Umwelt | Interview

“Die Jagd ist nicht Willkür”

Wenn es um die Jäger geht, wünscht sich der Geschäftsführer im Südtiroler Jagdverband Benedikt Terzer eine Debatte “ohne Hysterie” – und Unterstützung des Landes.
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Foto: Südtiroler Jagdverband

Wie passen die Rettung von Rehkitzen, die die Südtiroler Jägerschaft jedes Jahr im Frühsommer durchführen, mit der Jagd auf die Tiere wenige Monate später zusammen? Seit 2019 ist Benedikt Terzer Geschäftsführer im Südtiroler Jagdverband. Als Jurist weiß er, ob Südtirol die Kitze besser vor dem Tod unter den Mähmessern schützen könnte. Als Jäger sieht er auch die Notwendigkeit, Problemtiere zu entnehmen – selbst wenn es sich dabei um geschützte Arten handelt.

salto.bz: Herr Terzer, warum sehen es Jäger als ihre Aufgabe an, im Frühsommer Rehkitze vor dem Tod zu bewahren?

Benedikt Terzer: Weil die Jagd viel mehr ist als nur das Erlegen von Wildtieren. Die Jägerschaft nutzt das Wild nicht nur, sondern will auch, dass es dem Wildbestand gut geht. Das ist so ähnlich wie bei einem Bauern oder einem Hirten – der schaut ja auch auf seine Tiere. Deshalb setzen sich die Jäger gemeinsam mit anderen Akteuren auch für die Erhaltung, Pflege und Verbesserung des Wildlebensraumes ein. Jedes Jahr leisten sie zum Beispiel tausende Arbeitsstunden auf den Almen, um zu verhindern, dass diese zu sehr zuwachsen oder verbuschen und Lebensraum für seltene Tierarten verloren geht. Eine andere Maßnahme zugunsten des Wildes ist die Anbringung von blauen Wildwarnreflektoren an Leitplanken und -pfosten am Straßenrand. In Südtirol gibt es sehr viele Wildunfälle im Straßenverkehr, an die 1.000 pro Jahr, also drei am Tag, bei denen Tiere getötet oder schwer verletzt werden. Sehr viele Jagdreviere sind bereits aktiv geworden und installieren gemeinsam mit dem Straßendienst Wildwarnreflektoren. Freiwillig und ohne Auftrag.

Auch für die Rehkitzrettung haben die Jäger keinen Auftrag?

Nein, das geschieht aus Eigeninitiative, ausgehend von der Verantwortung des Jägers als jemand, der in der Natur unterwegs ist und die Notwendigkeit spürt, eine Lösung für ein Problem zu suchen. Jäger sehen um diese Jahreszeit tagtäglich, wieviel Tierleid verursacht wird, wenn ein Kitz unter die Mähmesser kommt und tun etwas dagegen. Mit unserem Jagdsystem haben wir in Südtirol einen großen Vorteil.

Welchen?

Hier dürfen die Bürger in ihrer Wohnsitzgemeinde selbst zur Jagd gehen. In Deutschland und Österreich ist das anders. Dort kommen Leute von auswärts und pachten für viel Geld ein Revier. Bei uns sind die einheimischen Jäger im Revier unterwegs und haben selbst das größte Interesse an einem gesunden Wildtierbestand und daran, dass Tierleid verhindert wird.

Vielen ist nicht bewusst, dass die Jagd hierzulande nach strengen Kriterien und nicht nach Willkür abläuft

Wie ist die Gesetzeslage?

