von der Südtiroler Landesregierung und in Tirol der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusplanung 2030“ am 29. März 2022 von der Tiroler Landesregierung beschlossen.
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Südtirol und das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+
Die Provinz Bozen – Südtirol verfügt seit 1972 über einen Autonomiestatus, der ihr in Angelegenheiten der Raumplanung, des Tourismus, der Landwirtschaft und des Landschaftsschutzes die primäre Gesetzgebungskompetenz überträgt.
Mit dem relativ jungen Landesgesetz „Raum und Landschaft“[1], das am 1. Juli 2020 in Kraft getreten ist, wollte Südtirol mit der Zusammenführung der Materien Raumordnung und Landschaftsschutz eine Trendwende in Raumplanungsfragen einleiten. Die Gemeinden müssen seitdem verbindliche Gemeindeentwicklungsprogramme erstellen und Siedlungsgebiete festlegen. Innerhalb dieser Grenzen entscheidet – weitgehend autonom – die Gemeinde, außerhalb weiterhin das Land. Bauen außerhalb der Siedlungsgrenzen ist nur in klar definierten Ausnahmefällen möglich.
Ziel des ein Jahr später beschlossenen LTEK war es, zu evaluieren, wie viel und welchen Tourismus Südtirol haben und wofür das Land stehen will und dies eng mit der Raumordnung und den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung zu verknüpfen. Nach einer Analyse der Ist-Situation und Benennung der Problemfelder wurde in einem Sollszenario für den Tourismus im Jahr 2030 ein gewünschtes Zukunftsbild entworfen und schließlich ein Bündel an Handlungsmaßnahmen[2] auf Landes- und Gemeindeebene dargestellt, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen.
Auf Gemeindeebene fällt darunter u. a. die Verpflichtung, im Rahmen der Gemeindeentwicklungskonzepte auch die Tourismusentwicklung einzubeziehen. Bestimmte Analysen, wie Wirtschaftsstruktur oder durchschnittliche Tourismusintensität und insbesondere Daten zur „Tourismusgesinnung“, sind zu erheben und auf Grundlage des „Sollszenarios Südtirol 2030“ und mittels partizipativer Formate ist ein eigenes Zukunftsbild zu entwickeln.
Auf Landesebene wurde u. a. die Festlegung einer Bettenobergrenze[3] beschlossen. Um quantitatives Wachstum in Zukunft einzuschränken, wurde die Bettenzahl auf die Werte von 2019 (229.088 Betten)[4] eingefroren. Dazu kommt ein Vorschuss von 8.000 Betten, der allerdings innerhalb von zehn Jahren ausgeglichen werden muss. Frei gewordene Betten fallen zu 95 Prozent in das Gemeinde- und zu fünf Prozent in das Landeskontingent. Weiters in Planung sind eine landesweite Regelung für Campingplätze, eine Überarbeitung des Kategoriensystems der Betriebe und eine Neueinstufung der Betriebe mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Regionalität
Ob das neue Konzept ausreichen wird, um die mannigfaltigen Herausforderungen für den Wirtschaftssektor Tourismus und die lokale Bevölkerung zu meistern, wird sich weisen. Aber zumindest gibt es für alle Beteiligten klar formulierte Ziele und einen Weg.
