Gesellschaft | Entgleistes Gedenken

Der Brennerbahn-Jubiläums-Lok-Flop

Österreich ist Garantiemacht der Südtiroler Autonomie. Ist dies im Bewusstsein von dessen Staatsbahnen nicht angekommen? Doch an diesem Desaster sind andere schuld.
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Foto: Fotos und Videos: © info24 Fotos, Videos und Informationen zum öffentlichen Verkehr in der Schweiz u

Die Brennerbahn feiert ihr 150-jähriges Jubiläum. Die ÖBB hat eine Jubiläumslok gestaltet. Bei solchen Lokomotiven werden oft Modellbahnhersteller als Sponsoren aktiv, denn die Sondermodelle werden von Sammlern gerne gekauft. Folglich stehen die Firmen Fleischmann und Roco als Sponsoren auf der Lok.

Nur zwei Dinge sind äußerst ärgerlich: Die Namen der Südtiroler Orte, Bozen und Brixen, stehen nur in italienischer Sprache auf der Lok drauf. Die Südtiroler Schützen kritisieren dies und ja: sie haben recht!  Man muss einfach wissen, welche Kränkung es für die einheimische Bevölkerung war und noch ist, dass die italienischen Faschisten die deutschen Ortsnamen verboten hatten. Wenn Südtiroler Orte draufstehen, dann bitte in beiden Landessprachen. Alles andere ist politisch unangemessen. Südtirol hat eine Kultur der Zweisprachigkeit entwickelt, die sollte auch auf einer Gedenklokomotive dokumentiert sein, zumal die Informationssysteme der Deutschen Bahn, der ÖBB und auch der Italienischen Staatsbahnen bei südtiroler Bahnhöfen automatisch die Namen in beiden Sprachen aufführen. Es ist schlichtweg eine politische Instinktlosigkeit, die man bei der Staatsbahn des Landes, das Garantiemacht der südtiroler Autonomie ist, nicht vermuten dürfte.

Jetzt kommt aber der technische Jubiläumslok-KO:

Die Jubiläumslok ist eine Taurus-Lok von der Baureihe 1116. Diese Baureihe kann nur auf Strecken mit 15.000 Volt oder 25.000 Volt fahren. (https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens_ES64U2) Also nicht in Italien! Denn dort wird mit 3000 Volt Gleichstrom gefahren. Um in Italien fahren zu können, müsste es eine Taurus-Lok der Baureihe 1216 sein, denn die kann auch mit 3000 Volt Gleichstrom auf der Brenner-Südstrecke verkehren und verfügt über die passende sicherheitstechnische Ausstattung. (https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens_ES64U4)

Die Brennerbahn ist Teil der Verkehrsachse Berlin - Palermo und hat eine wichtige verbindende Funktion für Gesamteuropa. Was ist das für eine gesamteuropäische Jubiläumslok, der in der Mitte des Bahnhofes Brennero - Brenner aufgrund des Wechsels der Stromsysteme der Saft ausgeht? Die dann auch noch von einer alten, stinkigen Diesellokomotive nach Österreich zurückgeschoben wird? Das ist doch nur noch blamabel!

Hat denn die ÖBB überhaupt 1216-Loks mit Italien-Ausstattung?

Die Taurus-Lokomotiven 1216 01 bis 25 der ÖBB können in Italien fahren. Einige sind als "Italien-Loks" mit der Tricolore geschmückt worden. Sie werden im Intercityverkehr über den Brenner zwischen München bis Venedig und Verona eingesetzt. Erst kürzlich wurde die italientaugliche Lok 1216 018 in das Design des Railjet umlackiert, obwohl keine Railjets über die Brennerachse verkehren. Dieser Taurus verkehrt nun auf der Ost-Westachse. Seine technische Ausstattung für Italien ist in diesem Einsatzgebiet eine Fehlinvestition. Dabei wäre doch eine Brennerbahn-Jubiläumslok, die die Brennerstrecke von Innsbruck bis Verona und sogar noch weiter befahren könnte, so symbolträchtig gewesen. Nun gibt es zwar eine Brennerjubiläumslok, die kann aber die Brennerachse nicht zur Gänze befahren. Einfach nur lächerlich.