In Deutschland verpflichtet das Tierschutzgesetz die Landwirte, ihre Wiesen vor dem Mähen nach Rehkitzen abzusuchen. Wer diese Vorsorge nicht trifft und ein Jungtier vermäht, dem drohen Strafen. Dort hat es einige Präzedenzfälle gegeben und dann dutzende Urteile, die die Sache inzwischen ganz klar erscheinen lassen: Aufgrund von Paragraph 17 des deutschen Tierschutzgesetzes macht sich jemand strafbar, wenn er keine Vorsorge vor der Mahd trifft und ein Rehkitz verletzt oder tötet. In diesem Fall ist also ein Straftatbestand und eine strafrechtliche Verantwortung gegeben. In Italien ist die Situation gar nicht viel anders. Allerdings gibt es in Italien interessanterweise kein Präzedenzurteil. Zumindest habe ich bei einer Recherche in der Rechtsdatenbank keines gefunden. Es gibt aber rechtliche Aufhänger im Bereich des Tierschutzes.

Wo?

In zwei Artikeln im Strafgesetzbuch: 544 bis und 544 ter. Beide wurden erst 2004 eingeführt. 544 bis bezieht sich auf die ungerechtfertigte Tötung eines Tieres: Wer aus Grausamkeit oder ohne Notwendigkeit den Tod eines Tieres verursacht, wird mit einer Haftstrafe von vier Monaten bis zu zwei Jahren bestraft. 544 ter bezieht sich auf die Tierquälerei: Wer aus Grausamkeit oder ohne Notwendigkeit ein Tier verletzt oder quält, wird mit einer Haftstrafe von drei bis zu 18 Monaten oder einer Geldstrafe von 5.000 bis 30.000 Euro belegt. Das heißt, auf dem Papier gäbe es entsprechende Straftatbestände, die aber – das ist wichtig – genauso wie in Deutschland vorsätzliche Straftaten voraussetzen.

Inwiefern ist das wichtig?

Wenn jemand fahrlässig handelt, ist es kein Fall von strafrechtlich relevanter Tierquälerei – der besteht erst in dem Moment, wo es einen Vorsatz gibt. Allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zusehends, denn es gibt auch den so genannten bedingten Vorsatz: eine grobe Form von extremer Fahrlässigkeit. Bedingter Vorsatz und strafbar wäre es dann, wenn jemand billigend in Kauf nimmt, ein Kitz zu töten.

Was heißt das?

Wenn jemand, obwohl er weiß, dass im Vorjahr Rehkitze in seiner Wiese waren, trotzdem mäht ohne irgendwelche Vorsorgemaßnahmen getroffen zu haben, macht er sich strafbar. So sagt es die deutsche Rechtsprechung.

De Fanatiker sehen sich in der Debatte um Bär und Wolf selbst im Weg

In Italien sind Grundbesitzer oder Bauern zu keinerlei Vorsorgemaßnahmen verpflichtet?

Wenn wir so wollen, leitet sich die Verpflichtung in Deutschland von Paragraph 17 im Tierschutzgesetz ab. In Italien könnte man durchaus dieser Auslegung folgen und sagen, aus dem Strafrecht leitet sich eine bestimmte Pflicht ab. Denn das Strafgesetzbuch sagt ja ganz klar: Ich darf kein Tier ohne Notwendigkeit verletzen oder gar töten.

Könnte Südtirol als Autonome Provinz in diesem Bereich selbst gesetzgeberisch tätig werden und konkretere oder strengere Normen einführen?

Das ist eine gute Frage. Vor zwei Jahren ist die Diskussion in Südtirol ja etwas hochgekocht, als es um die Frage ging: Tierschutz in die Verfassung, ja oder nein? 2022 hat es schließlich eine Verfassungsänderung gegeben: Mit dem Verfassungsgesetz 1/2022 wurde Artikel 9 der italienischen Verfassung dahingehend abgeändert, dass die Zuständigkeit für den Tierschutz beim Staat liegt. Er legt die Arten und Formen des Tierschutzes mit Gesetz fest. Das bedeutet, die Möglichkeiten des Landes, hier tätig zu werden, sind weitgehend ausgehebelt.

