Imbiss Kampill
Meine erste bleibende Erfahrung mit dem „Imbiss Kampill“ begab sich 1992. Es war das Jahr, in dem Guns N´ Roses in ihrer „Use Your Illusion Tour“ die Begriffe „Glamour“ und „Pathos“ neu besetzten, das Jahr, in dem Nigel Mansell endlich Weltmeister wurde und im Glamour der Formel 1 das Pathos des Underdogs zelebrierte – und es war das Jahr von „Mani Pulite“, als sich in Italien das Ethos der rechtstaatlichen Normalität dem Pathos von Craxi, Andreotti und Forlani entgegensetzte und in einem dialektischen Umschlag von seltener Ironie schließlich zu jenen zwanzig nationalglamourösen Jahren beitrug, in denen rechtsstaatliche Standards mitunter ausgesetzt waren.
"Auf dem Parkplatz tauchten wir ein in ein Meer aus Heckspoilern, Chrom und Fuchsschwänzen, in dem allein schon unser allzu offensichtlich tuningresistenter Fiat Uno eine gewisse Provokation darstellte."
Wie auch immer, im September 1992 war ich mit einem Zivildienst leistenden Leidensgenossen - nennen wir ihn B. – auf dem Schlossberg Open Air in Bruneck, und wir hatten dem Geist des Hanfs vielleicht zu energisch zugesprochen; was soll´s, wir waren jung und der Mensch lebt nicht vom Bier allein. Auf dem Rückweg (der Fahrer war selbstverständlich so nüchtern, wie das Gesetz es verfügt) nahmen wir einen weiteren Besucher aus Bozen mit, der sich „Gibo“ nannte und aussah wie die Parodie eines Kiffers in einem Film von Carlo Verdone. Ein nicht gänzlich überraschendes Hungergefühl führte dann dazu, dass wir die Mutter aller Imbissbuden aufsuchten – damals noch ein echtes „Würststandl“ ohne Auf- und Zubauten unmittelbar vor dem Virgltunnel. Auf dem Parkplatz tauchten wir ein in ein Meer aus Heckspoilern, Chrom und Fuchsschwänzen, in dem allein schon unser allzu offensichtlich tuningresistenter Fiat Uno eine gewisse Provokation darstellte. Als wir ausstiegen, hörte ich das eine oder andere „walsche Zoggler“, noch eher gemurmelt (keiner von uns sah aus, als hätte er gerade ein Casting für einen Heimatfilm absolviert), aber die Tuningfraktion blieb friedlich – bis sich denn der wacker umnebelte Gibo für die Mitfahrgelegenheit erkenntlich zeigen wollte und „tre amburghini“ bestellte, in einer Diktion, die selbst Verdone als etwas überzogene Parodie betrachtet hätte. Nun wurden die „Haschbeitl“- Kommentare lauter, der Bocksgesang schwoll an, die Heckspoiler bebten. B. (dem das Fuchsschwanzparadigma nicht unvertraut war) und ich erkannten die Zeichen der Zeit: Wir zahlten, bedeuteten Gibo zu schweigen, setzten uns in den Uno und fuhren den vergleichsweise beruhigenden Südteil der Stadt an.
Kampill: Die Küche bietet mittlerweile eigentlich alles an, was denn begehrt wird.
Die stürmischen Jahre, als das „Kampill“ vorwiegend nach der Disco und/oder vor der Frühschicht besucht wurde, sind nun lange vorbei; man ist umgezogen, hat 120 Sitzplätze (nicht wenige davon in den überaus beliebten Holzfässern) und einen Überbau aus Holz und Plastik, dessen verschachtelte Konstruktion wohl auch in einem gewissen Zusammenhang mit den Unwägbarkeiten der Südtiroler Raumordnung steht. Das Chrom blitzt am Parkplatz immer noch recht nachhaltig auf, die Heckspoiler wirken aber eher zurechtgestutzt: Das Kampill ist zu einem Ort geworden, an dem sich offensichtlich Familien beider Sprachgruppen wohl fühlen – vielleicht auch deswegen, weil die Küche mittlerweile eigentlich alles anbietet, was denn begehrt wird, von den Imbiss-Klassikern über Suppen und Rippchen bis hin zu Pasta und Pizza. Die Mutter aller Imbissbuden ist keine mehr, und das schon lange.
Bei meinem Besuch begleitete mich unter anderem ein stadtbekannter Gourmand mit eher mediterraner Geschmacksbildung, aber doch auch ausreichend Ruhrpotterfahrung für den Anlass. Er nahm sich auch gleich die Currywurst zur Brust, die ihn allerdings nicht ganz überzeugen konnte („da haben wir auf Schalke schon Besseres gegessen“): Ihm fehlte jene rustikale Schärfe, die auch einen bundesdeutschen Kampftrinker nach äthylischer Schwerstarbeit noch wachzurütteln vermag; die Wurst selbst war aber gar nicht schlecht. Sehr gut schmeckte uns nach Imbiss-Maßstäben der Hot Dog mit roten Zwiebelspalten, die nach Ansicht des Experten vielleicht sogar in Tropea gezogen wurden (was ich dann doch bezweifle), ebenso der Burger, obwohl das Fleisch etwas lang gebraten war – aber vielleicht wissen sie in der Küche auch, warum. Die Pommes sind wie anderswo auch etwas zu salzig, doch so will es die zahlende Kundschaft; Ketchup und Mayo entsprechen dem Standard. Auf „Sandro´s Grillteller“ überraschte die „Luganega“ positiv, bei der „Salsiccia mantovana“ war das Fett für meinen Geschmack dann doch etwa zu dominant (für andere war es dagegen genau richtig). Insgesamt war das alles nach den Parametern, die hier eben anzuwenden sind, durchaus in Ordnung – lediglich die „Porchetta“ schmeckte so gar nicht nach dem Original und mutete eher nach Selchfleisch an.
Maccheroni all´arrabiata: Eigenwillige Bissfestigkeit.
Aus den Pastagerichten wählten wir stellvertretend die „Maccheroni all´arrabiata“: Sie hatten leider jene eigenartige Form der „Bissfestigkeit“, die sich häufig dann ergibt, wenn Pasta in zwei Etappen gekocht wird und dazwischen etwas erkaltet; die nicht zu pikante und eigentlich recht ausgewogene Sauce hatte jene Konsistenz, die der ruhrpotterprobte Gourmand als „schlotzig“ bezeichnete.
Die Pizza – die ich an einem anderen Abend versucht hatte – ist auch nicht schlechter als in einer durchschnittlichen Pizzeria
Was soll ich sagen - für manche darf es ja auch kulinarisch kein richtiges Leben im falschen geben; viele aber erhalten im „Kampill“ für wenig Geld genau das, was ihnen schmeckt.
Imbiss Kampill
Hildegard-Straub-Straße 23, Bozen; www.imbiss-kampill.com
Burger: ab 4,30 €