"Hinter dem politischen Theater ist ist das leise Rauschen des Vorhangs für den letzten Akt des Trauerspiels zu hören, in das sich die alte Komödie mit Silvio Berlusconi vor aller Augen zu verwandeln scheint". So stand es vor fast genau zehn Jahren in einem Kommentar der deutschen Tageszeitung Die Welt. Freilich konnte der damalige Rom-Korrespondent Paul Badde nicht ahnen, dass der Herbst des Sultans sich um ein weiteres Jahrzehnt verzögern könnte. Und auch jetzt, wo Silvio Berlusconi 25 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik eine neue politische Partei gegründet hat, sollte man bei Prognosen über seinen endgültigen Abtritt von der politischen Szene Vorsicht walten lassen. Auf Forza Italia und Popolo della Libertà folgt nun Altra Italia - keine Partei, sondern eine Art politische Plattform, die alle forze moderate vereinen soll.
Auch mit fast 83 entscheidet der ehemalige Regierungschef wie gewohnt allein. Die erst unlängst ernannten Koordinatoren Giovanni Toti und Mara Carfagna hat er nach ständigen Polemiken entlassen - wie immer ging es dabei um die Nachfolge. Die jedoch ist erst fällig, wenn der greise presidente endgültig zurücktritt. Dafür sieht er keinen triftigen Grund, obwohl seine Partei längst unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen ist und mittlerweile schon von Mellonis Fratelli d'Italia überholt wurde. Im Alleingang ernannte Berlusconi ein comitato di presidenza mit Antonio Tajani, Mariastella Gemini, Anna Maria Bernini und Mara Carfagna, die umgehend ihren Rücktritt ankündigte.
Der ligurische Präsident und ehemalige Mediaset-Journalist Giovanni Toti war über Jahre einer der engsten Mitarbeiter und Berater Berlusconis, der dessen zunehmende Annährung an Matteo Salvini mit wachsendem Misstrauen beobachtete. Der Lega-Chef ist nach seinem Aufstieg zum Vizepremier und seiner Koalition mit dem M5S nicht mehr auf Berlusconi angewiesen, obwohl die Lega in vielen Regionen und Gemeinden noch mit Forza Italia regiert. Alle in Berlusconis Partei wissen, dass es nahezu unmöglich ist, den 83-jährigen zum Rücktritt zu bewegen. Die Liste der beim Cavaliere in Ungnade gefallenen und zum Rücktritt gezwungenen coordinatori nazionali von Forza Italia ist lang: Claudio Scajola, Sandro Bondi, Roberto Antonione, Denis Verdini, Angelino Alfano....
Nun fliegen in der Partei die Fetzen, die Abrechnung hat bereits begonnen. Die langjährige Abgeordnete Laura Ravetto, die der Verschwörung beschuldigt wird: "Poi un giorno di questi mi rompo il c... e inizio a raccontare i commenti al veleno su Berlusconi che mi sono stati detti negli anni da tutti sti/ste signori/e che in queste ore tentano di additarmi come traditrice/golpista sui giornali per passare come novelli lealisti. " Die simple Analyse der Bozner FI-Abgeordneten Michaela Biancofiore: "Forza Italia è Berlusconi e Berlusconi é Forza Italia."
Nur die Hörigsten unter dessen Anhängern glauben noch an eine neuerliche Auferstehung des 83-jährigen. Dazu gehört der Chefredakteur des Giornale, Alessandro Sallusti, seit Jahren einer seiner widerlichsten Huldiger: "Lo spazio politico c'é, consistente. E' quello di chi è ancora affascinato dai suggestivi progetti di rinnovamento lanciato da Berlusconi, da chi vuole concretezza e non si sente rappresentato dalla litigiosa maggioranza gialloverde. Mission impossibile? Per molti, ma non per tutti: E allora: provaci ancora Cav.!
Huldigungszeremonien haben im Tollhaus der italienischen Politik lange Tradition. Doch ein Blick auf die jüngsten Umfragen suggeriert Skepsis: Lega 38 , Forza Italia 6.5 Prozent. Freilich: der Schaden, den der Cavaliere in einem Vierteljahrhundert angerichtet hat, bleibt dem Land als schwere Hypothek erhalten. Doch was uns bevorsteht, könnte durchaus schlimmer ausfallen.