Kultur | Video del venerdì

Beat Noir Deluxe

Ein Autounfall und seine Folgen. Unter anderem die Musik ist es, mit der Sascha Giacomuzzi das Geschehene verarbeitet: Beat Noir Deluxe, ein Mix aus Synthpop und Darkwave
Beat Noir Deluxe
Foto: Paolo Brillo

Es war 2017 als Sascha Giacomuzzi bei einem schweren Autounfall in Spanien haarscharf dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Etliche Monate und Operationen später reifte der Entschluss in ihm immer mehr, wieder vermehrt Musik zu machen. Und er meint es ernst damit. Das Projekt heißt Beat Noir Deluxe und man hört direkt, dass der Bozner Unternehmer in seinen Songs vieles verarbeitet hat und immer noch einiges zu bewältigen versucht. Er nimmt uns mit auf seine ganz persönliche Reise, er lässt uns eintauchen in manchmal etwas dunklere Sphären, aber stets mit einer Art Licht am Ende des Tunnels in Sicht, man kann die Geschehnisse förmlich spüren, doch trotzdem bleibt reichlich Platz für eigene Deutungen...

„Never do what cannot be undone“ ist die Single-Auskopplung seines ersten Albums, das – man muss es sagen – passenderweise den Titel „Crash“ trägt. Im Interview spricht Sascha Giacomuzzi über seine Anfänge, das einschneidende Ereignis des Unfalls, die Stütze, die er in der Musik gefunden hat und seine Pläne und Träume für die Zukunft...

 

salto.bz: Der Song „Never do what cannot be undone“ ist Teil deines ersten Albums „Crash“ - wie würdest du den Song beschreiben? Was bedeutet er für dich?

Sascha Giacomuzzi: Im Song geht es um falsche Prediger und die Konsequenzen des eigenen Handelns. Ich finde der Song hat starke Lyrics, allerdings lässt er sehr viel Interpretationsspielraum, und das war gewollt so.

Im Song geht es um falsche Prediger und die Konsequenzen des eigenen Handelns. Ich finde der Song hat starke Lyrics, allerdings lässt er sehr viel Interpretationsspielraum, und das war gewollt so.

 

Beat Noir Deluxe - Never do what cannot be undone (official video)

 

Wer zeigte sich für das dazugehörende Musikvideo verantwortlich?

Wie alle meine bisherigen Videos (bisher schon vier Videos online) wurden sie in Zusammenarbeit mit Thomas Perathoner von 44Production gemacht. Thomas ist ein sehr begnadeter Regisseur und hat es jedes Mal geschafft, der Musik die richtige Stimmung zu geben und ein tolles Storytelling einzubauen.

 

Du hast schon als Student begonnen Musik zu machen? Wie war dein Bezug zur Musik?

Ich habe mit 15 Jahren angefangen Schlagzeug in einer Band zu spielen, seit ich sieben bin, hatte ich Klavier-Unterricht und mit 18 habe ich mir das Gitarre-Spielen beigebracht. Von 1993 bis 2000 habe ich in Wien studiert. Ich habe da in mehreren Bands gespielt, meist auf Studenten-Partys, zunächst Schlagzeug, später habe ich dann mit Synths und PC angefangen Songs zu arrangieren und komponieren. Wir hatten viel Spaß, ich war mit fünf Jungs in einer WG, alle haben sehr viel Musik gehört und entsprechend viele CDs besessen. Damals war ja Musik nicht so leicht zugänglich wie heute, sprich: wir haben uns gegenseitig sehr beeinflusst und Musik ausgetauscht, alles im Alternative/Industrial/Dark-Bereich. So habe ich viele Bands kennengelernt und sehr viele tolle Livekonzerte erlebt.

 

Dann kamen fast 20 Jahre Pause. Dein schlimmer Autounfall 2017 in Spanien war mit ein Grund für den Entschluss wieder Musik zu machen, stimmt das?