Umso wichtiger dürfte das “Herwärts Schauen” der Bauern sein, um Kitze zeitgerecht vor dem Mähtod retten zu können. Wie groß ist die Sensibilität der Südtiroler Landwirte für das Thema?

Erfreulicherweise gut. Die Revierleiter, Jagdaufseher und Beteiligten berichten häufig, dass die Landwirte sehr dankbar für den Service sind und die Jäger bitten, vor dem Mähen nach Kitzen zu suchen. Denn wer schon einmal ein Rehkitz zermäht hat, der will das nicht noch einmal erleben. Außerdem haben wir als Jagdverband auch schon mit dem Südtiroler Bauernbund und mit Bioland einen Workshop für Landwirte und Reviere zum Thema Kitzrettung angeboten.

Dabei kommen heute vermehrt Drohnen zum Einsatz. Reichen die immer aus?

Die Drohne ermöglicht es, in relativ kurzer Zeit große Flächen abzusuchen. Wenn wir, wie heuer, eine Periode mit wechselhaftem Wetter haben und sich dann eine Schönwetterperiode auftut, wollen die Landwirte möglichst rasch und alle gleichzeitig das Heu in die Scheune bringen – in kurzer Zeit wird sehr viel gemäht. Da können die Maßnahmen zur Kitzrettung an die Grenzen ihrer Kapazität stoßen. Die einzige Möglichkeit ist, noch mehr aufzurüsten. Einige Reviere haben bereits eine zweite Drohne angeschafft. Die Jäger sind in dieser Sache sehr ehrgeizig – sie haben ja keine Verpflichtung, sondern machen es aus freien Stücken und aus Überzeugung.

In Italien ist die rechtliche Situation gar nicht viel anders als in Deutschland – allerdings gibt es kein Präzedenzurteil

Zum ehrenamtlichen Einsatz kommt ein nicht unwesentlich finanzieller.

Ja. So eine Drohne kostet, mit entsprechenden Zusatzakkus, an die 7.000 bis 8.000 Euro. Dafür müssen die Reviere – bis auf einige Fälle, in denen Lokalbanken sie unterstützen – selbst aufkommen. Dazu kommt die Frage nach der – gesetzlich vorgeschriebenen – Haftpflichtversicherung für die Drohne. Der Pilot hat eine große Verantwortung: Falls die Drohne einen Menschen verletzt oder sonst einen Schadensfall verursacht, ergeben sich gleich eine Menge Haftungsfragen. Wir haben uns jahrelang bemüht, eine Lösung zu finden. Ursprünglich hätten wir für 30 Drohnen landesweit 9.000 Euro Versicherungsbeitrag im Jahr zahlen müssen. 2022 ist es uns endlich gelungen, die Drohnen in die Versicherung des Jagdverbandes mit aufzunehmen – für die Reviere entstehen keine Kosten. Zumindest diese Sorge haben wir ihnen abnehmen können. Denn direkte Beiträge vonseiten des Landes gibt es für die Kitzrettung keine. In Österreich und Deutschland ist das anders.

Wäre finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes notwendig oder wünschenswert?

Eine Förderung wäre auf jeden Fall wünschenswert, ja, und würde der gesamten Aktion einen weiteren Schub verpassen. Denn es gibt einige Reviere, die sich eine Drohne nicht leisten können. Wir haben schon den Wunsch platziert und auch die Reviere haben immer wieder Anfragen an das Land gestellt. Im Moment sind wir da noch nicht recht weitergekommen, hoffen aber, dass uns das Land in Zukunft doch entgegenkommt und eine kleine Unterstützung einführt. Das wäre auch ein zusätzliches Zeichen der Wertschätzung.

Die Jagd bedeutet kein Tierleid und ist somit unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes kein Problem

Die Rehkitzrettung läuft von Mai bis Juli. Und dann endet der Einsatz der Jäger für den Tierschutz? Schließlich dürfen laut dem Landesjagdgesetz von 1987 Rehkitze und ihre Muttergeißen zwischen 1. September und 15. Dezember jeden Jahres gejagt werden.

