Kultur | Meraner Treiben

Eine letzte Schikane

Die Präsidentin des Ost West Clubs ist angezeigt worden. Das Verdienst eines übereifrigen Polizeiinspektors. Und eines Bürgermeisters, der 10 Jahre lang weggeschaut hat.

In Meran ist man überzeugt: “Das ist Schikane, so viel ist sicher!” Der Vorwurf geht in Richtung Gemeinde. Genauer, an die Lizenzpolizei. Diese hat ihre Arbeit ernst genommen. Allem Anschein nach zu ernst. Wieder einmal.


Der übereifrige Chefinspektor

Am 9. April 2015 erscheint in der Tageszeitung Alto Adige ein kurzer Artikel. Es ist die Ankündigung eines Konzerts. Die Band “Moscaburro” soll am Freitag, 10. April, in Meran auftreten. Ort der Veranstaltung mit Beginn um 21 Uhr: der Ost West Club in Meran. Was sich wie eine harmlose Event-Ankündigung liest, wird dem Club und seiner Präsidentin zum Verhängnis. Knapp einen Monat später, am 4. Mai, wird ein Herr im Club in der Passeirergasse vorstellig. Er ist dort kein Unbekannter. Stefano Broggi sitzt im Zimmer 66 im 2. Stock des Meraner Rathauses. Dort ist die Dienststelle der Verwaltungs- und Handelspolizei untergebracht. Broggi ist als verantwortlicher Chefinspektor unter anderem für Veranstaltungen und die Vergabe von Lizenzen zuständig – eine Art “Lizenzpolizist” also.

Was sich wie eine harmlose Event-Ankündigung liest, wird dem Club und seiner Präsidentin zum Verhängnis.

Als solcher nimmt er seine Aufgabe ernst. Insbesondere, wenn es um den Ost West Club geht. Immer wieder werden während Veranstaltungen im Club Kontrollen durchgeführt. Dort berichtet man vom übereifrigen Polizeibeamten: “Teilweise werden inmitten von Konzerten oder Filmvorführungen die Anwesenden nach den Mitgliedsausweisen gefragt.” Da der Club als Vereinslokal ausgewiesen ist, dürfen nur eingeschriebene Mitglieder den Veranstaltungen beiwohnen. Darauf wird von den Betreibern nach eigenen Angaben rigoros geachtet. Personenkontrollen am Eingang sowie eine genaue und transparente Dokumentation aller Mitglieder und Tätigkeiten sollten reichen, meinte man. Doch man hat die Rechnung ohne die Lizenzpolizei gemacht. Denn waren es bisher “nur” regelmäßige, unangekündigte und teilweise überzogene Kontrollen, hagelt es am 4. Mai eine handfeste Anzeige. Angezeigt wird die Präsidentin des Ost West Clubs, Giorgia Lazzaretto, höchstpersönlich. Der Vorwurf: Der Club würde nicht wie ein Kulturverein, sondern wie ein öffentlicher Veranstalter agieren. Anlass zur Anzeige war die besagte Ankündigung eines Konzertes im Alto Adige gewesen.


“Schwarz auf weiß”

Broggi beruft sich bei seinem Besuch im Ost West Club auf ein Handbuch, welches Polizisten helfen soll, illegale gewerbliche Tätigkeiten von Vereinen auszumachen und entsprechend zu ahnden. Alle Versuche der anwesenden Vorstands- und Clubmitglieder, dem Lizenzpolizisten zu erklären, dass der Ost West Club sehr wohl ein Kulturverein sei und als solcher keinerlei kommerzielle Absichten hätte – ein Blick in das Tätigkeitenprogramm und die Beiträge, die man Jahr für Jahr als Kulturverein erhält würde genügen –, scheitern.

Das Handbuch, auf das sich der Chefinspektor beruft.

Auch als man versucht, dem unbeirrbaren Polizeibeamten weis zu machen, dass die Anweisungen im Handbuch jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehren, bleibt Broggi stur: “C’è scritto qui, la carta canta.” Unhaltbare Vorwürfe und eine persönliche Klage aufgrund von Textstellen in einem Handbuch, das keinerlei legale Basis hat. Ein Scherz, möchte man meinen. Doch es handelt sich hier um bitteren Ernst. Die Causa landet nun beim Regierungskommissariat. Diese wird einen Staatsanwalt beauftragen, der die Handfestigkeit der Vorwürfe und die Klage prüfen wird. Dem Club droht eine Strafe von 1.400 bis 3.000 Euro. Auch wenn es zu keiner Anklage kommt, die Spesen für den Anwalt muss der Ost West Club auf jeden Fall aufbringen. Und das alles, weil einige “übermotivierte Polizeibeamte”, wie sie im Club genannt werden, ihre Aufgabe zu ernst zu nehmen scheinen. Oder steckt doch mehr dahinter?


Falsch verstande Arbeitsmoral oder gebilligte Schikane?

