„Sie sind entscheidender“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Josef Oberhollenzer: Kein einzelnes buch, wahrscheinlich die bücher von Karl May (67 hab ich gelesen laut meiner liste), vielleicht insbesondere Der Schut oder Der Ölprinz (Winnetou auf jeden fall nicht); und wahrscheinlich, ja, Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm. – (Aber beiseitegesagt: Wer denkt als kind schon darüber nach, ob einen ein buch „nachhaltig prägt“?)
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
„In diesem Augenblick ging über die Brücke ein geradezu unendlicher Verkehr.“ (Franz Kafka, Das Urteil. Eine Geschichte für Fräulein Felice B.) – Oder auch: „(Und was’n Einfall das wieder: <Einmal lebt’ich wie Götter>!!!).–“ (Arno Schmidt, Die Gelehrtenrepublik. Kurzroman aus den Roßbreiten) – Aber eigentlich bleiben, ganz eigentlich lichtern in meinem kopf mehr die ersten sätze als die letzten: Sie sind entscheidender.
Also muß ich kosten von diesem, stöbern in dem; und also entdecke ich vielleicht, sicherlich entdecke ich – und bin glücklich, ja.
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Buchvorstellung: Josef Oberhollenzer war letztens bei den Sprachspielen in Meran im Einsatz. Am Donnerstag, 20. November, ab 20 Uhr ist er in der Landesbibliothek Dr. F. Teßmann in Bozen zur Novemberlesung der GAV – Grazer Autorinnen Autorenversammlung mit Josef Oberhollenzer, Schere Stein Papier (Mirijam Obwexer & Greta Pallhuber), Maxi Obexer. Moderation: Jörg Zemmler. Am Mittwoch, 17. Dezember, 20 Uhr ist er in Bruneck, im Jugend- und Kulturzentrum UFO, Josef-Ferrari-Str. 20 zu Gast, bei einer gemeinsamen Veranstaltung von UFO und Stadtbibliothek Bruneck. Das Bild stammt hingegen aus dem Jahr 2023, als Oberhollenzer bei Literatur Lana geladen war. Foto: SeehauserfotoReimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Es gibt so viele „anscheinend gute“ bücher; da mach ich zumeist einen großen bogen rum. Aber bei „anscheinend schlechten“ büchern: Da steigt immer wieder mein interesse daran; und auf jeden fall schau ich mir so ein „anscheinend schlechtes“ buch nicht selten etwas genauer an.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Ein außerirdischer findet sicherlich unser banales unendlich spannender als sein eigenes: Endlich etwas, das es bei ihm nicht gibt; endlich etwas spannendes! Da scheitert jedes erklären, noch bevor ich den mund aufmach, ich außermondischer .. oder so.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Uneingeschränkt nicht einmal meinen eigenen. Also muß ich kosten von diesem, stöbern in dem; und also entdecke ich vielleicht, sicherlich entdecke ich – und bin glücklich, ja.
Waren die Unfälle auf den Hornspitzen und dem Schneebigen Nock etwa doch Morde? Und was geschah auf dem Großen Löffler?: Zwei Männer, die sich kaum kennen, treffen sich auf einer Alm. Der Ältere ist skeptisch, er weiß nicht genau, was der Jüngere von ihm will. Langsam tasten sie sich aneinander heran. Was nach und nach zum Vorschein kommt, ist maßlos, unsäglich. Und führt aus dem Südtirol der 1990er-Jahre herauf in eine überhitzte Gegenwart, geprägt von der Heimsuchung durch Touristen, die plötzlich zuhauf in den Bergen verschwinden. Foto: FolioWas für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Auf so einer vielzitierten abgelegenen insel ließe ich für den nächsten einsam gestrandeten naturgemäß nur ein wunderbares, ein nie auszukostendes buch zurück, zum beispiel Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman von Laurence Sterne, aus dem englischen übersetzt von Michael Walter. Hätte ich naturgemäß ja nur wunderbare bücher dabei, strandete ich je. Wer trägt denn mit sich so einen „fehlschlag“ herum! Ein heiliger, ein heiligmäßiger, ein sich kasteiender vielleicht?
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich lese alle bücher nur analog: „Das Rauschen des Blätterns“ ist mir wie das rauschen eines bachs.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Oswald von Wolkenstein, Die Lieder
Joseph Streiter, Blätter aus Tirol
Luis Stefan Stecher, Korrnliadr. Gedichte in Vintschger Mundart
Roberta Dapunt, La terra piú del paradiso
.. und viele mehr, und viele mehr ..
(Und vielleicht, und auf jeden fall: von Vitus Sültzrather eins.)Weitere Artikel zum Thema
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