Zunächst eine Klarstellung: Muttertiere, also trächtige und Geißen, die ihre Jungen säugen, genießen größten Schutz und werden keinesfalls erlegt. Das gilt für alle Wildarten – die Jäger sind die allerersten, die so etwas absolut nicht tolerieren würden. Die Frage, die Sie ansprechen, ist eine ganz wichtige – und ich kann sie auch ganz klar beantworten.

Bitte.

Die Kitzrettung ist eine Frage des Tierschutzes. Dank des Einsatzes der Jägerschaft, der Jagdaufseher, der guten Zusammenarbeit mit den Landwirten, und auch freiwilligen Helfern, sind wir imstande, schlimmes Tierleid zu verhindern. Allein 2022 haben wir 1.300 Kitze vor den Messern gerettet.

Und laut Jagdstatistik 7.403 Rehe erlegt.

Ja genau, das stimmt. Das ist annähernd die Zahl der Reh-Abschüsse, die die Jäger per Gesetz im Jahr 2022 zu tätigen hatten. Das Landesjagdgesetz verlangt nämlich die Erfüllung des Abschussplanes von Reh-, Rot- und Gamswild, um Schäden an Land- und Forstwirtschaft möglichst gering zu halten. Wenn Jäger ihre Hausaufgaben nicht machen, drohen gesalzene Sanktionen vonseiten des Landes, wie wir unlängst gesehen haben.

Was ist passiert?

2022 haben vier Jagdreviere saftige Geldstrafen bekommen, weil sie den Abschussplan nicht ausreichend erfüllt haben. In zwei Fällen gab es Strafen von jeweils 18.000 Euro – für die Revierleiter. Die Abteilung Forstwirtschaft hat die Strafen nach einem Einspruch der Reviere ungefähr halbiert, für einen ehrenamtlich tätigen Revierleiter ist aber auch diese Summe beim besten Willen nicht zumutbar. Die Fälle zeigen uns jedoch eines: Wenn die Jäger die vorgegebenen Abschusspläne nicht erfüllen, dann stellt das Land die Rute ins Fenster.
Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass die Jagd hierzulande nach strengen Kriterien abläuft. Eine eigene Kommission legt für jedes Revier ein Kontingent fest, das erlegt werden muss. Muss! Ein Teil des Wildbestandes wird jedes Jahr abgeschöpft, damit die Bestände nicht allzu sehr anwachsen. Die Jagd ist die nachhaltige Nutzung eines von selbst nachwachsenden Naturgutes. Sie erfolgt ja nicht nach irgendeiner Willkür, sondern nach wildbiologischen Grundlagen. Die Bejagung imitiert sozusagen die Natur – und auch in der Natur sterben Tiere der Jugendklasse genauso wie mittelalte und alte Tiere.

Direkte Beiträge vonseiten des Landes gibt es für die Kitzrettung, anders als in Österreich und Deutschland, keine

Nicht für alle passen Rehkitzrettung und Rehjagd zusammen.

Das hören wir mitunter, von Einzelnen. Aber das zeigt, dass manche Leute manchmal eine etwas verquere Vorstellung der Situation haben. Zum Teil wird auch bewusst versucht, ein Zerrbild zu zeichnen und die Jäger anzupatzen. Die Kitzrettung ist eine Frage des Tierschutzes – wenn wir nichts tun, gibt es tausendfaches Leid. Die Entnahme von Wild ist eine Tätigkeit, die im Rahmen der geregelten Jagd erfolgt und die kein Tierleid erzeugt. Das ist der große Unterschied: Die Jagd bedeutet kein Tierleid und ist somit unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes kein Problem. Der angesehene Moraltheologe und Tierethiker Martin M. Lintner selbst sagt*, er sieht kein Problem in der Jagd – wenn sie geregelt abläuft und das Tier mit einem gezielten Schuss, ohne Angst, Stress oder Schmerzen aus dem Leben geholt wird. Außerdem klammert die Jagd all die Probleme aus, die wir in der Tierhaltung sehen: Es gibt keine Tiertransporte, Hormone, Medikamente, Massentierhaltung oder beengte Ställe, keinen Schlachtstress. Interessant ist, dass der WWF Deutschland zum Thema Fleischkonsum sagt: Wenn es um Fleisch geht, dann bitte möglichst immer auf heimisches Wildbret zurückgreifen, weil es allen anderen Fleischsorten überlegen ist.

