Umwelt | Abfallwirtschaft
Vom Müllberg zur grünen Oase
Foto: Hans
Die stillgelegte Mülldeponie Sigmundskron bei Bozen bekommt ein neues Leben eingehaucht. Wie angekündigt, wird ein weiterer Teil dieser ehemaligen Mülldeponie im Oktober als Naherholungszone für die Bürger freigegeben.
Zusätzlich dazu soll die neue „Grünfläche“ über Rad- und Fußwege mit der Stadt verbunden werden um den Zugang zu erleichtern. Die neue Grünfläche liegt auf einem 40m hohen Hügel, welcher aus Bauschutt, Gewerbemüll und Überresten der Kriegsbombardierungen besteht. Außerdem wurden über 4.200 Büsche und Bäume auf dem Hügel gepflanzt.
In der neuen Naherholungszone soll eine Aussichtsplattform, Tennisplätze, ein Ausbildungsplatz für Rettungshunde sowie zwei Teiche aufgebaut werden. Die Sanierungskosten betragen 8 Millionen Euro.
Die Deponie existiert bereits seit dem Zweiten Weltkrieg, und in den 80er und 90er Jahren fanden Landsanierungsarbeiten statt. Allerdings wurden diese nur oberflächlich durchgeführt. Deswegen kam es in den letzten Jahren zu kontaminiertem Sickerwasserausfluss. Das Sickerwasser wurde in großem Umfang abgeleitet, gesammelt und entsorgt. Diese Operationen kosteten die Gemeinde Bozen jährlich 3 Millionen Euro. Daher wurde das Konzept der Naherholungszone entwickelt und die Sanierungsarbeiten gestartet.
Salto.bz: Herr Angelucci, im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten wird oft von Abdichtungen gesprochen. Ist die alte Deponie jetzt also abgedichtet?
Giulio Angelucci: Bei diesen Sanierungen gibt es keine vollständige Abdichtung. Moderne Deponien, wie wir sie in Pfatten haben, sind auch am Boden abgedichtet. Bei der Deponie in Sigmundskron gibt es jedoch keine solche Bodenabdichtung, da bei der „Eröffnung“ der Deponie nicht darauf geachtet wurde. Daher konnte in den 80er und 90er Jahren nur eine Oberflächenabdichtung durchgeführt werden. Im Gegensatz zu neuen Deponien, die nahezu 100% wasserdicht sind, ist dies in Sigmundskron nicht der Fall. Mit den neuen Maßnahmen konnten wir jedoch die Menge des kontaminierten Wassers halbieren. In den Vorjahren mussten wir 5.000 Tonnen Sickerwasser entsorgen, diese Zahl konnten wir nun halbieren und kommen „nur“ mehr auf 2.000 Tonnen Sickerwasser.
Besteht hier aber noch eine Gefahr für das Grundwasser?
Das Grundwasser wird weiterhin überwacht. Es gibt jedoch keine Gefahr für das Trinkwasser, da das Grundwasser hier nicht für die Trinkwasserversorgung genutzt wird. Außerdem bleibt die Kontamination auf dieses kleine Gebiet beschränkt, welches weiterhin überwacht wird.
Warum wird der Müll abgedichtet und nicht ausgegraben und recycelt?
Eine Aufarbeitung ist nicht mehr möglich, da die Deponie ursprünglich nicht nach modernen Maßstäben betrieben wurde. Heute werden Abfälle auf Deponien getrennt und sortiert. Damals war die Deponie eine Abladestelle für alle Arten von Abfällen.
Wir haben dort Sachen gefunden, die man sich nicht vorstellen kann.
Damals wurde einfach alles gemeinsam abgeladen: LKWs luden tonnenweise Bauschutt, Haushaltsmüll und Industrieabfälle ab. Alles ist vermischt und eine nachträgliche Trennung ist nicht mehr möglich. Außerdem könnten sich Gase in der Deponie bilden, die bei einer Öffnung freigesetzt würden und erhebliche Umweltschäden verursachen würden. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen dieser Gase auf die Arbeiter und Anwohner.
Wie wird die neue Naherholungszone gestaltet sein?
Die Gestaltung der Naherholungszone wird von verschiedenen Institutionen geplant. Bislang steht fest, dass es Teiche, Spiel- und Tennisplätze sowie eine Aussichtsplattform geben wird.
Wie sieht es eigentlich mit der anderen Deponie in Pfatten aus? Wird dort genauso verfahren wie in Sigmundskron?
