Die Quellmalz-Quelle

salto.bz: Wie kann man die Figur Alfred Quellmalz politisch einstufen?
Mike Ramsauer: Alfred Quellmalz ist für mich eine typische Biografie eines opportunistischen Wissenschaftlers, der selbst nie wirklich politisch aktiv war. Er diente sozusagen immer der stärksten politischen Strömung, um sich daraus möglichst viele Vorteile zu verschaffen. Im „Dritten Reich“ waren das für ihn dann eben die Nationalsozialisten und Heinrich Himmlers „SS Ahnenerbe“.
Wie ging Quellmalz bei seiner Feldforschung in Südtirol vor?
Alfred Quellmalz war ja nicht im eigenen Auftrag unterwegs, sondern im Dienste des SS Ahnenerbe. Dementsprechend war er als Musikwissenschaftler in das Gesamtvorhaben der sog. „Südtirol Expedition“ des SS Ahnenerbe eingebunden, die auch das Organisatorische der Tonbandaufnahmen übernahm. Mit Hilfe von lokalen „Mittelsmännern“ und von „Kulturbeauftragten" wurden Fragebögen an die Südtiroler Bevölkerung verteilt, um in einer Vor-Selektion bereits mögliche Sänger und Spieler – in erster Linie natürlich aus den Reihen der so genannten „Optanten“ – für die Tonbandaufnahmen ausfindig zu machen. Diese Mittelsmänner haben die Termine für die Aufnahmen vereinbart und Alfred Quellmalz fuhr in der Folge mit seiner Assistentin Gertraud Simon an den entsprechenden Ort. Da gab es dann durchaus auch kuriose Begebenheiten wie zum Beispiel in Truden im Dezember 1940. Obwohl das Tonbandgerät nicht wirklich funktionierte, setzte Alfred Quellmalz die Aufnahmen fort - wissend, dass die Aufnahmen später nicht brauchbar sein würden. Quellmalz befürchtete, dass mit dem Scheitern der Aufnahme selbst das Misstrauen der „Gewährspersonen“ zusätzlich gestärkt werden würde. Dann tat er so, als sei es nur ein Problem des Lautsprechers...
Sie haben viele der Musiker und Sänger von damals besucht. Welche Erfahrungen konnten Sie dabei sammeln?
Insgesamt habe ich noch zehn Zeitzeugen kennenlernen dürfen. Alle von ihnen waren damals jünger als 18 Jahre, Sepp Premstaller und Brigitte Thaler waren gerade mal 5 bzw. 8 Jahre alt bei den Tonbandaufnahmen. Konkret zu den Umständen der Tonbandaufnahmen sowie zur Person Alfred Quellmalz konnte mir also niemand mehr wirklich Auskunft geben. Jedenfalls scheint es mir aber auch so, dass der Moment der Tonbandaufnahme nicht so ein bleibendes Erlebnis war, wie Alfred Quellmalz das später gerne immer wieder betonte. Die Menschen in Südtirol kannten ja bereits Radio und Filmkameras. Also so ganz „hinterwäldlerisch“, wie das von ihm und auch vom SS Ahnenerbe gesehen wurde, dürfte Südtirol dann doch nicht gewesen sein.
Wie umfangreich sind seine Quellmalz-Aufzeichnungen?
Neben ca. 3.000 Tonbandaufnahmen – von denen einige nicht mehr existieren, weil Tonbänder kaputt wurden oder verschollen sind – gibt es eine unglaubliche Fülle an Fotos von Südtiroler „Gewährspersonen“. Hinzu kommen noch hunderte Personal- und Sachbögen zu den jeweiligen Personen und zu den Aufnahmen. Alfred Quellmalz war sehr penibel und genau in seiner Arbeit. Das kommt uns heute sehr zugute, weil sich viele Dinge damit leichter in einen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang bringen lassen.
Vom historischen Blickwinkel aus sind die Aufnahmen sicherlich wertvoll, vom politischen Standpunkt aus gesehen, ist das Quellmalz-Projekt allerdings umstritten und folgt einer nationalsozialistisch geprägten „Quellmalz-Logik“. Wie begegnet man diesem Zwiespalt als Filmemacher?
Mir war es sehr wichtig, dem „Damals“ so nahe wie möglich zu kommen und es auch so direkt wie möglich filmisch darzustellen. Das war schwierig, weil alle Zeitdokumente ja fragmentarisch sind und nicht wie heute etwa von vornherein ein synchronisiertes Bild mit Ton liefern. Für mich hat sich durch das Lesen von hunderten von Briefen von Alfred Quellmalz eine sehr deutliche Sichtweise seiner „Logik“ entwickelt. Da war es für mich nur richtig, diese Briefe auch im Film zu zitieren und Alfred Quellmalz selbst über Alfred Quellmalz sprechen zu lassen. Da entstehen natürlich dann auch Brüche zwischen dem, was man sieht und dem, was man hört. Aber gerade diese Brüche machen dann die Ambivalenz eines opportunistisch denkenden Musikwissenschaftlers sehr gut sichtbar.
Sie blenden auch die Gegenwart nicht aus, setzen feine zeitnahe Akzente ans Ende des Films. Prägt Quellmalz, in welcher Form auch immer, noch die gegenwärtige Volksmusik?
Ich bin überzeugt davon, dass die Zeit der Option bzw. die Zeit des Nationalsozialismus mit uns heute noch viel mehr zu tun hat, als wir uns das oft eingestehen. Da macht die Volksmusik keine Ausnahme. Dass wir heute oft rassistische oder frauenfeindliche Liedtexte in Volksliedern zum Beispiel überhören, liegt vielleicht auch daran, dass diese oft recht „harmlos“ dargeboten werden. Ein zweites Hinhören kann einem da aber dann doch den kalten Schauer über den Rücken laufen lassen.
Der Film Quellmalz beim BFFB 2017
Premiere
Freitag, 7. April 2017, 20:00
Filmclub Bozen, Capitol 2
Zweite Vorführung
Sonntag, 9. April 2017, 19:00
Filmclub Bozen, Club 3