Der hektische Regierungswechsel
Alles ging im Eiltempo vor sich: zwei Regierungserklärungen in Kammer und Senat, zwei Vertrauensabstimmungen, die Vereidigung vor dem Staatspräsidenten, dem man noch wenige Tage vorher mit impeachment gedroht hatte - und dann sass der Politik-Neuling Giuseppe Conte auch schon in der Regierungsmaschine, um Italien beim G7 in Kanada zu vertreten.
Unvermeidlich schien, dass der Rechtsprofessor dabei Opfer seiner Unerfahrenheit werden würde. "Lo posso dire, Luigi ?", flüsterte er zwischendurch dem Fünf-Sterne-Vorsitzenden Luigi De Maio zu - wie ein Schüler, der sich an den Lehrer wendet. In der Aufregung brachte er in der Kammer seine Manuskriptseiten durcheinender, wusste keine geeigneten Antworten auf bissige Fragen, die vor allem aus dem Lager des Partito Democratico auf ihn einprasselten. Erbarmungslos zeigte sich dabei vor allem der scheidende Verkehrsminister Graziano Delrio, der den neuen Regierungschef regelrecht abkanzelte.
"Daremo battaglia", kündigte Maurizio Martina lautstark an - Vorsitzender einer Partei, die in der abgelaufenen Legislatur vor allem durch Dauergezänk aufgefallen ist und der bereits am Sonntag bei den Gemeindewahlen ein weiteres Desaster droht.
Die neue Regierung weist etliche Schönheitsfehler auf. Obwohl in Italien Frauen die Mehrheit der Bevölkerung bilden, stellen sie in der Regierungsmannschaft nur ein Viertel.
Einige der hochtrabenden Regierungspläne sind bereits wieder in der Versenkung verschwunden - etwa die flat tax. Der Unternehmerverband wünscht stattdessen jene Entbürokratisierung der Steuerbestimmungen, die Giuseppe Conte schon im Vorfeld der Wahlen versprochen hatte.
Der oberste Populist der Regierung rührt derweil die Trommel gegen die Migranten. Mit der Äusserungen, "Tunesien schickt uns jede Menge Zuchthäusler" hatte Matteo Salvini schon vor dem Vertrauensvotum einen diplomatischen Eklat provoziert - mit Einbestellung des italienischen Botschafters in Tunis. Und das in einem der wenigen Länder, das wöchentlich die Rückführung von 80 Migranten in zwei Chartermaschinen akzeptiert. Bei der Vertrauensabstimmung blieb der Platz des Vizepremiers leer - Salvini war unverfroren zu einer Wahlkundgebung nach Brindisi geflogen. Die Migranten will er in Zukunft wegsperren - in geschlossene Lager. Beim Empfang in der russischen Botschaft zum Nationalfeiertag war der Lega-Chef und Putin-Verehrer willkommener Ehrengast. Für die Amtsübergabe im Innenministerium dagegen hatte er bisher keine Zeit - dafür wartete er mit der bizarren Forderung nach Wiedereinführung des Militärdienstes auf. Beim Stil Salvinis sind Reibungen mit Di Maio kaum zu vermeiden, der ebenfalls das Amt eines Vizepremiers bekleidete. Der ging es wesentlich geschickter an: auf der Vollversammlung der Kaufleutevereinigung Confcommercio liess er sich mit der Ankündigung beklatschen, es werde keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben. Das stand freilich bereits fest.
Jetzt ruht die Regierungsarbeit erneut und die Spitzenpolitiker befinden sich wieder auf Wahlkampftour. Salvini tritt am Freitag u.a. in Brescia auf, wo der regierende Partito Democratico unter massivem Druck steht. In der Toskana muss er versuchen, die letzten roten Hochburgen Siena und Pisa zu verteidigen. Im Veneto, wo die Lega nach Umfragen fast 40 Prozent erreicht, könnte der PD Vicenza und Treviso verlieren, Schauplätze der zwei folgenschweren Skandale der Popolare di Vicenza und Veneto Banca. Alles andere wird auf nächste Woche verschoben.
Unter eingefleischten M5S-Anhängern verursachten mittlerweile die Bilder vom Abflug Contes nach Kanada Naserümpfen. Denn der Premier sass genau im selben "aereo blu", dessen Anschaffung durch Renzi unzählige Polemiken ausgelöst hatte und der rund 40.000 Euro pro Stunde kostet. Die Bewegung teilte dazu mit, man habe kurzfristig versucht, Plätze auf Linienmaschinen zu buchen. Das sei jedoch gescheitert.