Die IT-Animateurin
Zwei Stunden Frontalunterricht – der sich für Nicht-Insider „vielfachfach wie chinesisch und arabisch“ anhörte, wie SVP-Landtagsabgeordneter Oswald Schiefer den Inhalt einer morgendliche Landtagsanhörung zu einem der heißen Eisen in Südtirols Sanität beschrieb: der Umsetzung des IT-Mastersplans oder genereller gesprochen, der Informatisierung des Südtiroler Gesundheitswesens. Seit 2004 eine Dauerbaustelle der Südtiroler Sanität, die zuletzt mit dem IT- Masterplan 2016-2018 einen Turbo erhalten sollte. Wie weit man damit bislang gekommen ist, präsentierten am Donnerstag Morgen Generaldirektor Thomas Schael, SAIM-Präsidentin Andrea Kdolsky und der Direktor der Abteilung Informatik in der Sanität Christian Steurer einer Handvoll Landtagsabgeordneter. Und zwar so ausführlich, dass am Ende nur dank einer leichten Verschiebung des ordentlichen Landtagsbetriebs Zeit für Fragen der PolitikerInnen blieb.
Die wichtigste Botschaft, die bei allem Fachchinesich dennoch deutlich durchdrang: Gut Ding braucht Weile. „Dieses Projekt ist so ähnlich wie der BBT“, machte Thomas Schael gleich einmal klar, „auch wenn wir schneller als schnell arbeiten.“ Denn die ICT-Initiative umfasse weit mehr als nur das Fotokopieren oder Digitalisieren aller klinischen und pflegerischen Prozesse. Es gehe nicht nur darum, 350 unterschiedliche Applikationen innerhalb des Betriebs zu vereinheitlichen, die bislang nicht miteinander kommuniziert haben. Es gelte in diesem Zuge in vielen Bereichen auch die Art, wie bisher gearbeitet wurde, neu zu denken, unterstrich der Sanitäts-Generaldirektor. Und: Der IT-Masterplan müsse letztendlich auch integrierte Lösungen für die Umsetzung der Gesundheitsreform mit neuen Schwerpunkten wie der territorialen Versorgung oder der Prävention bringen. Ein Jahrhundertprojekt also, wie Schael mit seinem BBT-Vergleich unterstrich. Sprich: „Wir brauchen zumindest zehn Jahre – und vier Jahre für die größten Errungenschaften“, wie er konkretisierte.
Das heißt nicht, dass bis dahin nichts passiert. So wurde den Landtagsabgeordneten am Donnerstag beispielsweise eine App vorgestellt, mit der PatientInnen voraussichtlich bereits ab dem kommenden Jahr auf ihrem Handy in real-time abrufen können, wie lange die Warteschlange in den einzelnen Notaufnahmen des Landes ist. Gezeigt wurde auch die Oberfläche der digitalen Patientenakte, mit denen das medizinische und Pflegepersonal laut IT-Direktor Christian Steurer nach einer Testphase in den ersten Monaten 2018 bereits im zweiten Halbjahr im ganzen Land zu arbeiten beginnen soll. Allerdings noch nicht mit vollständigem Zugriff auf alle Informationen. Bislang ist man bekanntlich nur bei den Labor- und radiologischen Befunden technisch so weit, im ganzen Land darauf zurückgreifen zu können. Nun müssen Schritt für Schritt für alle anderen Bereiche Programme so weit vereinheitlicht werden, dass die Daten auch wirklich ausgetauscht werden können. Im Laufe der kommenden zwei Jahre sollen laut Steurer dann auch die BürgerInnen über das Bürgermetz einen digitalen Zugriff auf ihre Gesundheitsakte erhalten.