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Tirol und der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung 2030“
Tirol verfügt einerseits über den geringsten Dauersiedlungsraum und ist andererseits – gemessen an den Nächtigungszahlen – das mit Abstand „touristischste Bundesland“ Österreichs. Die Wohnbevölkerung wuchs zwischen 1961 und 2011 um 53 Prozent, die Zahl der Gebäude nahm im selben Zeitraum um 150 Prozent zu.[1] Der Druck auf Grund und Boden ist nirgends derart groß wie hier. Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass Tirol das einzige Bundesland ist, dass seit geraumer Zeit Weichenstellungen hinsichtlich einer Lenkung der räumlichen Tourismusentwicklung unternimmt. Die 2021 angekündigte gesetzliche Festlegung einer Bettenobergrenze von maximal 330.000 Gästebetten und das Verbot von Großbetrieben mit mehr als 300 Betten war laut Landeshauptmann Günther Platter jedoch „rechtlich nicht umsetzbar“.[2]
Das Tiroler Raumordnungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, Raumordnungsprogramme[3] für das ganze oder für Teile des Bundeslandes zu erlassen, wie dies bereits für Seilbahn- und Skigebiete, für den Schutz der Gletscher oder für Golfplätze erfolgt ist.[4] Im Falle des Gesamtkomplexes „Tourismus“ hat man diese Möglichkeit nicht gewählt und stattdessen einen Raumordnungsplan[5] erarbeitet, der zwar Ziele und Leitlinien vorgibt, aber keine konkreten Maßnahmen vorschreibt und damit den Gemeinden weiterhin – scheinbar – großen Handlungsspielraum lässt.
Dennoch ist der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung 2030“ das bislang weitreichendste Papier in Österreich. Für die Gemeinden macht er ersichtlich, was vom Land in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde[6] noch genehmigt wird, und für das Land stellt er erstmals eine Grundlage dar, um Projekte, die den Zielsetzungen entgegenstehen, untersagen zu können. So werden neue Großbeherbergungsbetriebe über 300 Betten in der Praxis nicht mehr genehmigt[7] und für solche ab 150 Betten – die nur auf Sonderflächen erlaubt sind – gelten strenge Vorschriften, die auch die Prüfung der Eigentümer*innen- und Betreiber*innenverhältnisse und eine qualitätsvolle Gestaltung einschließen. Besonders trickreich liest sich der § 47a des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG), der die Widmungskategorie „Sonderflächen für Chalet-Dörfer“ regelt. Um den weiteren Wildwuchs dieser Unterkunftsform weitestgehend zu verunmöglichen, wurde als eines der Kriterien für die Zulässigkeit dieser Widmung die „Gewährleistung einer Boden sparenden Bebauung“ ins Gesetz aufgenommen. Fragt man sich, wie das Widerspruchspaar Chalet-Dorf und bodensparend zusammenpasst, lautet die überraschende Antwort: gar nicht! Bodensparend kann ein Chaletdorfer demnach eigentlich nur sein, wenn es kaum mehr als jene fünf Chalets umfasst, die der gesetzlichen Definition eines Chaletdorfes entsprechen.[8] Parallel zum Raumordnungsplan versucht das Land aber auch mit der Unterschutzstellung von rund 38.000 Hektar landwirtschaftlicher Vorsorgeflächen – was in etwa einem Viertel des Tiroler Dauersiedlungsraums ausmacht – dem weiteren Flächenverbrauch gegenzusteuern.
Das Beispiel Tirol könnte in Österreich Schule machen. Die anderen Bundesländer könnten sich daran orientieren und die Entwicklung des Tourismus aktiv steuern. Doch bislang zeichnet sich kein Nachahmungseffekt ab. Und solange es in Österreich weder eine nationale Bodenstrategie mit verbindlichen Zielwerten noch überörtliche Raumplanungsprogramme der Länder gibt, die sich dem Thema Tourismus widmen, wird es auch weiterhin alleine an den handelnden Personen – ob nun in der Rolle der Gemeindevertreter*innen, der Touristiker*innen, der Unternehmer*innen oder der Fördergeber*innen – liegen, wie es um die vorausschauende und auf das Gemeinwohl ausgerichtete Raumplanung und damit auch Tourismusplanung bestellt ist.
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Quellen
- Zwei Länder, ähnliche Ausgangslage, anderer Umgang: Ein Vergleich Tirol – Südtirol
[1] Siehe Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+, Südtiroler Landesverwaltung, Tourismus und Mobilität, https://www.provinz.bz.it/tourismus-mobilitaet/tourismus/tourismusentwicklungskonzept.asp (7.11.2023); Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung 2030“, Land Tirol, Überörtliche Raumplanung, https://www.tirol.gv.at/landesentwicklung/raumordnung/ueberoertliche-raumordnung-1/ (7.11.2023).
