Wirtschaft | Mobilität

Tankstellen fordern Steuergeld zurück

Sie treiben in Südtirol rund 200 Millionen Euro pro Jahr an Abgaben ein und sollen sich nun auf die Verkehrswende einstellen. Motiviert dazu scheinen sie noch nicht.
Tankstelle
Foto: Seehauserfoto
  • Es waren nicht nur die Krankenschwestern, Verkäufer und Reinigungskräfte, die uns während der Corona-Pandemie gepflegt und versorgt haben. Damit Kühlschränke und Bäuche gefüllt bleiben, braucht es Treibstoff, der aus der Zapfsäule in die Tanks von Lkws und Autos fließt. In Südtirol gibt es rund 150 Tankstellen, verteilt wie die einzelnen Ortschaften in die Täler hinein.

    „Dass alltägliche Geschäft muss trotz der Transformationsphase weiterlaufen, die Tankstellen haben schließlich einen Versorgungsauftrag.“

    Mit ihrem zur Verfügung gestellten Treibstoff können Personen von Punkt A nach Punkt B gelangen, pünktlich zur Arbeit antreten und Lkws verlässlich ihre Ware liefern. Durch die Verbrennung von Benzin oder Diesel zündet aber nicht nur der Motor des Gefährts, sondern es werden riesige Mengen Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt. Das ist mittlerweile auch für Konzerne wie Eni ein Problem.

    Der italienische Öl- und Gaskonzern mit über 31.000 Beschäftigten ist in mehr als 60 Ländern weltweit tätig und zählt auch in Südtirol zu den großen Playern der Treibstoff-Branche: Rund 40 Tankanlagen sind hierzulande im Besitz von Eni. Die 2017 gegründete Tochtergesellschaft Plenitude soll dem Konzern ein grünes Image verleihen, da der Konzern mit Plenitude in das Geschäft der erneuerbaren Energien eingestiegen ist.

    Greenpeace Italien hat sich die Investitionstätigkeit von Eni angesehen und kommt zu einem ernüchternden Schluss: „Was die Verwendung der Gewinne und die hohen Cashflows des Unternehmens angeht, so hat ENI im Jahr 2022 für jeden in den Geschäftsbereich Plenitude – seine angeblich emissionsarme Sparte – investierten Euro mehr als 15 Euro in Öl und Gas investiert. Berücksichtigt man, dass Plenitude auch nicht-erneuerbare Energietätigkeiten wie Gasvermarktung und -einzelhandel umfasst, die übrigens immer noch zu den Kerngeschäften des Unternehmens gehören, so wurden für jeden in fossile Brennstoffe investierten Euro weniger als sieben Cent in nachhaltige erneuerbare Energien investiert.“

  • Christine Walzl: „Früher war der Betrieb einer Tankstelle eine durchaus zufriedenstellende Einnahmequelle, wo häufig die ganze Familie mitgearbeitet hat.“ Foto: HDS

    Nicht nur Greenpeace besorgt das Vorgehen des italienischen Konzerns. Auch Christine Walzl, Fachgruppenleiterin der Tankstellenbetreiber des Handels- und Dienstleistungsverbandes Südtirol (HDS), steht Eni kritisch gegenüber – wenn auch aus einem anderen Grund. Denn seit kurzem schließt der Öl- und Gaskonzern mit den Tankstellenbetreibern keine klassischen Pachtverträge mehr ab. Die neue Formel heißt: Unternehmerwerkvertrag für Dienstleistungen.

    „Normalerweise müssen Tankstellenbetreiber ein Eigenkapital von rund 100.000 Euro vorweisen, um als Pächter in Frage zu kommen. Denn sie kaufen den Treibstoff mit eigenen finanziellen Ressourcen und verkaufen ihn dann weiter. Bei den neuen Verträgen mit großen Ölkonzernen wie Eni braucht es dieses Eigenkapital nicht mehr und der Pächter übernimmt eher die Rolle eines ‚Managers‘, der ausführende Tätigkeiten übernimmt“, sagt Walzl. So sinke zwar das unternehmerische Risiko, aber zwischen Pächter und Konzern gebe es kein Verhältnis auf Augenhöhe mehr.

  • Der HDS prüfe derzeit, welche Konsequenzen die neuen Pachtverträge für die Tankstellenbetreiber haben. Neben der neuen Gangart der Treibstofflieferanten macht der Branche auch der Fachkräftemangel zu schaffen. „Früher war der Betrieb einer Tankstelle eine durchaus zufriedenstellende Einnahmequelle, wo häufig die ganze Familie mitgearbeitet hat. Außerdem braucht es keine spezifische Berufsqualifikation dafür“, erklärt Walzl.

    „Es fließen pro Jahr rund 200 Millionen Euro in den Südtiroler Haushalt, die über den Verkauf von Treibstoff erwirtschaftet werden.“

    Heute rechnet sich eine Tankstelle meist erst dann, wenn auch eine Bar, ein Reifendienst und eine Waschanlage vorhanden sind. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Branche, die Elektromobilität zu forcieren. Angesichts dieser wohl eher durchwachsenen Lage sei die Führung einer Tankstelle bei jungen Menschen meist nicht das Karriereziel Nummer Eins.

    Doch Christine Walzl ist keine Frau, die sich schnell aus der Ruhe bringen lässt. Sie ist überzeugt, dass die Tankstellen in der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise eine wesentliche Rolle spielen könnten. Darauf arbeite der HDS bereits seit Jahren hin. Das Zauberwort lautet „Sektorenfonds“. Denn wenn der Südtiroler Klimaplan ernst genommen wird, komme die Politik bei der Verkehrswende an den Tankstellen nicht vorbei und deren Betreiber fordern finanzielle Mittel.

  • Das Geschäft mit den Fossilen: Energiekonzerne investieren weltweit in fossile Brennstoffe und planen, die Fördermengen auszuweiten. Foto: Seehauserfoto
  • „Dass alltägliche Geschäft muss trotz der Transformationsphase weiterlaufen, die Tankstellen haben schließlich einen Versorgungsauftrag. Das ist allerdings ein Hemmschuh dafür, sich so schnell wie möglich auf die Elektromobilität einzustellen“, sagt Walzl. Ab dem Jahr 2035 dürfen laut EU-Beschluss nur noch Verbrenner verkauft werden, die beim Fahren kein CO2 ausstoßen und sogenannte E-Fuels tanken. Dennoch werden weiterhin klassische Verbrenner im Verkehr unterwegs sein, bevor die Wagen am Ende ihrer Gebrauchszeit verschrottet werden.

    Deshalb plädiert die Fachgruppenleiterin der Tankstellenbetreiber mittelfristig, sowohl fossilen Treibstoff der Erdölindustrie als auch elektrischen Strom für E-Fahrzeuge anzubieten. Und dafür brauche es einen Sektorenfonds, der Tankstellen beim Ausbau der elektrischen Ladeinfrastruktur finanziell unterstützt.

    Dieser Sektorenfonds des Landes sei zudem ein Ausgleich für die Abgabe der Treibstoffsteuer. „Es fließen pro Jahr rund 200 Millionen Euro in den Südtiroler Haushalt, die über den Verkauf von Treibstoff erwirtschaftet werden“, betont Walzl. Das unternehmerische Risiko trage dabei nicht die öffentliche Hand, sondern die Tankstellenbetreiber. Nun dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich die Landesregierung mit diesem Tagesordnungspunkt beschäftigen muss. Zumindest ist das das Kalkül des HDS.