Chronik | Affäre
Italia & favore?
Foto: Comune Bz
Werner Frick ist ein studierter Jurist. Vor allem aber ist er seit fast 40 Jahren in der Politik und hat dabei als Landesrat bereits einige solcher Stürme miterlebt. Der Altpolitiker lässt sich deshalb nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
Völlig anders hingegen ist die Stimmung im Bauamt der Gemeinde Bozen. „Es ist ein Zustand, der schon seit langem kaum mehr tragbar ist“, sagt ein Bediensteter. In den vergangenen Monaten haben gleich mehrere altgediente Angestellte das Amt verlassen. Einer, der die Gemeinde wie seine Westentasche kennt, beschreibt die Situation im Bauamt wie folgt: „Da ist eine Revolte im Gange“.
Einer der Hauptgründe dafür heißt Werner Frick.
Der langgediente SVP-Politiker arbeitet seit fünf Jahren in der Gemeinde Bozen und drückt dabei vielen Verwaltungsvorgängen seinen Stempel auf. Diskret im Hintergrund zieht Werner Frick die Fäden. Der ehemalige Landesrat zählt dabei mehr als die meisten der in den Gemeinderat oder gar in den Stadtrat gewählten SVP-Mandatare. Auch weil er der Mann ist, der Probleme löst.
Der Schattenassessor
Werner Frick ist seit 28. Juni 2016 Angestellter der Gemeinde Bozen. Der heute 66-Jährige war vor seinem Einstieg in die Landespolitik Direktor des Hotelier- und Gastwirteverbandes (HGV). 20 Jahre lang von 1988 bis 2008 sitzt Frick für die SVP im Landtag und in der Landesregierung. Als Wirtschaftslandesrat gestaltet er die Südtiroler Handelspolitik maßgeblich.
Im Sommer 2016 wird Werner Frick durchaus überraschend zum Büroleiter des damaligen SVP-Vize-Bürgermeisters Christoph Baur ernannt. Der ehemalige Landesrat ist anfänglich Inhaber einer 75-Prozent-Stelle, die er nach einem halben Jahr auf 50 Prozent zurückschraubt.
Der Grund dafür: Anfang 2017 deckt Salto.bz auf, dass der Gemeindeangestellte Frick gleichzeitig Teilhaber und Verwalter mehrerer privater Unternehmen ist. Weil er diesen Nebentätigkeiten seinem Arbeitgeber nicht gemeldet hat, wird ein Disziplinarverfahren gegen den leitenden Beamten eingeleitet, das letztlich mit einer mündlichen Ermahnung endet. Auch weil Werner Frick alle Funktionen in den Privatunternehmen danach ruhen lässt
Der Grund dafür: Anfang 2017 deckt Salto.bz auf, dass der Gemeindeangestellte Frick gleichzeitig Teilhaber und Verwalter mehrerer privater Unternehmen ist. Weil er diesen Nebentätigkeiten seinem Arbeitgeber nicht gemeldet hat, wird ein Disziplinarverfahren gegen den leitenden Beamten eingeleitet, das letztlich mit einer mündlichen Ermahnung endet. Auch weil Werner Frick alle Funktionen in den Privatunternehmen danach ruhen lässt
Bereits unter Christoph Baur sagte man, dass der eigentliche Bauassessor Werner Frick heißt. Daran hat sich auch unter Baurs Nachfolger Luis Walcher nichts geändert, der den ehemaligen Landesrat als persönlichen Sekretär und Büroleiter von Baur übernommen hat.
Frick operiert als Schattenassessor, der innerhalb der Verwaltung sehr oft den Ton angibt. Bei mehreren großen Projekten wurde der Büroleiter bereits mit Erfolg als diskreter Problemlöser eingesetzt, um zwischen Land und Gemeinde eine für die Bauherren vorteilhafte Lösung durchzusetzen.
Wie weit das geht, zeigt eine Affäre, die seit Monaten in der Bozner Gemeindestube bewusst unter Verschluss gehalten wird.
Beschlagnahmtes Telefon
Bereits vor einigen Wochen wurden Beamte der Bozner Gerichtspolizei im Büro von Werner Frick vorstellig. Sie beschlagnahmten Dokumente, handschriftliche Aufzeichnungen und Fricks Handy.
Die drastische Maßnahme ist Teil einer Ermittlung, die von den Staatsanwälten Andrea Sacchetti und Francesca Iovene geleitet wird und die zu einem Erdbeben in der Bozner Gemeinde führen könnte. Nach Informationen von Salto.bz wurde inzwischen nicht nur Werner Frick, sondern auch der Abteilungsleiter für Urbanistik in der Gemeinde Bozen Paolo Bellenzier in das Ermittlungsregister eingetragen. Die möglichen Vorwürfe lauten Amtsmissbrauch, Induzione indebita a dare o promettere utilità (Art. 319/quarter) und Falsità ideologica commessa dal pubblico ufficiale in atti pubblici (Art.479).