- Südtirol und das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+
[1] Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Landesgesetz „Raum und Landschaft“, Nr. 9/2018, in Kraft getreten am 1.7.2020, http://www.provinz.bz.it/natur-umwelt/natur-raum/neues-landesgesetz-raum-und-landschaft.asp (3.11.2023).
[2] LTEK 2030+, ab S. 76.
[3] Die Durchführungsverordnung zum LTEK hinsichtlich der Bettenobergrenze wurde 2022 mit Änderung des Gesetzes „Raum und Landschaft“ beschlossen.
[4] Gewerbliche wie nichtgewerbliche Betten und Airbnb sind inkludiert, der Bereich „Urlaub am Bauernhof“ und Betriebe in historischen Ortskernen sind ausgenommen.
- Tirol und der Raumordnungsplan „Raumverträgliche Tourismusentwicklung 2030“
[1] Land Tirol, Landesstatistik, https://www.tirol.gv.at/statistik-budget/statistik/ (5.11.2023).
[2] Republik Österreich, Parlamentsdirektion, Entschließungsantrag, eingebracht am 18.5.2022, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/A/2521/fnameorig_1446207.html (5.11.2023).
[3] Raumordnungsprogramme sind Verordnungen und damit verbindliche Planungsinstrumente.
[4] Sämtliche Tiroler Raumordnungsprogramme sind abrufbar unter: Land Tirol, Raumordnung, https://www.tirol.gv.at/bauen-wohnen/bauordnung/raumordnung/ (5.11.2023).
[5] Raumordnungspläne beinhalten hingegen vor allem Ziele, Strategien und Handlungsempfehlungen für eine geordnete Entwicklung, bleiben aber unverbindlich.
[6] Änderungen des Flächenwidmungsplans müssen von der Landesregierung als Aufsichtsbehörde per Bescheid genehmigt werden. Dem Land obliegt die Prüfung, dass die Gemeinden ihren Wirkungsbereich nicht überschreiten und Gesetze und Verordnungen nicht verletzen. Bei Widersprüchen mit überörtlichen Planungen oder örtlichen Entwicklungskonzepten kann die Genehmigung versagt werden.
[7] Laut Telefonat mit Robert Ortner, Abteilungsleiter Raumordnung, Land Tirol, 18.9.2023.
[8] Per gesetzlicher Definition braucht es fünf Chalets, um ein Chalet-Dorf zu sein.
Die Chalet-Dorf-Hotels + die…
Die Chalet-Dorf-Hotels + die Krebs-artig wuchernden, alle paar Saisonen erneut aus den Nähten platzenden 4 + 5 Sterne Großbetriebe, leiten eine Entwicklung ein, in der die Wohnbevölkerung während der Saison beginnt den Tourismus zu verachten + außerhalb der Saisonen, in ihren verödeten überdimensionierten Dörfern + Strukturen fühlt, wie in einem 5 Nummern zu großem Gewand.
Und das ALLES für die Gier + den Größenwahn einiger nimmer-satter Hoteliere, die von den Abschreibe-Gesetzen-, samt dem Unwillen Einkommens-Steur zu zahlen + der Jagd nach den zu leichtfertig verteilten öffentlichen Beiträgen getrieben, "in der Gastfreundschaft nur mehr wie ... käuflich ist" + bald auch im Ausland kaum mehr Mitarbeiter zu finden sind.
Die Ehren-amtliche Tätigkeit der Vereine, wird zur Unterhaltung der Gäste bis zu 99 % ausgereizt + das gemeinschaftliche + gesellschaftliche Erleben in der Dorfgemeinschaft infolge dessen erstickt!