Der Novemberpogrom: Erschreckende Gewalt in Innsbruck
Der Tiroler Gauleiter Franz Hofer befand sich am 9. November 1938 abends in München, um der alljährlichen Feier zum Gedenken an den gescheiterten Hitler-Putsch von 1923 beizuwohnen. Mitten in die Veranstaltung platzte – von Adolf Hitler wirkungsvoll inszeniert – die Nachricht vom Tod Ernst vom Raths. Auf den Sekretär an der deutschen Botschaft in Paris war zwei Tage zuvor vom noch minderjährigen Juden Herschel Grynszpan ein Schussattentat verübt worden, um auf das dramatische Schicksal von 17.000 aus Deutschland abgeschobenen polnischen Juden aufmerksam zu machen.
Für die Nazis war dies ein willkommener Anlass, um gegen die Juden in brutalster Art und Weise vorzugehen und sie damit zur Auswanderung zu zwingen. Propagandaminister Joseph Goebbels gab in München vor den versammelten Gauleitern umgehend Instruktionen zum „spontanen Ausbruch des Volkszorns“. In ganz „Großdeutschland“ wurden in den folgenden Stunden Synagogen und Bethäuser in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert bzw. zerstört und rund 91 Juden ermordet. Zehntausende wurden vorübergehend in Konzentrationslager eingesperrt und viele zu Tode gequält.
Als Gauleiter Franz Hofer am 10. November um 1 Uhr früh nach Innsbruck zurückkehrte, gab er SA- und SS-Männern den Befehl zur Erhebung der „kochenden Volksseele gegen die Juden“ und zum Mord an mehreren gesellschaftlich höhergestellte Juden. Die Rollkommandos verwüsteten die Synagoge in der Sillgasse, drangen in mindestens 25 Wohnungen ein, verprügelten Frauen und Männer und töten vier Personen. Einer der Anführer der NS-Schergen war Alois Schintlholzer, der später als SS-Sturmbannführer maßgeblich an der Verhaftung und Deportation der Meraner Juden im September 1943 beteiligt sein sollte.
Das DokuDrama „Zersplitterte Nacht“ erzählt die Geschichte des Ing. Richard Berger, dem Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Innsbruck, der in der „Reichspogromnacht“ von den Nazis ermordet wurde. Kinostart in österreichischen Kinos ab 31. Oktober. Den Trailer sehen Sie hier.
Gemessen an der geringen Anzahl von jüdischen Mitbürgern war der Ausbruch der Gewalt in Innsbruck besonders erschreckend. In der „Ostmark“ waren nur noch in Wien Todesopfer zu beklagen. Die Innsbrucker Bevölkerung lehnte die Vorfälle mehrheitlich ab, von geleisteter Hilfestellung ist jedoch nichts bekannt. Allerdings wusste der italienische Generalkonsul zu berichten, dass „drei Arier, wie es heißt, von der Gestapo nachts ins Konzentrationslager von Dachau geschafft worden sind, weil sie ihre Missbilligung offen ausgedrückt haben“.
Am 17. November 1995 schlugen Jugendliche im „Landtag der Jugend” vor, ein Denkmal für die im November 1938 ermordeten Jüdinnen und Juden der Pogromnacht in der Altstadt von Innsbruck zu errichten. Den ganzen Beitrag lesen Sie hier.
Christlichsoziale Wurzeln
Die antisemitische Hetze der Christlichsozialen, vor allem im antijüdischen Kampfblatt "Brixener Chronik", dem Vorläufer der "Dolomiten", hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Judenhass der Nazis in Tirol auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Davon will die Kirche heute nichts mehr wissen. Einer der übelsten antisemitischen Hetzer war Alcide Degasperi, der sogar in Wien antijüdische Vorträge gehalten hat. Trotzdem hätte man ihn beinahe seliggesprochen.