Im Zentrum der Ermittlung steht das Bozner Restaurant „Italia & Amore“ und dessen Bauakte. 2016 wird das Haus in der Bozner Silbergasse von der Besitzerfamilie Ammon an den Bozner Gastronomen Helmut Geier verkauft. Geier verpachtet das Lokal an den Terlaner Norbert Kier, der das Lokal mit seinem Verkaufskonzept „Italia & amore“ zu einem angesehenen Restaurant macht. Auf fünf Etagen – zwei unter der Erde – soll ein Gasthaus und ein Laden für italienische Edelprodukte entstehen.
Zwischen März und Oktober 2017 wird das gesamte Haus umgebaut. Es muss schnell gehen, denn der Unternehmer will unbedingt noch vor dem goldenen Esel "Weihnachtsmarkt" eröffnen. Das gelingt schließlich auch. Wie sich jetzt herausstellt, geht man dabei aber nicht ganz nach dem Lehrbuch der ordentlichen Verwaltung vor sich.
Politische Weisung
Das zweistöckige Haus wird intern völlig neugestaltet. Die Vorgänger hatten auf der Dachterrasse einige Tische aufgestellt. Auch im neuen Projekt sollte diese Dachterrasse bleiben.
Als die zuständigen Techniker der Gemeinde aber zur Bauabnahme schreiten, finden sie auf der Dachterrasse nicht nur die im Projekt vorgesehenen Tische. Sondern im hinteren Teil der Terrasse wurden auch alle technischen Gerätschaften zur Be- und Ablüftung der Küche, zur Klimaanlage und die Elektronik installiert. Laut Baubestimmungen müssen diese Installationen im Projekt eingezeichnet und von der Gemeinde genehmigt werden. Davon aber war im genehmigten Projekt keine Spur.
Folglich stellt der zuständige Geometer ein negatives Gutachten aus. Die Abänderung müsse – so wie vom Gesetz vorgesehen – per Variante-Projekt genehmigt werden. Zuvor könne die Gemeinde keine Benutzungsgenehmigung erteilen. Das heißt: Damit kann das Restaurant nicht wie geplant aufsperren.
Dann laufen auf politischer Ebene aber die Drähte heißt. Jemand streicht das Gutachten des zuständigen Geometers durch und schreibt handschriftlich dazu, dass die Benutzungsgenehmigung für das Restaurant zu erteilen sei.
Dann laufen auf politischer Ebene aber die Drähte heißt. Jemand streicht das Gutachten des zuständigen Geometers durch und schreibt handschriftlich dazu, dass die Benutzungsgenehmigung für das Restaurant zu erteilen sei.
Doch der zuständige Gemeindegeometer weigert sich, das Dokument – das seiner Meinung nach so nicht rechtens ist – zu unterschreiben. Deshalb setzt letztlich Abteilungsleiter Paolo Bellenzier seine Unterschrift auf die Benutzungsgenehmigung.
Danach soll die gesamte Geschichte in den Mäandern der Bozner Gemeindebürokratie verschwinden. Was fast drei Jahre lang auch gelingt.
Die Bausünden
Dabei ist der eindeutige Verstoß gegen die Baubestimmungen dokumentiert. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Verantwortlichen bereits Anklage erhoben.
Doch der eigentliche Skandal ist, dass die Gemeinde Bozen auf Weisung von oben jahrelang wegschaut.
Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass die Verwaltung eine vorläufige Teilnutzungsgenehmigung erteilt. Das setzt aber voraus, dass diese Entscheidung von der Verwaltung rechtlich und urbanistisch begründet wird. Vor allem aber muss der Bauherr dazu ein Variante-Projekt einreichen, das dann von der Baukommission und den zuständigen Ämtern genehmigt wird.
Doch all das wurde im Fall „Italia & Amore“ einfach unterlassen. Denn man hat einen Trick angewandt. Die Gemeinde erteilte auch hier offiziell nur eine Teilnutzungsgenehmigung. Das heißt die Bewohnbarkeit gilt für das gesamte Haus, also für alle drei Restaurantetagen. Aber die Terrasse hat man einfach ausgespart.
Es ist urbanistisch und verwaltungstechnisch eine völlige Absurdität. Denn damit lasse ich jemand in ein Haus einziehen, dessen Dach illegal erichtet wurde. Zudem konnte das Restaurant aus Platzgründen nur so errichtet werden. Ohne die technischen Zubauten am Dach, wäre die Raumplanung deutlich anders ausgefallen.
Aber auch die Tatsache, dass der Bau keine endgültige Benutzungsgenehmigung hat, störte in der Gemeinde Bozen über drei Jahre lang anscheinend niemand. Dazu kommt, dass der Restaurantbetreiber seit langem auch die Terrasse nutzt für die es keine Benutzungsgenehmigung gibt. So etwa wird die Terrasse auf der offiziellen Homepage des Betriebes nach wie vor als 5. Stock angepriesen.