Die Deponie in Pfatten ist eine neue sogenannte „ordentliche Deponie“ mit Basisabdichtung. Dort wird zusätzlich zur Oberflächenabdichtung auch von unten an der Basis abgedichtet. Die Abdichtung erfolgt mit speziellen Folien und Mineralschichten, um das Eindringen von Wasser in die Deponie zu verhindern.
Gibt es für die Deponie in Pfatten ähnliche Pläne wie für Sigmundskron?
Nein, die Deponie wird voraussichtlich für die nächsten Jahrzehnte weiterhin als Deponie genutzt werden. Es könnte jedoch zu kleinen Renaturierungsmaßnahmen kommen.
Der Begriff der „Renaturierung" ist oft gefallen, können Sie erklären wie die Renaturierung funktioniert? Und besteht nicht die Gefahr, dass beispielsweise die Wurzeln eines Baumes durch die Folien und Schichten wachsen und somit Wasser eindringen könnte?
Bei der Bepflanzung der Deponie wird natürlich darauf geachtet, welche Pflanzen angesiedelt werden. Zusätzlich zur Abdichtung werden spezielle Schichten eingebaut, die wurzelresistent sind - sogenannte Trockenschichten. Außerdem wird auf eine ausreichende Menge an Erde geachtet.
Welcher Müll landet auf der Deponie in Pfatten?
Auf der Deponie in Pfatten landet hauptsächlich Schlacke aus der Müllverbrennungsanlage. Dies sind die Reste unseres verbrannten Mülls. Die Schlacke sieht dabei aus wie Asche.
Wie wird mit Sondermüll in Südtirol umgegangen?
In Südtirol produzieren wir etwa 1,5 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. Davon sind etwa 300.000 Tonnen Haushaltsabfälle, von denen etwa 100 Tonnen verbrannt und 200 Tonnen recycelt werden. Darüber hinaus bleiben 1,2 Millionen Tonnen Gewerbeabfälle übrig. Etwa 900.000 Tonnen davon sind Bauschutt, der vollständig verarbeitet und wiederverwendet wird. Es bleiben also etwa 300 Tonnen übrig, die nicht recycelt werden können und an andere Deponien exportiert werden.
Wird dieser exportierte Müll als recycelt betrachtet?
Dieser Müll kann verbraucht, verwendet oder entsorgt werden. Recycling bedeutet jedoch nicht automatisch eine stoffliche Wiederverwertung. Ein Beispiel: Ein Blatt Papier kann zu 100% von der Papierindustrie wiederverwendet werden – es wird stofflich wiederverwertet und wieder Papier daraus gemacht. Laut EU-Richtlinien ist jedoch auch eine Müllverbrennung, bis zu einem bestimmten Ausmaß, eine Form der Wiederverwertung. Wir sprechen von Recycling, auch wenn keine stoffliche Wiederverwertung stattfindet. Italien exportiert beispielsweise auch enorme Mengen an Müll nach Deutschland, der dort dann verbrannt wird.
Wie würden Sie eine Wiederverwertung des Sondermülls in Südtirol regeln?
Beim Sondermüll ist dies eine sehr schwierige Sache: es gibt immer einen potentiellen Spielraum, welcher jedoch immer kleiner wird.
Wir versuchen natürlich soweit wie möglich Abfälle als Rohstoffe zu gewinnen, aber der Spielraum wird immer kleiner.
Ich möchte hier eine Studie vom Bundesumweltministerium in Deutschland hervorheben. Diese Studie zeigt, dass die Abfallverwertung zur Co2 Reduzierung beigetragen hat. Wenn wir die Abfallwirtschaft von den 1990ern mit heute vergleichen, haben wir die Treibhausgas-Emissionen um 80% reduziert. Es gilt aber anzumerken, dass unsere Abfallwirtschaft weitaus besser ist als früher, jedoch produzieren wir auch viel mehr Müll. Deswegen sollte das Müllkonzept eher als ein Vermeidungskonzept designt werden. Ich selbst bin der Ansicht, dass wenn wir weniger verbrauchen würden, auch weniger Abfälle anfallen würden.
Was ich zudem noch hervorheben möchte, ist, dass wir in den letzten Jahrzehnten die Altlasten Südtirols saniert haben. Der Pasquale Hügel in Bozen-Süd, Sigmundskon und die alte Mülldeponie Sigmundskron. Des Weiteren gilt es anzumerken, dass die Sanierungen, die wir vornehmen, Sanierungen für die Ewigkeit sind und auch in Zukunft sicher sein werden. In den 90ern war dies nicht der Fall, dort wurde nur oberflächlich saniert und anschließend vergessen. Heute wird, wie erwähnt, jede Deponie dauerhaft überwacht und regelmäßig überprüft.
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