Dass das Lokal regelmäßig zur Zielscheibe von allem Anschein nach willkürlichen Polizeikontrollen und Beschwerden von Anwohnern des Meraner Steinachviertels wird, wurde bereits erwähnt. Dass dahinter eine strategische Schikanierung vonseiten der Polizei, ja gar der Gemeinde in Gestalt des Bürgermeisters Günter Januth selbst steckt, darüber wird oft nur hinter vorgehaltener Hand geredet. Dass Januth kein Fan der alternativen und jungen Kulturszene ist, ist ein offenes Geheimnis. Doch würde er so weit gehen, eine regelrechte Hetze auf den Ost West Club zu billigen?

Arno Kompatscher und Cristina Kury bei einer Diskussionsrunde im Ost West Club im April 2014. Foto: ostwest.it/Laura Zindaco

Von salto.bz auf den letzten in einer Reihe unangenehmer Vorfälle angesprochen, sagt der scheidende Bürgermeister: “Von dieser Anzeige weiß ich gar nichts. Daher möchte und kann ich die Sache auch nicht kommentieren.” Eines sei jedoch klar: “Die Regeln werden weder von der Gemeinde noch von der Polizei gemacht. Und wenn wir aktiv werden, dann aufgrund von Meldungen, die Bürger zum Beispiel wegen Lärmbelästigung an uns herantragen.” Dass dem offensichtlich nicht immer so ist, belegen Informationen, die salto.bz zugespielt wurden. Demnach kommen die “Meldungen” nicht selten aus der Gemeinde selbst. Anscheinend gibt es jemanden im Meraner Rathaus, dem der Ost West Club ein Dorn im Auge ist. Regelmäßig würde dieser “Ungustl” die Lizenzpolizei aktivieren und alle möglichen Register ziehen, um dem Club zu schaden. Dass Bürgermeister Günther Januth von alldem nichts weiß, wie er auch gegenüber den Vorstandsmitgliedern im Laufe der Jahre immer wieder versichert, sei dahingestellt.


Es kann nur besser werden

Doch auf Unterstützung vonseiten Januths hofft man in der Passeirergasse schon lange nicht mehr. Etwas resigniert klingen die Stimmen aus dem Club: “Zumindest sind wir ihn in ein paar Tagen los.” Die von institutioneller Seite fehlende Unterstützung erfahren der Club und seine Mitglieder unterdessen von anderer Seite. Die Ökosoziale Linke etwa zeigt sich in der Person von David Augscheller solidarisch. Augscheller ist scheidender Gemeinderat und Listenführer bei den kommenden Wahlen. Seit seinem Bestehen war ihm der Ost West Club stets ein großes Anliegen. Auf Facebook meldet er sich am Montag Abend zu Wort: “Die Gemeinde ist ein öffentliches Gut. Und als solche HAT sie den Ostwest Club Estovest und die alternative, freie, auch von ökonomischen Interessen freie Kultur anzuerkennen und als einzigartige Chance der kulturellen Bereicherung anzunehmen. Alles andere ist Heuchelei.”

Günther Januth: Am 10. Mai geht seine zehnjährige Amtsperiode zu Ende.

Doch auch von anderer Seite kommt Beistand. Nachdem bereits Arno Kompatscher und Philipp Achammer im Club zu Gast waren und das Projekt Ost West als “vorbildlich” für ganz Südtirol gelobt hatten, meldet sich – nicht unerwartet – Gerhard Gruber zu Wort: “Der OstWestclub hat im Kulturleben in Meran seinen Platz gefunden. Die Stadt wäre ohne euch um einen wesentlichen Farbtupfer in der Kulturlandschaft ärmer!” Gruber hat bereits mehrfach angekündigt, in Zukunft genauer bei der Förderung von Kulturinprojekten und -vereinen hinzuschauen. Und Mitgliederzahlen, Programm und sonstige Initiativen bei der Vergabe von finanziellen Mitteln zu berücksichtigen. Außerdem will er bei der Suche nach einer neuen Bleibe für den Club mithelfen.

Am Mittwoch Vormittag ist es indes zu einem Treffen zwischen dem Meraner Bürgermeister und der Ost-West-Präsidentin gekommen. Dieses war schon seit längerem geplant. Es sollte endlich ein klärendes Gespräch geben, in erster Linie um die Probleme mit den Anwohnern zu lösen. “Wir haben einen Minimalkonsens gefunden”, berichtet Lazzaretto im Anschluss an das Treffen. “Was die Anzeige anbelangt, da ist nichts mehr zu machen. Aber wir können zumindest für die Zeit, bis der Club in die Sommerpause geht, auf mehr Ruhe zählen.” Günthter Januth hat einen Schritt auf den Ost West Club zugemacht. Reichlich spät. Zu spät, für viele Ost-West-Sympathisanten. Sie sind enttäuscht von dem Bürgermeister, der zehn Jahre lang die Geschicke der Stadt gelenkt hat. Und trotz mehrfacher Einladungen nicht ein einziges Mal ihren Club besucht hat.

Der Ostwest Club Estovest ist der lebendigste, offenste und konstruktivste und inklusionsstärkste gesellschaftliche und kulturelle Katalysator, den wir im Land haben.

Ceterum censeo: Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass es in jedem größeren Ort in Südtirol einen Ostwest Club geben sollte!

Mi., 06.05.2015 - 21:34 Permalink