Die Forderung, die Jagd abzuschaffen, gibt es nach wie vor.

Es gibt ein Märchen, das von bestimmter Seite wie ein Mantra immer wieder wiederholt und vorgebetet wird: Man muss nur die Jagd abschaffen, denn regelt sich der Wildbestand von alleine. Die Fakten zeigen uns aber, was die wirklichen Folgen eines Jagdverbotes sind.

Von welchen Fakten sprechen Sie?

Ein bekannter Fall ist der Schweizer Kanton Genf. Dort hat bei einer Volksabstimmung 1974 die Mehrheit der städtischen Bevölkerung gesagt, wir wollen die Jagd abschaffen. Die Jagd wurde abgeschafft – und wenige Jahre später hatten sich die Wildbestände so stark vermehrt, dass der Kanton reagieren musste. Und was hat man getan? Man hat Beamte anstelle der Jäger eingesetzt. Bis heute bezahlt der Genfer Steuerzahler Beamte, die die Aufgaben übernehmen, die die Jäger vorher ehrenamtlich durchgeführt haben.
Auch Südtirol war schon einmal von einem Jagdverbot betroffen. Im Stilfser Nationalpark wurde 1983 von Jagdgegnern ein Jagdverbot eingeklagt. Infolge hat sich das Rotwild so stark vermehrt, dass Wildseuchen aufgetreten und im Wald unwiederbringliche Schäden entstanden sind. Am Ende waren die zuständigen Stellen in Rom einsichtig. Inzwischen findet seit einigen Jahren auch im Nationalpark eine geregelte Form der Bejagung des Rotwildes statt. Die Jagd abschaffen per se, wie manche Leute fordern, ist keine Lösung, weil es in der Kulturlandschaft, in der wir leben, immer irgendeine Form des Ausgleichs braucht.

Zum Teil wird auch bewusst versucht, ein Zerrbild zu zeichnen und die Jäger anzupatzen

Der Tierethiker Lintner spricht sich im Sinne der Erhaltung eines natürlichen Gleichgewichts für eine gezielte Regulation des Wolf- und Bärenbestandes aus. Haben die Populationen inzwischen, dem Rotwild einst im Stilfser Nationalpark gleich, eine Größe erreicht, die das “natürliche Gleichgewicht”, das Lintner erwähnt, stören?

Im Prinzip geht es immer um dasselbe. Genauso wie Reh-, Rot- und Gamswild reguliert werden, braucht es auch für andere Wildarten, die sich stark vermehren, eine Bestandsregulierung. Das EU-Recht sieht diese Möglichkeit ja vor, auch wenn die Tiere einem anderen Schutzstatus unterliegen. Denn sonst entgleitet das gesamte System. In Europa gibt es gute Beispiele, wo nicht so hysterisch argumentiert wird wie in Italien: Die Länder im Osten, am Baltikum, aber auch Finnland und Schweden haben einen ganz entspannten Zugang zu der Thematik. In Italien wird indes ein solcher Eiertanz aufgeführt – bei einem Bären, der einen Menschen getötet hat. Da muss man sich schon fragen, wo Vernunft und Hausverstand geblieben sind. Die Slowenen etwa handhaben die Entnahme von Bären und Wölfen ganz pragmatisch, ohne Hysterie. Bei uns ist das eine hochemotionale Debatte – leider weit entfernt von der Wildbiologie und einem evidenzbasierten und wissenschaftlichen Ansatz. Hier sind nur Emotionen im Spiel, und Fanatiker versuchen, anderen ihre Ideologie aufzuzwingen.