Nach meinem Studium, zurück in Südtirol, habe ich noch in einer Alternative Rock Band (Aneu Somatos) Schlagzeug gespielt und in einer Band (In Coitus) elektronische Musik gemacht. Das ging ein paar Jahre, die Bands gingen aus verschiedenen Gründen auseinander. Und salopp gesagt, habe ich mich danach darauf konzentriert, eine Familie zu gründen und Geld zu verdienen. Der 17. März 2017 dann war der schlimmste Tag in meinem bisherigen Leben. Eine Sekunde, ein Auto das auf uns zukommt und dann nichts mehr... Mit mir im Auto waren auch meine Frau und meine drei Kinder (damals drei, fünf und acht Jahre alt). Mich hat es am schlimmsten erwischt, ich war im Koma, hatte 16 OPs und habe sehr, sehr viel Zeit im Krankenhaus und später zuhause im Bett verbracht. Meine Frau wurde auch schwer verletzt, sowie auch meine große Tochter. Aber: Kindersitze retten Leben. Wir hatten alle großes Glück, heute geht es allen wieder relativ gut. Dieses Erlebnis hat mir sehr konkret vor Augen geführt, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Die zwei Monate im Krankenhaus und danach zuhause im Krankenbett liegend hätte ich ohne Musik nicht geschafft. So ein Trauma macht viel mit einem, das Bewusstsein, dass man um wenige Zentimeter dem Tod entgangen ist oder vor allem der Gedanke, dass man die Personen, die man am meisten liebt, verlieren hätte können. So hat sich bereits im Krankenhaus der Wunsch gefestigt, wieder Musik zu machen.

Eine Sekunde, ein Auto das auf uns zukommt und dann nichts mehr. (...) So ein Trauma macht viel mit einem, das Bewusstsein, dass man um wenige Zentimeter dem Tod entgangen ist oder vor allem der Gedanke, dass man die Personen, die man am meisten liebt, verlieren hätte können.

Könnte man also sagen, dass du in deinen Songs eigene Erfahrungen verarbeitest?

Zum Teil ja, ansonsten gehe ich mit offenen Augen durch die Welt und verarbeite was mir nahegeht oder versetzte mich in Situationen oder Stimmungen rein, die ich passend zur Musik finde. Die „Inspiration“ für den Song „Morphine“, die erste Single die im November rauskam, war mein Unfall. Das Video dazu beginnt auch mit Röntgenaufnahmen meiner kaputten Knochen. Auf der Intensivstation bekam ich starke Dosen von Morphin, entwickelte dann auch eine starke Abhängigkeit. Morphin nimmt die Schmerzen komplett und bringt sogar Wohlbefinden (ist ja Opium), es hat mich in eine Parallel-Welt versetzt mit absurdesten Situationen, die absolut real wirkten. Ich habe die Krankenschwestern und Pfleger sehr auf Trab gehalten... (lacht)

 

Beruflich bist du in der IT-Branche zuhause, bleibt da für die Musik noch genug Zeit?

Die Antwort ist, dass eigentlich nicht genug Zeit bleibt, die Zeit muss man sich nehmen. Aber da das Leben schneller vorbei sein kann, als man denkt, habe ich mir die Zeit eben genommen. Ich habe die Songs von Frühjahr 2018 bis Herbst 2019 sukzessive einen nach dem anderen gemacht. Und habe sehr große Freude und Begeisterung dabei. Ich werde oft gefragt, wieso ich das alles mache (oder auch: mir das antue). Da steckt nämlich extrem viel Zeit drin. Ich hab mir das lange überlegt, da ich ja eigentlich ein sehr rationaler und sachlicher Typ bin, aber die einzig richtige Antwort ist: es ist ein Bedürfnis, das von innen kommt, wohl vom Herzen.

Ich werde oft gefragt, wieso ich das alles mache (oder auch: mir das antue). Da steckt nämlich extrem viel Zeit drin. Ich hab mir das lange überlegt, da ich ja eigentlich ein sehr rationaler und sachlicher Typ bin, aber die einzig richtige Antwort ist: es ist ein Bedürfnis, das von innen kommt, wohl vom Herzen.

