Wirtschaft | Aus dem Blog von Silvia Rier

Wirtschaft? Ist weiblich!

Martha Mulser, die Chefin vom „Pflegerhof“ in St. Vigil/Kastelruth wurde für ihren Innovationsgeist und die Aufbauarbeit, die sie als landwirtschaftliche Unternehmerin geleistet hat, ausgezeichnet. Und zwar mit dem "Premio De@Terra". Innehalten will ich deshalb, und zwei Worte zu verlieren, über Frauen und Arbeit- über die so genannte „Wirtschaft“.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Es irritiert mich schon seit längerem, dass Frauenarbeit – in Südtirol zumal, so scheint es mir – vornehmlich auf das Familien-, Pflege-, Sozialarbeit und „Teilzeit“-Brett geschnallt wird. Frauen, so wird getan, interessieren sich nicht für „Wirtschaft“, und können davon also auch nichts verstehen. Natürlich wissen alle, dass das keineswegs so ist, anerkannt ist es aber deshalb noch längst nicht, bei Männern (verständlich), aber auch bei Frauen (weniger verständlich) nicht; allenfalls könnte vielleicht zutreffen, dass Frauen, oder die meisten Frauen, weniger fasziniert/angetan sind vom männlichen Verständnis von „Wirtschaft“, wie es sich dank jahrhundertelanger männlicher Weltherrschaft entwickeln, ausbreiten, verfestigen konnte.

Es mag Zufall sein, vielleicht aber auch nicht, dass ich vor kurzem in „la Repubblica“ einen Text entdeckt hatte (http://www.dirittiglobali.it/2014/04/04/lalba-ruanda/), der sehr schön und sehr eindrucksvoll eine Geschichte erzählt, wie sie auch Martha Mulser und viele andere wie sie sehr ähnlich erzählen könnten, nämlich dass diese Frauen, die so erfolgreich wirtschaften, „eigentlich“ vom Leben, vom Schicksal, wie immer wir das nennen wollen, dazu gezwungen wurden, weil die Männer, die dafür vorgesehen gewesen wären, aus dem einen oder anderen Grunde diesen Platz nicht ausfüllen konnten. Das sollte uns zu denken geben und erklärt vielleicht, warum Frauen nicht so leicht Zugang finden zur Wirtschaft und dort nicht so stark vertreten sind.  Jedenfalls klingt die weibliche Wirtschafts-Erfolgsgeschichte aus Ruanda so (Auszug aus dem verlinkten Text):

  „Dai cento giorni di sangue dell’immensa carneficina degli Hutu e dei Tutsi sono passati vent’anni. Il Ruanda, che si appresta a ricordare con dolore, è cambiato: Kigali è oggi una delle capitali più linde e ben organizzate d’Africa, l’economia è un piccolo miracolo. Il merito? Soprattutto delle donne.”

Es ist also keineswegs vermessen, zu sagen, dass Frauen „die Wirtschaft“ gewissermaßen im Blut haben (ja, ich bin sogar überzeugt: die neuen, alten Formen des Wirtschaftens wie Gemeinwohl, oder Commons, sind in ihren Prinzipien urweiblich), vielleicht nicht mehr, aber jedenfalls  kein bisschen weniger als die Männer. Beide Geschichten, jene der Martha Mulser und jene der Frauen in Ruanda, erzählen und belegen das sehr schön und sehr eindrucksvoll. Frauen haben, vielleicht, ein anderes Verständnis von „Wirtschaft“, haben aber kaum die Möglichkeit/en, es auch auszuleben und auszuprobieren. Denn bisher, dies mein Eindruck, ist es den Wirtschaftsmännern gut gelungen, jenes andere Verständnis von Wirtschaft an den Rand zu drängen, indem sie es ein bisschen herablassend abtaten und abtun als etwas, das nicht wirklich „Wirtschaft“ ist, weil es nicht mit dem männlichen Tunnelblick (Männer nennen das „zielgerichtet“) und nach männlichem Maßstab passiert. Dabei: Die Ergebnisse, die dieser männliche Wirtschafts-Tunnelblick hervorbringt, das sehen alle, die es sehen wollen, schon längst, sind nicht wirklich prächtig, einmal ganz sachlich und global betrachtet.

Die Ergebnisse, die dieser männliche Wirtschafts-Tunnelblick hervorbringt, das sehen alle, die es sehen wollen, schon längst, sind nicht wirklich prächtig, einmal ganz sachlich und global betrachtet.

Es wäre also, finde ich, höchst an der Zeit, aber auch sehr, sehr angemessen und nützlich, dass nicht (mehr) immer nur die ewig gleichen „Wirtschaftsbosse“ ihre ewig gleichen, längst schon nicht mehr funktionierenden Maximen von „mehr, viel mehr, und dann immer noch mehr“ unters unbedarfte Volk bringen und in die Welt posaunen können, sondern dass – endlich – Frauen wie jene in Ruanda, wie Martha Mulser und andere wie sie,  ihre Geschichte/n von ihrer Wirtschaft erzählen können, und dass sie das Gehör und die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen. Am besten nicht nur hin und wieder, unter "ferner liefen", ausnahmsweise oder nur dann, wenn es - ein Mal im Jahr - um Auszeichnungen geht, oder um Gedenktage. An ihnen und ihren Maßstäben sollte vielmehr "die Wirtschaft" künftig "wachsen" dürfen: In die Breite und in die Tiefe.

NB: Sehr beachtenswert finde ich übrigens auch den Preis, mit dem das italienische Landwirtschaftsministerium die Siegerinnen des Wettbewerbs belohnt, denn der ist einmal NICHT das Wellness-Wochenende im 5-Sterne-Hotel, er ist keine Kreuzfahrt und auch kein Shopping-Trip in Mailand oder Paris… es ist vielmehr, wir vernehmen’s mit Freude und Zuversicht,  er ist „eine Reise durch Europa, auf der die prämierten Unternehmerinnen innovative, ländliche, bäuerliche Betriebe anschauen und politische Gespräche führen werden.“ 

Bild
Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Fr., 09.05.2014 - 07:45

Ein gelungenes Beispiel für "weibliche Wirtschaft": die augsburger Unternehmerin Sina Trinkwalder. Jung, erfolgreich und offensichtlich glücklich. Ihr Vorbild? Margarete Steiff „Auch sie hat sich gegen alle Widerstände durchgesetzt, ihr Geschäft aus eigener
Kraft hochgezogen und mit außerordentlichen Ideen vielen Frauen
Arbeitsplätze gegeben". Der Kommentar "männlicher Wirtschaft", bei "Hart aber fair"? " Sie sind eine Nonne, ihr Modell ist nicht übertragbar auf unsere Gesllschaft". So einfach ist das. Entwürdigende Einkommensscheren sind es offensichtlich schon.

Fr., 09.05.2014 - 07:45 Permalink