Umwelt | Landschaftschutz

Peinliches Nachspiel

Der Fall Parkplatz am Pragser Wildsee wird immer absurder. Jetzt hat die Landschaftsschutzkommission einstimmig einen Rekurs gegen den Bau angenommen.
pragser-wildsee-_0.jpg
Foto: Salto.bz
Da soll sich einer noch auskennen. „Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung gegen das Gutachten der Kommission stimmen wird und damit ihren Kopf aus der Schlinge zieht“, sagt Andreas Riedl. Der Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz sitzt als Ersatzmitglied in der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung. Diese Kommission hat am vergangenen Donnerstag einstimmig einen Beschluss gefällt, der die verantwortlichen Ämter und vor allem die hohe Landespolitik in eine mehr als peinliche Situation bringt. Es ist der bisher letzte Schwanzschlag einer Südtiroler Urbanistikposse in drei Akten.
 

Erster Akt

Der Pragser Wildsee ist eine Naturschönheit und damit ein Touristenmagnet. Durch die Fernsehserie „Un passo dal cielo“ zu nationaler Berühmtheit gelangt, sind die Verkehrs- und Parkprobleme am See in den vergangenen Jahren immer akuter geworden.
Es braucht einen weit größeren Parkplatz. Doch der See und die Umgebung sind ein Naturschutzgebiet. Damit wird die angestrebte Errichtung eines zusätzlichen Parkplatzes zum Problem. Deshalb drängen die zuständigen Landesämter seit langem darauf, dass die Gemeinde nicht nur einen Parkplatz baut, sondern ein klares Verkehrs- und Tourismuskonzept für das ganze Gebiet vorlegt.
Doch die Pragser Gemeindeverwaltung um Neo-Bürgermeister Friedrich Mittermair und die Besitzerfamilie des Seehotels wollten eine schnelle Umsetzung. Mittermair setzte dabei auf die direkte politische Schiene. Landeshauptmann Arno Kompatscher und Mobilitäts-Landesrat Florian Mussner machten Ende März einen Lokalaugenschein am See. Am 31. Mai diskutierte man in der Landesregierung das Problem und forderte die zuständigen Ämter auf, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden und zu genehmigen.
Dieses Sitzungsprotokoll nahm Mittermair zum Anlass, umgehend einem privaten Interessenten und Hotelier am See eine Baukonzession für die Errichtung eines Parkplatzes auszustellen. In einer Nacht- und Nebelaktion fällte man dutzende Bäume und baute einen rund 13.000 Quadratmeter großen Parkplatz.
 
Das Problem dabei: Weder die Gemeinde noch der Private hielten sich an den offiziellen Genehmigungsweg. Denn die Bauleitplanänderung muss von der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung begutachtet werden. Doch das wurde sie nicht.
Das Amt für Landschaftsschutz ließ deshalb die widerrechtlichen Arbeiten sofort einstellen und leitete ein Verwaltungsverfahren gegen den Bauherrn und die Gemeinde ein.
Gleichzeitig versuchte man das Ganze zu sanieren. Anfang August kam das Projekt im allerletzten Moment als Zusatzpunkt auf die Tagesordnung der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung. Die Politik ging davon aus, dass man das Projekt durchwinkt und damit wäre alles in Ordnung.
Doch genau das passierte nicht. In der Kommission machte sich ein breiter Widerstand breit, der sowohl inhaltlich, wie auch formal begründet wurde. Der Tenor: Man könne doch nicht ein Projekt absegnen, das bereits gebaut ist.
Am Ende ging die Abstimmung 4 zu 4 aus. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Chefurbanist und Kommissionspräsident Anton Aschbacher winkte so das Projekt allein mit seiner Stimme durch.