Noch die obligatorische Frage zum Bandnamen: „Beat Noir Deluxe“...

Beat Noir war der Titel einer CD von Spahn Ranch, eine Band aus New York, die ich sehr mochte. Ich denke, dass der Namen zur Musik passt, und den Suffix Deluxe dazu fand ich treffend, da es mein Anspruch ist, hochwertige, nicht kommerzielle, alternative Musik zu produzieren.

 

 

Stichwort alternative Musik: trifft es die Beschreibung Alternative-Electro mit vielen verschiedenen Einflüssen?

Bei den vielen Rezensionen, die jetzt nach und nach erscheinen (und alle sehr positiv sind) erfahre ich viel über wie meine Musik wirkt und was ich eigentlich für einen Musikstil habe... Effektiv gibt es viele Einflüsse... Und das wirklich schöne ist, dass ich einfach Musik mache, so wie sie mir am besten gefällt. Mit dem Singen habe ich ja eigentlich auch erst nach dem Unfall vor drei Jahren angefangen. Aber am passendsten finde ich es meine Musik als eine Mischung aus Synthpop und Darkwave zu bezeichnen.

 

Gibt es Bands, die dein musikalisches Schaffen geprägt haben? Wie verliefen deine verschiedenen musikalischen Phasen?

Meine Heavy Metal Phase wurde von Alice Cooper und Judas Priest initiiert, Faith No More habe ich geliebt, meine Britpop Phase durch Blur und Pulp, danach wurde es elektronischer und düsterer, von Depeche Mode bis Industrial Bands, eine Zeit lang auch Ambient, dann sehr viel Trip-Hop mit Portishead und Massive Attack.

 

Und welche würdest du als deine Lieblingsband bezeichnen?

Meine Lieblingsbands bis heute: VNV Nation, Covenant und De/Vision. Außerdem habe ich vor kurzem auf Spotify eine Playlist „Alternative 90ies“ gefunden... da habe ich mich total wiedergefunden.

 

Was bedeutet Musik für dich?

Musik gibt mir persönlich sehr viel, ein Gefühl des Wohlbefindens, ich kann mich darin komplett verlieren und fallen lassen. Eine Blase der Geborgenheit. Ich denke, das geht vielen Leuten so. Eine gewisse Musik kann für eine Lebenseinstellung oder für Freiheit stehen, aber um die Welt positiv zu verändern, braucht es leider viel mehr. Aber einen Soundtrack dazu zu haben ist immer gut.

Eine gewisse Musik kann für eine Lebenseinstellung oder für Freiheit stehen, aber um die Welt positiv zu verändern, braucht es leider viel mehr. Aber einen Soundtrack dazu zu haben ist immer gut.

 

 

Was für Pläne hast du in nächster Zeit?

Es war ja eine große Release Party in Bozen geplant, dann kam Corona. Das werden wir nachholen, sobald möglich. Dann würde ich gern auf Festivals spielen. Und ich habe nicht aufgehört Songs zu schreiben.

 

Du bist auf Platz 5 der Deutschen Alternative Charts eingestiegen. Bist du darüber überrascht?

Es ist eine große Freude und Genugtuung. Ich habe viel Zeit und Geld in das Projekt investiert und konsequent daran gearbeitet: vom Auftritt, den Videos und der Produktion her. Als Produzenten habe ich Krischan Wesenberg gewinnen können, er ist sehr bekannt in der alternativen Elektronischen Musikszene und Mitglied der Formation Rotersand. Und das Deutsche Label Echozone macht auch sehr gute Arbeit.

 

Und als Abschluss des Interviews die Frage, was dein größter Wunsch abseits der Musik wäre?

Ich habe drei Kinder und das Gefühl - heute mehr denn je - dass meine Generation total versagt hat, die Welt besser zu machen. Die Hoffnung ist, dass wir unseren Wohlstand behalten können, diesen aber gerechter verteilen und die Welt dafür im Gegenzug nicht zu einem zugemüllten Drecksloch machen.