Halbe Freistellung

Am 26. März hat der erste Gesetzgebungsausschuss des Südtiroler Landtages den ersten Teil der 53 Artikel der neuen Personalordnung des Landes genehmigt. An diesem Donnerstag, dem 9. April soll die Behandlung im Ausschuss beendet werden. Dann wird das von Landesrätin Waltraud Deeg eingebrachte Gesetz in die Aula des Landtags kommen.
Bereits im Vorfeld wurde öffentlich über verschiedene Bestimmungen in diesem Gesetz debattiert. Deeg musste reagieren und einige Nachbesserungen machen. Dabei hat man aber keineswegs alle Brandherde gelöscht.
Am 26. März wurden im Gesetzgebungsausschuss die ersten 31 Artikel des Gesetzes gutgeheißen. Ausgerechnet im letzten, an diesem Tag genehmigten Artikel schlummert aber eine Bombe, die schneller losgehen könnte, als es der Landesregierung lieb sein dürfte.
Mit Artikel 31 im neuen Personalgesetz wird die Freistellung vom Dienst für die Ausübung des lokalen politischen Mandates geregelt. Im Gesetzentwurf heißt es:
1. Das in einen Gemeinderat gewählte Personal hat Anrecht auf die Freistellung vom Dienst, um an den Ratssitzungen teilzunehmen, einschließlich der notwendigen Zeit, um den Sitzungsort zu erreichen.
2. Für die Freistellungen laut Artikel 27 Absätze 1, 2 und 3 des bereichsübergreifenden Kollektivvertrages vom 12. Februar 2008 erfolgt bis zu einer Abwesenheit von 30 Prozent der Vollzeitarbeitszeit keine Kürzung der Entlohnung. Übersteigen die Abwesenheiten diesen Prozentsatz, so erfolgt eine verhältnismäßige Kürzung der Entlohnung.
Mit dieser neuen Bestimmung wird die bisher gängige Praxis deutlich eingeschränkt.
Der KollektivvertragDenn der im Gesetz zitierte bereichsübergreifende Kollektivvertrag sieht folgendes vor:
1. Das Personal, das in einen Gemeinderat gewählt wird, hat Anspruch auf die Freistellung vom Dienst für den gesamten Tag, an dem der Gemeinderat einberufen ist.
2. Das Personal, das in die Verwaltungsorgane der Bezirksgemeinschaften oder der Konsortien von Gebietskörperschaften, in die Verwaltungsräte der Gemeinde-, Landes- oder Verbandsbetriebe sowie in die formell gegründeten Rats- oder Ortsviertelratskommissionen gewählt wird, hat Anspruch auf Freistellung vom Dienst, um an den Sitzungen der Organe der jeweiligen Körperschaft teilzunehmen.
3. Das Personal, das in einen Gemeindeausschuss oder in das Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten des Ausschusses einer Bezirksgemeinschaft oder des Präsidenten eines Gemeinde- oder Landesbetriebes mit mehr als 50 Bediensteten gewählt wird, hat, zusätzlich zur Freistellung laut Absatz 2, Anspruch auf Freistellung vom Dienst für höchstens 24 Arbeitsstunden im Monat. Für die Bürgermeister und für die Stadträte der Landeshauptstadt ist diese Freistellung auf 48 Stunden erhöht.
Im neuen Gesetz steht nichts mehr vom freien Sitzungstag. Weil es in größeren Städten wie Bozen oder Meran in der öffentlichen Verwaltung manchmal zu Problemen wegen der politischen Freistellungen kommt, will man darüber hinaus weitere Einschränkungen machen.
Denn mit dem neuen Personalgesetz führt man in Südtirol ein Element ein, das es bisher in Italien so nicht gab: Ein mögliche Kürzung der Entlohnung.
Es ist eine überaus brisante und gefährliche Neuerung.
