Kultur | salto afternoon

„Ich hab extra Italienisch gelernt“

Anna Mabo ist Musikerin, mag Britney Spears und kommt mit hohen Erwartungen nach Brixen. Was das Publikum im Gegenzug erhält, ist auch nicht ohne.
Anna Mabo
Foto: Thomas Schrenk

Die Wienerin Anna Marboe hat wenige Geheimnisse. Auf der Bühne, mit einer Gitarre in der Hand und einer Mundharmonika griffbereit, erzählt sie meist viel über sich selbst.
Unter dem Namen Anna Mabo tritt die 25-Jährige am Freitag in der Dekadenz in Brixen auf. Bereits am Anfang des Gesprächs verriet sie: „Zwei, drei Lieder spielen mein Cellist und ich zum ersten Mal. Das machen wir eigentlich immer, damit es jedes Mal ein Abenteuer bleibt.“

salto.bz: Hallo Anna, möchtest du dich kurz vorstellen?
 
Anna Mabo: Hallo, ja gern. Als meistens beginne ich so: Ich bin die Anna. Davon gibt es sehr viele und deshalb sollte ich es spezifizieren. Ich mache Musik und Theater, aber auch andere Sachen. Ich bin ein wenig ungeduldig und unentschlossen. Jetzt noch einige Hard Facts: Ich bin 25, komme aus Wien und alles andere findet man heraus, wenn man meine Songs hört.
 
Was machst du in deinem Leben?
 
Ich habe Theaterregie in Wien studiert und bin freischaffende Künstlerin. Weil Theater machen aber in den letzten Jahren nicht das sicherste Geschäft war, habe ich angefangen mehr Musik zu machen. Eigentlich mache ich immer das, was gerade so kommt – manchmal schreibe ich auch. Und wenn gar nichts kommt, dann lese ich gern und freu mich darüber, dass es so vieles schon gibt. Und das ist auch eine Erkenntnis, die ich mit Corona erhalten hab – man muss nicht immer etwas Neues erfinden. Es ist eh schon viel da. Und dann kann man sich einfach daran erfreuen, das andere Menschen auch tolle Ideen haben. Ich mach einfach immer – irgendwas.

 


Wie hast du die Pandemie-Zeit als Künstlerin bisher überstanden?  

Eh gut. Ich hatte viel Glück, dass ich keine Kinder hab, und keines mehr bin. Zumindest nicht mehr in der Schule und so. Und dadurch, dass man für Musik nicht notwendigerweise so viele Leute braucht, konnte ich mich ganz gut beschäftigen. Das ist glaube ich eines meiner Talente – ich kann mich einfach gut selbst unterhalten. Anstrengend war eher, dass ich jeden Handgriff, alles was ich gemacht hab, vier Mal umgedreht und oft gezweifelt habe – mach ich da etwas Sinnvolles, braucht’s das überhaupt usw. Die Zeit hat einfach eine ganz neue Bedeutung bekommen. Aber da geht’s eh allen ähnlich.
 
Wie sieht dein Alltag aus? Welche aktuellen Projekte laufen bei dir?

Mein Alltag ist durchwachsen. Zurzeit bin ich in Salzburg – weil ich da gerade in einem Theater Regie führe. Später bin ich in Linz und fange da an zu proben. Immer wenn ich Theater mach, ist das so im Zentrum. Ja, also mein Alltag ist gerade voll mit Proben. Abends kommt dann die Musik. Und wenn das gerade nicht ist, dann versuche ich andere Dinge zu machen: lesen, Musik, viel Sport und so.
 
Also läuft dein Auftritt in Südtirol einfach nebenbei mit…

Nein, Premiere! Ich war noch nie in Südtirol. Eigentlich macht mir ja Musik machen am meisten Spaß. Also ich würde auch sagen, dass ich Musikerin und Regisseurin bin – und nicht umgekehrt. Und am Schönsten ist es sowieso, wenn man für andere Menschen spielen darf – und nicht nur für den Nachbarn, der sowieso zuhören muss, weil die Wände undicht sind.

Mir taugt‘s auch, wenn‘s nicht zu brav ist – überhaupt wenn die Band mitspielt. Da hatt‘s einfach mehr Wums.

Dein zweites Album trägt den Titel „Notre-Dame“. Magst du Paris?

Sehr. Wirklich sehr. Ich war mal mit meinem Freund Thomas für sechs Wochen dort. In Paris haben wir dann auch Clemens kennengelernt, der jetzt mit nach Südtirol kommt und mich auf dem Cello begleitet. Ich hatte in der Schule Französisch und mich ärgert es manchmal, dass ich das Französisch so schnell vergiss. Deshalb habe ich auch mein Handy umgestellt. Paris erfüllt alle meine erhofften Klischees – es ist poetisch.
 
In welcher Relation steht Paris und deine Musik?

Gerade in Paris sind mir einfach viele Sachen eingefallen. Notre Dame ist damals niedergebrannt und etwas Beständiges, das immer da war, hat eine Veränderung ausgehalten. Und da habe ich mir die Frage gestellt, inwiefern man bestimmte Sachen hinnehmen muss und wann man sagen kann „Nein, das ist jetzt nicht mehr in Ordnung. Ich will etwas dagegen machen“ – egal welche Veränderungen im Leben passieren.