“Viele Menschen, besonders Menschen im urbanen Raum, die oft keinen unmittelbaren Bezug zur Landwirtschaft oder zur Jagd haben, stellen sich die Frage: ‘Habe ich das Recht, ein Tier zu töten?’” Ist es so, wie Lintner sagt?

Im Endeffekt ist es eine Tierrechtsdebatte, die geführt wird. Das sind nicht mehr Tierschützer, wie Lintner auch immer sagt, sondern Tierrechtler, denen es um den Schutz jedes einzelnen Individuums geht. Sie verfechten das Recht auf Leben jedes einzelnen Individuums. Der Artenschutz sagt hingegen, ich muss die Population im Auge behalten – und für die Population macht es nichts, wenn ich von 150 Bären einen, zwei, fünf oder auch zehn erlege, die problematisch sind. Problemtiere entnehmen ist sogar besser, weil im Gegenzug die Akzeptanz in der Bevölkerung bestehen bleibt – weil es keine Probleme mit dem Bären gibt. Der Wildbiologe und Universitätsprofessor Klaus Hackländer hat die Sache neulich gut auf den Punkt gebracht: Der Mensch entscheidet darüber, ob Bären und Wölfe scheu sind. Wenn sie lernen, dass ihnen auch in der Nähe der Menschen nichts passiert, dann wird es problematisch. Man muss somit die Scheu aufrechterhalten. Die Situation im Trentino zeigt: Scheu sind vielleicht 90 Prozent und genau die zehn Prozent, die nicht scheu sind, setzen die gesamte Akzeptanz für die Rückkehr dieser Arten aufs Spiel. Insofern stehen sich die Fanatiker ja selbst im Weg.

 


 

*Für Martin M. Lintner ist das Töten von Tieren “ethisch rechtfertigbar”, wenn die Jagd “in einen umfassenden Bezug zur Natur und dem Wildtier eingebunden” ist – wenn es eine “sinnvolle Begründung” für die Jagd gibt. Und für ihn gibt es die auch, wie er in einem Interview mit Jagd Heute sagt: “Das Erlegen ist Teil der Notwendigkeit der Regulierung von Wildbeständen, die der Erhaltung gesunder Wildtiere, dem Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Tierarten und einem gesunden, vielfältigen Wildtierlebensraum dient.”

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Herta Abram Sa., 08.07.2023 - 15:00

Der Südtiroler Jagdverband, hat mit Geschäftsführer Benedikt Terzer, eine sehr gute Wahl getroffen! Seriös, kompetent, breit und tief gebildet, komplexe Themen verstehend, empathisch....

Sa., 08.07.2023 - 15:00 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Sa., 08.07.2023 - 22:17

Der Jagdverband sollte das Jagdwesen in Südtirol besser erklären, auch die Unterschiede zu anderen Jagdverständnissen in der Nachbarschaft, vielleicht würde das einer breiteren Akzeptanz helfen.

Sa., 08.07.2023 - 22:17 Permalink
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Josef Fulterer Mo., 10.07.2023 - 07:50

Wünscheswerte Förderung der Jägerschaft zum Ankauf der Drohnen ...?
Das Fuhrwerk darf kosten,
die angemessene Bekleidung auch,
die mehrfachen Jagd-Waffen sowieso,
bei der Ernährung der Rehe, Hirsche + Gemsen, die auf den Wiesen und Feldern ihre Äsung, drückt sich die Jägerschaft recht Erfolg-reich,
nur bei den zählbaren Äpfeln und Trauben gelingt das nicht.

Mo., 10.07.2023 - 07:50 Permalink