Zu diesem Schluss kommt jedenfalls der Rat der Gemeinden. Drei Tage bevor der erste Gesetzesausschuss den Text wie vorgeschlagen verabschiedete, gab der Rat der Gemeinden das gesetzlich vorgeschriebene Gutachten zum Personalgesetz ab.
Das Gutachten ist positiv, mit einer Einschränkung. Präsident Andreas Schatzer und Sekretär Benedikt Galler schreiben zum Artikel 31:
„Laut Artikel 51 der Verfassung haben alle Staatsbürger unter gleichen Bedingungen gemäß den vom Gesetz bestimmten Erfordernissen das Recht auf Zutritt zu den öffentlichen Ämtern und zu den durch Wahl zu besetzenden Stellen. Die in Absatz 2 des Artikel 31 vorgesehene Kürzung der Entlohnung weicht von der staatlichen Regelung ab, die keine Kürzung vorsieht und scheint damit dem verfassungsmäßig garantieren Recht zu widersprechen.“
Das StaatsgesetzSchaut man sich die staatliche Regelung genauer an, auf die sich der Rat der Gemeinden bezieht, wird erst klar, wie rigoros man in Südtirol jetzt durchgreifen will. Im Legislativdekret 267 aus dem Jahr 2000 heißt es:
1. I lavoratori dipendenti, pubblici e privati, componenti dei consigli comunali, provinciali, metropolitani, delle comunita' montane e delle unioni di comuni, nonche' dei consigli circoscrizionali dei comuni con popolazione superiore a 500.000 abitanti, hanno diritto di assentarsi dal servizio ((per il tempo strettamente necessario per la partecipazione a ciascuna seduta dei rispettivi consigli e per il raggiungimento del luogo di suo svolgimento)).
Nel caso in cui i consigli si svolgano in orario serale, i predetti lavoratori hanno diritto di non riprendere il lavoro prima delle ore 8 del giorno successivo;
nel caso in cui i lavori dei consigli si protraggano oltre la mezzanotte, hanno diritto di assentarsi dal servizio per l'intera giornata successiva.
Von diesen Bestimmungen findet man im neuen Personalgesetz nichts mehr. Dabei wurde mit Staatsgesetz 148 vom 14. September 2011 ausdrücklich festgelegt, dass diese Regelungen auch für die beiden autonomen Provinzen Trient und Bozen gelten.
Grüner AntragDie Grünen-Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa legte im Gesetzgebungsausschuss einen Streichungsantrag für Artikel 31 vor. Nach dem Willen der Grünen sollte alles so bleiben, wie es war. Die Mehrheit in der Kommission lehnte diesen Antrag aber ab.
Dafür reagierte man auf die Einwände des Rates der Gemeinden und strich im Ausschuss kurzerhand den zweiten Absatz des Artikels. Das heißt, es werden keine möglichen Lohnkürzungen eingeführt.
Was jetzt aber bleibt, ist ein eklatanter Unterschied zwischen der Landesgesetzgebung, dem Kollektivvertrag und den staatlichen Richtlinien, wo viel mehr konzediert wird, als im neuen Personalgesetz des Landes.
Ob diese neue restriktive Regelung hält, wird sich spätestens dann zeigen, wenn sie jemand vor Gericht anficht. Dann wird geklärt werden, ob das Land Südtirol auch in der poltischen Freistellung einen Sonderweg einschlagen kann.
Wenn man sich so ansieht wie
Wenn man sich so ansieht wie die Gesetze in Italien ab Absurdum geführt werden: http://tv.ilfattoquotidiano.it/2015/02/09/vitalizi-doro-record-del-sind… finde ich ehrlich gesagt diese Regelung nicht so tragisch. Wer im Vorstand eines größeren Vereins aktiv ist, hat auch nicht weniger als ein Gemeinderat zu tun und das ehrenamtlich.
Mich würde mal interessieren wie diese Angelegenheit nördlich vom Brenner geregelt wird.