Lag es nun an den Sponsoren, den Modellbahnherstellern Fleischmann und Roco? Beide haben beide Taurus-Versionen im Angebot. Und genau hier liegt der Hund begraben: Auf der ÖBB-Facebookseite legt die Presseabteilung dar, dass die Brennerbahnjubiläumslok ein Projekt der Modellbahnhersteller Roco und Fleischmann ist. Die ÖBB vermietet lediglich die Lokomotive als Werbefläche. So ein Werbeauftritt kostet bei der ÖBB 54.000 € im Jahr (http://werbung.oebb.at/file_source/corporate/werbung-site/Downloads/OeBB_Werbung_Lokbranding_2017.pdf). Die künstlerische Gestaltung des Werbeauftritts und dessen Finanzierung sind Sache des Bestellers. Kunden waren schon die Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz, der ÖAMTC und die Achensee-Schiffahrt. Auch Modellbahnhersteller gestalten Lokomotiven, um den Verkauf von Sondermodellen zu fördern wie in diesem Fall.

Also eigentlich, so von mir als Europäer betrachtet, ist die Umsetzung einer guten Idee missglückt: Das liegt nicht nur an südtiroler Empfindlichkeiten in der Ortsnamensfrage sondern vor allem an der Auswahl des Fahrzeugs für die Jubiläumslok! Die 1116 159 zu wählen, war eine technische Fehlentscheidung. Es ist einfach nur ärgerlich!

Doch mal ganz ehrlich, Roco und Fleischmann, wir müssen miteinander reden! Ihr kennt doch Eure Kunden, wie sie als Eisenbahnbesessene auf den Bahnhöfen, an den Streckenrändern und auf Brücken über Bahnstrecken herumlungern. Sie stehen da wie pubertierende Oberschüler vor dem Mädchengymnasium, um die Faszination von Weite, Sehnsucht nach Ferne, Kraft und Technik zu erleben. Mit Euren Modellen macht Ihr in ihnen die sinnliche Erfahrung von der Faszination Eisenbahn lebendig. Sie hören das Singen der Motoren, das Quietschen der Bremsen. Sie riechen den Rauch und spüren den typischen Geruch des Abschmierfettes in der Nase. Und nun gestaltet Ihr eine Brennerbahnjubiläumslok - ein Traum von Ferne, des Erlebens einer technischen Meisterleistung, der Freude einer Reise nach bella Italia - und dann wird die Lok in Brennero Brenner ausgebremst, weil Ihr die falsche Baureihe gewählt habt. Das ist wie ein erotischer Traum vom Coitus interruptus! Geht's noch?

Man könnte zwar noch die Ortsnamen auf der Lok ändern, doch eine neue Brennerjubiläumslok diesmal von der richtigen Baureihe 1216 wäre fällig. Alles andere ist Flickschusterei an einer absolut genialen Idee, die sich aber nicht mehr wiederholen lässt. Beim nächsten großen Brennerbahnjubiläum zum 175. fährt die Bahn durch den Basistunnel. Im Tunnel sind alle Lokomotiven grau und farblos.

Nachdem die SAD sogar einen eigenen Zug zwischen Bozen und Innsbruck anbietet, der von einem 1216-Taurus geführt wird, vielleicht sponsert die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino eine eigene Jubiläumslok. Wegen der gesamteuropäischen Bedeutung sollte man das Geld ruhig auf den Tisch legen. Da sollten die südtiroler Ortsnamen dann zweisprachig draufstehen oder besser auch noch Trento und Rovereto. Denn die vor 150 Jahren eingeweihte Brennerbahnstrecke verlief ja von Innsbruck bis an die damalige Grenze zwischen Königreich Italien und k.u.k. Österreich-Ungarn bei Ala. Die Brennerbahn ist immer noch eine technische Meisterleistung von gesamteuropäischer Bedeutung. So wie auch heute der 1216-Taurus, der die Strecke durchgängig befahren kann.