"Sie sind phänomenal schnell unterwegs - und wenn hier so weitergemacht wird, hat Südtirol die Chance, ein Vorreiter im westeuropäischen Raum zu werden.“
Klar ist aber, dass auch die Umsetzung des Masterplans, für den aktuell 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, länger braucht als ursprünglich versprochen wurde. Mitschuld daran sind auch zwei "Paradigmenwechsel", auf die Schael am Donnerstag ausführlich einging: Einerseits habe man seit 2016 erkannt, dass man weit stärker auf mobile Geräte, also Handys und Tablets setzen müsse als auf den PC, erklärte der Generaldirektor das Prinzip „Mobile First“. Anderseits arbeite man nun im Gegensatz zu den anfänglichen Plänen auch daran, die Informationen zu einzelnen Patienten in den digitalen Akten nicht nur einfach zu sammeln, sondern thematisch aufzuarbeiten und zu gliedern.
Später Plattform-Switch
Was dagegen im offiziellen Teil der Präsentation weitgehend unterschlagen wurde ist, dass man in den vergangen Monaten einen weit größeren Paradigmenwechsel vorgenommen hat: mit einem erst in den vergangenen Monaten beschlossenem Wechsel der Plattform zur Implementierung der digitalen Patientenakte. Statt dem Produkt PHI von SAIM-Gesellschafter Insiel Mercato ist man nun auf die Plattform der GPI-Gruppe umgestiegen. Die ist seit Ende 2016 nicht nur neuer Eigentümer von Insiel Mercato, sondern auch Lieferant des Trentiner Sanitäts-Informationssystem, wo man seit langem die vorherige Version des nun für Südtirol übernommenen Systems benutzt. Ein gefundenes Fressen für 5-Sterne-Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger, der seit langem eine Übernahme des Trentiner Systems gefordert hatte. „Statt dessen hat man nun wieder zwei Jahre weggeschmissen“, kritisierte Köllensperger nach der Anhörung. Vor allem im Zusammenhang mit teuren externen Beratern des Generaldirektors, die noch vor zwei Jahren die Plattform PHI hochgejubelt hätten.
Verständis für diese Irritation zeigte die ehemalige österreichische Gesundheitsministerin und nunmehrige SAIM-Präsidentin Andrea Kdolsky, die derzeit laut eigenen Aussagen auch dabei ist, beim sanitären Personal Verständnis für den späten Schwenk zu wecken. „Es ist klar, dass es hier Frust gibt, und ich nicht die erste bin, die den Menschen erzählt, dass jetzt die Lösung kommt, die tatsächlich funktionieren wird“, räumte die SAIM-Präsidentin ein. Tatsache sei aber, dass es keinen Sinn mache, mit einer Plattform zu arbeiten, von der man jetzt schon wisse, dass sie in drei Jahren zu verändern sei. Der Umstieg sei daher eine zukunftsorientierte Kurskorrektur, die auch ganz klar von den NutzervertreterInnen eingefordert worden sei, unterstrich Kdolsky.
Die erfahrene Gesundheitsmanagerin begleitet in Österreich bereits seit 20 Jahren die Implementierung der dortigen digitalen Patientenakten – und hat dabei laut eigenen Angaben nicht nur gelernt, wie viel Zeit ein solcher Prozess in Anspruch nimmt, sondern auch wie viele Fehler dabei gemacht werden. In ihrer im Mai übernommenen Funktion als SAIM-Präsidentin wolle sie auch dafür sorgen, dass viele dieser Fehler in Südtirol vermieden werden können, versprach Kdolsky. Man könnte ihr entgegegnen, dass hierzulande bis heute ohnehin ausreichend Fehler gemacht wurden. Die Version, die Andrea Kdolsky am Donnerstag den Landtagsabgeordneten servierte, ist allerdings weit positiver: „Sie brauchen nicht zu glauben, dass man hier in Südtirol schlecht oder langsam unterwegs sind“, meint die SAIM-Präsdentin. „Im Gegenteil: Sie sind phänomenal schnell unterwegs - und wenn hier so weitergemacht wird, hat Südtirol die Chance, ein Vorreiter im westeuropäischen Raum zu werden.“