Man sollte sich einfach selbst erlauben, nicht ganz anzukommen und so könnte das eine ganz chillige Zeit auf dieser Erde sein.

Welches Lied würdest du als dein Aushängeschild bezeichnen?

Alle Lieder ergänzen sich irgendwie. Es geht mir eher ums „werden“. Bei mir ist alles ein Prozess – das Leben geht immer irgendwie weiter. Es gibt Veränderungen und mit der Zeit akzeptiert man vielleicht, dass man nie an einem Ort bleibt, sondern ständig am „werden“ ist. Veränderungen gehören dazu und die Offenheit für alles, was das Leben so bereithält, ist eigentlich schon das Leben. Und mit einer gewissen Leichtigkeit sollte man akzeptieren, dass man nicht alles unter Kontrolle haben kann. Es geht eben auch darum, dass man großzügig mit sich selbst und mit andern ist. Ich hab auch ein Lied geschrieben, das „Leichtigkeit“ heißt – das beschreibt dieses Gefühl vielleicht ganz gut. Man sollte sich einfach selbst erlauben, nicht ganz anzukommen und so könnte das eine ganz chillige Zeit auf dieser Erde sein.
 
Gibt es Widmungen? Schreibst du deine Lieder für irgendwen?

Das ist von Lied zu Lied unterschiedlich. Ein Lied heißt Jakob – mein Bruder heißt Jakob – da ist es offensichtlich.  Ich habe angefangen Lieder zu schreiben, als Kommunikationsmedium. Anstatt dass man SMS schreibt, schreibt man halt ein Lied. Und deshalb ist das erste Album viel zielgerichteter – also an Personen, an meinem Vater, an meine Oma. Und im zweiten Album ist es egal– es ist irgendein Gegenüber. Jemanden, den man im letzten Jahr vielleicht vermisst hat. Es ist eine Liebeserklärung an alle Menschen. Das Leben ist einfach viel schöner, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass man Menschen liebt.
 
 
Hast du Ziele mit der Musik? Willst du Botschaften senden?

Eine gute Unterhaltung ist immer direkte Kommunikation. Für mich ist es sehr schwierig zu sagen, ob ich die Musik nur für mich selbst mache oder für andere. Musik macht mir einfach sehr viel Spaß – aber ich würd‘s auch nicht machen, wenn‘s niemand hören will. Ich finde einfach die Begegnungen so toll – und für diese braucht es zuerst eine Offenheit auf beiden Seiten. Ohne Zuhörer wäre es wie gegen die Wand PingPong spielen – das funktioniert auch, nur ist die Frage – wie lange. Mir taugt‘s auch, wenn‘s nicht zu brav ist – überhaupt wenn die Band mitspielt. Da hatt‘s einfach mehr Wums.
 
Vorbilder – hast du welche?

Viele. Bob Dylan zum Beispiel. Obwohl der wahrscheinlich die Musik nicht als Kommunikationsmittel sieht – aber er macht das vielleicht schon länger. Das ist sicher der Punkt. Mit 70 muss man nicht mehr für andere spielen. Clemens Sainitzer, mein Cellist, ist der beste Musiker, den ich kenne. Manchmal verstehe ich nicht, warum er überhaupt mit mir spielen will – weil ich bin nicht annährend so gut bin wie er. Vielleicht findet er mich einfach lustig und fährt gerne mit mir Zug. (lacht)
 
Woher kommt die Inspiration für deine Songs?

Es ist immer die Mischung aus Zeit mit anderen verbringen, und Zeit alleine. Ich merke, dass ich gar nichts mache, wenn ich die ganze Zeit nur unterwegs bin. Aber es passiert auch nichts, wenn ich monatelang meine Wohnung nicht verlasse. Also das Verhältnis zwischen Einsamkeit und Gesellschaft ist mir super wichtig. Die Texte entstehen aus den Geschichten anderer Menschen, durch das Beobachten von Dingen, die um einen herum passieren. Aber man braucht auch Zeit, um all das zu verarbeiten. Ich brauche Ruhe und Abenteuer. Alles soll nicht vorbei rauschen – und ich bin mir sicher, dass aus mir nichts herauskommt, sondern eher etwas hereinkommt.
 
3 Fakten über dich, die noch niemand weiß…

Ich bin schon mal einen Marathon gelaufen: Ich glaube, dass das Vorurteil über Musiker immer noch besteht, dass die saufen und trinken und sich wenig bewegen. Ich bewege mich viel, rauche und trinke – 3 in 1. Außerdem schaue ich manchmal gerne sehr schlechte MTV Dating Serien – aber, weil ich mich dabei so schmutzig fühle, sehe ich sie mir meistens auf Italienisch an, damit ich zumindest das Gefühl habe, etwas zu lernen. Italienisch habe ich übrigens in der Corona-Zeit gelernt – und jetzt extra aufgefrischt. Letzter Fakt: Ich mag ABBA und Britney Spears – das kann ich in Musikerkreisen meistens ganz schlecht zugeben, dir kann ich’s ja sagen. (lacht)