Zweiter Akt

Das wäre es eigentlich gewesen, wenn es nicht die Bozner Staatsanwaltschaft gäbe.
Weil Bauvergehen in den meisten Fällen auch strafrechtlicher Natur sind, muss der zuständige Direktor des Amtes für Landschaftsschutz per Gesetz bei einer Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, die Staatsanwaltschaft informieren. Diese wurde sofort tätig.
Einen Tag vor dem Kommissionsbeschluss beschlagnahmte man die Akten zum Parkplatz Prags. Die Bozner Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen 21 Personen wegen Amtsmissbrauch. Ins Ermittlungsregister eingetragen wurden alle Mitglieder der Südtiroler Landesregierung, einige Funktionäre, der Bürgermeister von Prags Friedrich Mittermair, der Hotelier, der den Parkplatz errichten ließ, sowie Verantwortliche der beteiligten Baufirmen.
Doch das Verfahren dürfte am Ende archiviert werden. Denn den beteiligten Personen – vor allem der Landesregierung – wurde inzwischen bewusst, welches Risiko man eingeht. Deshalb hat man kurzerhand alle Beschlüsse widerrufen und neu gefasst. Am 30. September hat die Landesregierung die Bauleitplanänderung nochmals abgesegnet und am 24. Oktober hat die Gemeinde Prags eine neue Baugenehmigung ausgestellt.
Es ist der Versuch einer nachträglichen Sanierung eines eindeutig illegalen Verwaltungsaktes.
Das Absurde an dieser Vorgangsweise: Der Parkplatz ist bereits den gesamten Sommer über in Betrieb.

Dritter und vorerst letzter Akt

Jetzt aber wird diese Geschichte durch einen dritten Akt angereichert, der das Ganze noch skurriler macht.
Der Pragser Josef Ploner ist bereits vor Jahren bei der Gemeinde vorstellig geworden, um einen Parkplatz am See zu bauen. Man ließ ihn abblitzen. Als dann der Hotliersfamilie die Errichtung eines Parkplatzes genehmigt wurde, hat Ploner einen Rekurs bei der Landesregierung dagegen eingereicht.
Laut Gesetz hätte der Rekurs gemeinsam mit dem Projekt in der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung behandelt werden müssen. Doch die Gemeinde und die Urbanistikämter unterschlugen den Rekurs einfach. Er wurde nie vorgelegt.
Josef Ploner ließ sich aber nicht abwimmeln. Ganz im Gegenteil: Er hat gegen das Parkplatz-Projekt auch beim Verwaltungsgericht Rekurs eingelegt. Das Land hat sich als Gegenpartei Anfang September in den Rekurs eingelassen.
Durch die Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft wurde die Nichtbehandlung des Ploner-Rekurses aber zu heiß. Deshalb hat man den Einwand jetzt mit einigen Monaten Verspätung doch noch, wie vom Gesetz vorgesehen, der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung vorlegt.
Am vergangenen Donnerstag sollte die Kommission den Rekurs behandeln. Dabei passierte aber Überraschendes. Die Kommission hat den Rekurs von Josef Ploner einstimmig angenommen. Der Grund dafür: Jene Mitglieder, die im August für das Parkplatz-Projekt gestimmt haben, ließen sich diesmal vertreten. Der einstimmige Beschluss dürfte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein entscheidender Trumpf für den Kläger sein.
Damit stehen wir aber vor der absurden Situation, dass die höchste urbanistische und landschaftsplanerische Fachkommission einstimmig einen Rekurs gegen ein Projekt genehmigt hat, das allein mit der Stimme ihres Präsidenten zwei Monate zuvor genehmigt wurde.
„Wir stehen jetzt vor der absurden Situation, dass die höchste urbanistische und landschaftsplanerische Fachkommission einstimmig einen Rekurs gegen ein Projekt genehmigt hat, das allein mit der Stimme ihres Präsidenten zwei Monate zuvor genehmigt wurde.“
Der Ball geht jetzt wieder an die Landesregierung. Sie wird den Ploner-Rekurs entgegen dem Gutachten der Fachkommission ablehnen müssen. Denn sonst fällt die gesamte politische Sanierung der Aktion Parkplatz Pragser Wildsee wie ein Kartenhaus zusammen.
Gespannt sein darf man schon jetzt, wie Kompatscher & Co diesmal die Quadratur des Kreises begründen werden.