Was, wenn mein Staat nicht menschlich ist?
Ärztinnen, Richter, Sozialarbeiter und Studentinnen sind die Protagonisten des Hörspiels und Theaterstücks “Illegale Helfer” von Maxi Obexer. Menschen wie du und ich, die aus politischem Protest und/oder menschlicher Solidarität zu Fluchthelfern werden, die Illegalisierten beim Untertauchen helfen, die vor Abschiebungen retten, die in der gesundheitliche Fürsorge jenen beistehen, die es selbst nicht können, weil sie wie die Fische auf dem Trockenen sind, oft sprachlos, meist schutzlos.
Maxi Obexer, Schriftstellerin und Literaturwissenschafterin legt mit ihrem Text den Finger in die Wunde der europäischen Flüchtlingsdebatte; sie zeigt die Handlungen und Motivationen der illegal Helfenden auf, auch die Gefahren denen sie sich aussetzen. Denn sie helfen jenseits der Gesetzeslage, mit ihren Hilfstaten verstoßen sie gegen die nationalen Gesetze. Sichtbar werden in den Geschichten und Porträts aber auch die Grenzen der Integrations- und Asylpolitik um Dublin III.
Da ist etwa der 66-jährige Michael Genner, der aus politischer Überzeugung Illegalisierte vor der Abschiebung rettet. Er ist ein bekannter und mit Menschenrechtspreisen ausgezeichneter Asylberater und Aktivist. Er sagt, dass der Hass gegen das Unrecht und gegen jene, die Unrecht tun, ihn antreibe, aber auch der Wunsch, Menschen zu helfen. Den Anlass für seine Arbeit sieht er in der Geschichte seiner Familie, die von den Nazis politisch und rassisch verfolgt wurde, das habe ihn geprägt.
Er ist eine von mehreren Stimmen, Originalstimmen im Hörspiel Obexers. Die Besonderheit des Hörspiels ist jene, dass beinahe alle Fluchthelfer persönlich auftreten und ihre Texte sprechen, so auch eine Sozialarbeiterin, die einem Minderjährigen das Leben rettete: “Das Jugendamt hat ihn auf 18 eingeschätzt, was üblich ist nach einer sogenannten In-Augen-Scheinnahme, so kommt das Jugendgesetz nicht mehr zum Tragen und man kann ihn besser abschieben.” Die Jugendarbeiterin erzählt auch von ihrem eigenen moralischen Dilemma, schießlich ist sie Beamtin und verhält sich so, dass sie gegen das Gesetz verstößt. Doch ihr Vater sei Deserteur gewesen und hätte sich dessen geschämt, sie aber wolle stolz auf ihn und sein Handeln sein.
Maxi Obexer recherchierte 4 Jahre lang gemeinsam mit Co-Autor Lars Studer in vier europäischen Ländern die Schicksale und Geschichten jener, die Gesetze übertreten weil sie helfen, weil sie Menschenrechte höher achten als die nationalen Regeln und Bestimmungen.
“Die Arbeit an Illegale Helfer ist auch aus meinen vorangehenden Arbeiten entstanden, dem Geisterschiff etwa oder dem Roman Wenn gefährliche Hunde lachen. Viele meiner Texte beschäftigen sich mit der europäischen Flüchtlingspolitik, aber oft kamen Anregungen auch aus dem Theaterpublikum, von Personen die ihre Solidarität mit Illegalisierten gezeigt haben. Daraus entstand bei mir der Gedanke, diese sehr Vielen die im Verborgenen arbeiten und die mit ihrem zivilen Ungehorsam sehr viel politisches Bewusstsein zeigen, zu porträtieren.” Maxi Obexer zeigt eine Zivilgesellschaft, die couragiert ist und dem Staat Grenzen aufzeigt.
Der Uraufführung am Schauspielhaus in Salzburg wird dann auch der Satz vorangestellt, “Was wenn mein Staat nicht menschlich ist”, die Inszenierung von Regisseur Peter Arp steht unter diesem Motto. In Potsdam hingegen, wo das Stück in Folge aufgeführt wird, wird der Aspekt des Helfens in den Fokus gerückt: Dass Menschen die helfen, sich straffällig machen und an den Pranger gestellt werden, weil sie sich menschlich und solidarisch verhalten. Diese Frage sei ganz entscheidend, sagt Maxi Obexer. “Für die Helfenden ist ihre Tat ein normaler menschlicher Akt,” sagt die Autorin. “Sie wollen auch nicht zu Helden stilisiert werden, denn sie sagen, dass ihr Risiko nicht auzuwägen sei mit jenem das die Flüchtlinge auf sich nehmen.”
Ist das Schreiben für Maxi Obexer ein Akt der Solidarität, eine politische Hilfestellung? “Angesichts der gegenwärtigen Ereignisse ist mir klar, dass wir mit dem Schreiben an Grenzen stoßen," sagt sie. "Der Illegalisierte hat wenig davon, wenn ich seine Geschichte publik mache, ihm wäre es lieber, ich würde ihm einen Job verschaffen. Andererseits soll jeder tun was er kann, wir müssen also überlegen, was wir als Schreibende tun können. Dahin geht zur Zeit meine Überlegung, wie wir hier Grenzen überwinden.”