Erst nachdem die Staatsanwaltschaft die Bauakten beschlagnahmt hatte, wird 2021 ein Sanierungsprojekt eingereicht.
Dabei zeigt ein anderer Fall, wie die Gemeinde Bozen normalerweise vorgeht.
Die Supermarktkette ALDI hat bei der Eröffnung ihres Geschäfts in der Bozner Freiheitsstraße noch keine Benutzungsgenehmigung. Auch hier hatte es Änderungen am ursprünglich genehmigten Projekt gegeben, für die ALDI ein Variante-Projekt eingereicht hat. Weil dieses Projekt aber erst im April 2019 von der Baukommission genehmigt wird, das Geschäft aber bereits – wie geplant - am 21. März 2019 öffnet, verhängt die Gemeinde gegen den Betreiber eine Strafe von 36.662,69 Euro.
Das Gesetz ist hier eindeutig. Wer ein Gebäude ohne Bewilligung nutzt bzw. bewohnt, muss für jeden Monat oder angebrochenen Monat ein Bußgeld im Umfang von 0,5% der Baukosten (Art. 73 des Landesraumordnungsgesetzes Nr. 13/1997) für die unrechtmäßig bewohnten bzw. benutzten Gebäudeteile entrichten.
Das Gesetz ist hier eindeutig. Wer ein Gebäude ohne Bewilligung nutzt bzw. bewohnt, muss für jeden Monat oder angebrochenen Monat ein Bußgeld im Umfang von 0,5% der Baukosten (Art. 73 des Landesraumordnungsgesetzes Nr. 13/1997) für die unrechtmäßig bewohnten bzw. benutzten Gebäudeteile entrichten.
ALDI rekurriert gegen diesen Strafbefehl vor dem Bozner Verwaltungsgericht und blitzt ab. Das Gericht gibt Ende Juli 2021 der Gemeinde Bozen Recht.
Fricks Handschrift
Auch vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Gemeindeämter im Fall „Italia & Amore“ kaum haltbar. Als in den Ermittlungen zudem herauskommt, dass Werner Frick hier Weisungsbefugnisse ausgeübt hat und sich über die technischen Gutachten der zuständigen Beamten hinweggesetzt hat, beginnt sich der Fokus der Ermittler in seine Richtung zu verschieben.
Inzwischen hat sich dieser Verdacht noch erhärtet. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Handschrift auf der durchgestrichenen Verweigerung der Benutzungsgenehmigung, jene von Werner Frick ist. Ein graphologisches Gutachten soll diese Hypothese bestätigen. Zudem soll die Auswertung des Mail- und SMS-Verkehrs mehrere direkte Kontakte mit den Bauherren ergeben haben, in denen das genaue Vorgehen ausgemacht wurde.
Für Werner Frick, der mit Francesco Coran bereits einen renommierten Strafrechtler als Anwalt betraut hat, gilt die Unschuldsvermutung. Salto.bz wollte eine Stellungnahme von Werner Frick einholen, doch er war gestern den ganzen Tag für Salto.bz nicht erreichbar.
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Es bleibt nur zu hoffen, dass
Es bleibt nur zu hoffen, dass dem Nachfolger von Dr. Baur, Luis Walcher, eine Säuberung in der Gemeinde gelingt. Frick ist zwar auch ein Grieser, aber ich glaube nicht, dass sich Luis Walcher von ihm in den Dreck ziehen lässt. Frick wird es wohl überhaupt nicht mehr nötig haben, Angestellter der Gemeinde Bozen zu sein. Aber Politik ist nicht sauberer, jene der derzeitigen SVP schon gar nicht.
Es ist in Südtirol zur
Es ist in Südtirol zur Gewohnheit geworden, eine Baugenehmigung als Freibrief für ungehemmtes Bauen zu sehen. Wenn nach dem Motto "wo kein Kläger, da kein Richter" niemand protestiert, weil es niemand gesehen hat oder sehen wollte (man kann ja auch bei entsprechender Honorierung ein oder gar zwei Augen zudrücken), dann ist alles in Ordnung. Wenn vielleicht doch jemand bemerkt, dass zwischen Baugenehmigung und Bauausführung Welten klaffen, dann kann man ja immer noch eine Sanierung beantragen, die ihrerseits wieder nicht kontrolliert wird und daher nur zum Teil durchgeführt wird. Das wird dann zwar ein wenig teurer, ist aber immer noch günstig. Beispiele dafür gibt es zur Genüge.
Schon wieder ein SVPler mit
Schon wieder ein SVPler mit komischen Machenschaften????
Und, keine Stellungnahme von
Und, keine Stellungnahme von Herrn Frick oder Herrn Walcher?
Ist Herr Frick immer noch nicht zu erreichen?
Wegducken und totschweigen, weil salto "unter der medialen Wahrnehmungsschwelle" liegt?