Film | Rezension

How does it feel?

Mit James Mangold versucht sich ein weiterer Regisseur an einer Biografie zu Bob Dylan. Er geht dabei auf sicheren Pfaden, zu sicher, möglicherweise.
Ein junger Mann mit Gitarre.
Foto: 20th Century Fox
  • Biografische Filme stehen immer vor derselben Frage: Was soll erzählt werden? Genauer noch: Welche Zeit, welche Etappe aus dem Leben der Person. Das gesamte, von Geburt an bis zum Tod? Oder nur ein kleiner Ausschnitt daraus? Für letzteres hat sich Regisseur James Mangold entschieden, der mit A Complete Unknown einen Film über Bob Dylan vorlegt. Genau gesagt widmet er sich darin den Jahren 1961-65. Mangold erzählt von der Ankunft Dylans in New York, von seinen ersten Schritten in der Folkszene von Greenwich Village, schließlich seinem Durchbruch, geleitet und gestützt von der damals schon viel größeren Folkmusikerin Joan Baez. Dylan wird sie bald überholen, spätestens 1964 steht er an der Spitze einer musikalischen Bewegung, die sich der Politik verschrieben hat. Für die Menschenrechte, für Gerechtigkeit, konkret für die Bürgerrechtsbewegung und gegen Rassismus und den Vietnamkrieg. Nur ein Jahr später will sich Dylan davon lossagen. Er hat genug davon, dass jeder etwas anderes von ihm möchte, er als Sprachrohr gelten soll, tanzen soll so, wie andere es von ihm erwarten. Es folgt der Ausstieg, die Geschichtsbücher wissen davon, auf dem Newport Folk Festival 1965, mit dem Wechsel zur elektronischen Gitarre und der Unterstützung durch eine Blues-Band. Der Skandal innerhalb der Folkszene war perfekt. Die Aufregung, die die Aufführungen von „Maggie’s Farm“ oder „Like A Rolling Stone“ erzeugte, ist heute nur schwer nachzuvollziehen. Dass der plötzliche Genre-Wechsel eines Musikers derartige Stürme erzeugt, scheint mittlerweile nahezu utopisch, von kurzzeitigen Shitstorms im Internet einmal abgesehen. Damals ging es aber wirklich um etwas. Dylan hatte die Szene verraten, sich dem Rock ’n’ Roll verschrieben. Ein Ereignis, von dem oft zu lesen ist, von dem es sogar historische Aufnahmen gibt, und das jetzt, noch einmal, von James Mangold filmisch dargestellt wird. 
     

    Wie James Mangold besonders dieses letzte Konzert darstellt, ist packend inszeniert und weiß in den richtigen Momenten zu berühren. 


    Als Dylan dient ihm Timothée Chalamet, der sich größte Mühe gibt, seine eigene Version des enigmatischen Künstlers zu präsentieren. Gekonnt schlüpft er in die Rolle mit all ihren Eigenheiten und findet eigene Zugänge. Die Stimme ist eine Interpretation der ikonischen Dylan-Stimme, die Mimik, der Gang, die Manierismen, all das kommt einem bekannt vor, wird aber glücklicherweise nie zur Parodie – eine Gefahr, die bei Dylan leicht droht. Zurecht dreht sich in diesem Film alles um die Darstellung von Chalamet. Ihm zur Seite stehen Monica Barbaro als Joan Baez, Edward Norton als Pete Seeger und Elle Fanning als Dylans erste große Liebe Sylvie Russo. Sie tänzeln um den Protagonisten herum, geben Stichworte, leiten ihn, verschmähen ihn. Der Film zeigt Dylan als ruhelosen jungen Mann, der sich nicht zu schade ist, auch mal ein Arschloch zu sein. Er denkt gut über sich, gibt sich manchmal egoistisch und blind für die Bedürfnisse anderer. Dabei läuft alles auf den Höhepunkt zu, den Moment des explosiven, künstlerischen Ausbruchs in Newport 1965. Wie James Mangold besonders dieses letzte Konzert darstellt, ist packend inszeniert und weiß in den richtigen Momenten zu berühren. 

  • Foto: 20th Century Fox
  • Abgesehen davon bewegt sich der Film aber auf ausgetretenen Biopic-Pfaden. Das ist etwas schade, denn genauso wie Dylan unberechenbar und stets für eine Überraschung gut war und ist, hätte es auch dem Film gutgetan, die konventionellen Erzählschemata von Hollywood zu verlassen. Auch inszenatorisch traut sich der Film wenig, ordnet sich klar dem Erzählten unter, dabei wäre es spannend gewesen zu sehen, wie eine Ebenbürtigkeit von Regie und exzentrischem Hauptcharakter ausgesehen hätte. Ein Film wie I’m Not There von Todd Haynes traut sich da wesentlich mehr und wählt einen experimentelleren Zugang, der besser zu Dylan passt. Dennoch ist A Complete Unknown besonders für Kenner voller kleiner Details, die von einer weitreichenden Kenntnis der Materie zeugen. Und noch dazu wurde das Drehbuch von Dylan selbst abgesegnet. Angeblich hat er nur eine Anmerkung abgegeben, eine Dialogzeile geschrieben, und darum gebeten, mindestens eine Unwahrheit in das Drehbuch einzuarbeiten. Welche das ist, nun, das dürfen die Dylanologen dieser Welt herausfinden. Wer das noch nicht ist, dem könnte A Complete Unknown ein leichtfüßiger Einstieg in die Welt des „Song-and-Dance-Man“ sein.