Kevin und Krampus
Foto: 20th Century Fox, Detlef Buko, Pexels. Montage: SALTO
Gesellschaft | Fritto Misto

Ihr Krampuslein kommet

...aber nicht in den Kindergarten: Der muss tabu bleiben. Fritto Misto: The Krampus-Edition.
  • Die aktuelle Ausgabe der FF ziert, passend zur Woche, ein Krampus: Es ist einer von der neumodischen Sorte, die Augenhöhlen leuchten neongrün, die Zähne lang und spitz, eine hässliche Fratze mit den Hörnern eines Ziegenbocks. Das Heft liegt bei mir vorsorglich mit dem Titel nach unten auf dem Couchtisch; es leben kleine Kinder im Haus, und eine Horrorfratze können sie neben den Ängsten, die sie eh schon plagen (das Monster unterm Bett, alle Menschen müssen sterben, kratzige Strumpfhosen) nicht gebrauchen. 

    Das sehen aber offenbar nicht alle Erwachsenen so: So durfte ich diese Woche aus der Dolomiten erfahren, dass es in Lana und Umgebung eine „Krampus-Kindergartentour“ gibt. Mitglieder eines Tuiflvereins kommen mit Kostüm und Masken (nicht die oftmals leicht dümmlich schauenden Old-School-Exemplare, sondern die modernen Zombie-Varianten) in die vermeintlich geschützten Räume um „den Kleinen die Angst vor den finsteren Gestalten“ zu nehmen, so der Artikel. Dabei ein Bild des an und für sich harmlos aussehenden Referenten, in beiden Händen je einen Krampuskopf, als hätte er grad welche guilottiniert. Nochmal daneben ein Bild, wie ein Kind an die grauen Lippen eines dieser Köpfe fasst. Die Gestalt sieht aus, als habe die Verwesung bereits ordentlich eingesetzt, man kennt die Bilder aus Horrorfilmen. 

     

    Mit dem Etikett „Tradition und Brauchtum“ lassen sich diese Zombie-Inszenierungen nicht legitimieren.

     

    „Sie müssen sich unbedingt wohlfühlen“, sagt der junge Krampus-Mann über die Kinder, und ich frage mich, wie man das sicherstellen will, wenn die Show schon im Gange und der Krampus im Raum ist. Wohl am ehesten, indem man keine solche Schreckgestalten in den Kindergarten bringt, in dessen Sphäre doch sonst immer die Rede von Achtsamkeit und Vertrauen und Sicherheit ist. 

    Es ist wirklich grotesk. Ich verstehe, dass es die Kinder fasziniert, so wie Gruselgrauen halt angenehm sein kann – aber selbst einschätzen, ob ihnen das gut tut, das können sie in diesem Alter nicht. Ich verstehe den jungen Mann, der eine Freude mit seinem Verein hat und es, wie viele andere im Land, einfach geil findet, einmal im Jahr im Tuifl-Cosplay so richtig die Sau rauszulassen – aber mit dem Etikett „Tradition und Brauchtum“ lassen sich diese Zombie-Inszenierungen nicht legitimieren: Das lasse ich gelten, wenn die Masken historisch sind und das Instrumentarium nicht aus dem Folterkeller kommt. 

    Wen ich hingegen ganz und gar nicht verstehen kann, das sind die Verantwortlichen in den Kindergärten, die solchem Horror bereitwillig Tür und Tor öffnen mit der fadenscheinigen Begründung, man wolle den Kindern die Angst nehmen. 

    Was habt ihr inhaliert, liebes Personal? Diese Entscheidung, die treffe ich als Elternteil selbst: Indem ich mit meinem Kind zum Krampusumzug hingehe oder eben nicht (es ist tatsächlich kein Muss, an das man unbedingt herangeführt werden muss), indem ich selbst dem Kind erkläre, dass da ein Mensch drinsteckt. 

     

    Wollten sie nicht Schrecken verbreiten sondern Erheiterung, kämen die Gesellen mit der Hello-Kitty-Maske an.

     

    Wobei das Argument mit der Angst sowieso ein Absurdes ist, denn: Wollten sie nicht Schrecken verbreiten sondern Erheiterung, kämen die Gesellen mit der Hello-Kitty-Maske an; dann würden die Fratzen nicht von Jahr zu Jahr grässlicher, die Choreographien mit Motorsägen, Pyrotechnik und obszönen Gesten nicht immer brachialer. 

    Erwachsene und Jugendliche können zweifellos damit umgehen und eine Gaudi dabei haben; bei den Kindern habe ich meine Zweifel, ob es da wirklich immer „leuchtende Augen“ gibt – und wie das Ganze nachwirkt. Geht doch in die Seniorenheime mit euren Fratzen (oder wäre es da etwa eine Zumutung?), macht Krankenbesuche, schaut meinetwegen in Amtsstuben und Landtag vorbei. Aber in den Kindergärten habt ihr nichts verloren.