Ein Bayer für Europa
“In bocca al lupo, Manfred!”, richtete Herbert Dorfmann gegen 9 Uhr noch auf Facebook aus. Dreieinhalb Stunden später steht fest: Manfred Weber ist der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahlen im kommenden Frühjahr.
758 Delegierte aus allen EU-Ländern waren schon am Mittwoch in der finnischen Hauptstadt Helsinki eingetroffen. Dort findet der zweitägige Kongress der EVP statt, bei dem am Donnerstag Mittag der Spitzenkandidat für die EU-Parlamentswahlen abgestimmt wurde. Mit seiner Wahl zum Spitzenkandidaten präsentiert die EVP Manfred Weber auch als Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Neben dem aktuellen EVP-Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament Weber – er galt als haushoher Favorit – war der der finnische Ex-Premier Alexander Stubb ins Rennen gegangen. Am Mittwoch Abend fand eine Debatte zwischen den beiden Kandidaten statt. Am Donnerstag Morgen hielten beide Kandidaten Reden. Am Ende stimmten knapp 80 Prozent der EVP-Delegierten für Manfred Weber. Auch Herbert Dorfmann stimmte für den 46-jährigen CSU-Politiker aus Bayern. Der Südtiroler Europaparlamentarier nahm als Mitglied des EVP-Fraktionsvorstandes am Kongress in Helsinki teil – und gratuliert Weber zu dessen Ernennung. “Manfred Weber hat eine klare Position für Europa. Das ist in diesen unruhigen Zeiten besonders wichtig”, so Dorfmann.
Für seine Rede am Donnerstag, die von Beobachtern als betont kämpferisch beschrieben wird, erhielt Weber kräftigen Applaus von den Delegierten. Er verstehe sich als “Brückenbauer”, meinte Weber. Seine Vision für Europa? "Ich brauche keine Liberalen, keine Sozialisten, keine Brüssel-Blase, die mir sagt, was die Zukunft Europas ist. Das heutige Europa muss ein Europa unserer Bürger werden. Wir müssen die Interessen der Bürger verteidigen, damit sie sich in Europa zuhause fühlen.” Zugleich bezog Weber auch gegen Rechtspopulisten wie Matteo Salvini oder die polnische PiS Stellung, die Europa “zur Hölle” schicken wollen. Er wolle ihnen nicht erlauben, Europa zu spalten. Großen Beifall erntete Weber auch für die deutlichen Worte zur Migrationspolitik: “Die EVP musst die Partei von strengen Grenzkontrollen sein. Wir müssen den Bürgern zeigen, dass niemand die europäischen Grenzen ohne einen Reisepass überqueren kann. Illegale Migration muss gestoppt werden.” Außerdem sprach er sich gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus.
I am from a small town in lower Bavaria, like many other villages and towns in Europe. Here and everywhere else people are asking us to bring Europe back home. Watch my video for #EPPHelsinki here! #StrongerTogether #BetterEurope pic.twitter.com/0tCKIBvcFF
— Manfred Weber (@ManfredWeber) 5 novembre 2018
Weber, so Dorfmann, sei “ein auf Ausgleich bedachter Politiker, der stets sachlich und ruhig argumentiert und für Südtirol ein wichtiger Verbündeter ist.” Er habe den EVP-Spitzenkandidaten bereits zum Wahlkampf nach Südtirol eingeladen.
Hier pflegt Weber einen langjährigen Kontakt zu SVP-Funktionären und -Mandataren. “Er gilt als gut vernetzt, verfügt über großes politisches Geschick und herausragende diplomatische Fähigkeiten: Mit seiner klugen und bedachten Art ist er das dringend notwendige Gegenstück zu den derzeit ‘salonfähigen Populisten’. Ihm kann eine Trendumkehr gelingen”, zeigt sich SVP-Obmann Philipp Achammer überzeugt.
Als potentieller nächster EU-Kommissionspräsident erwarte Weber “sicher keine einfache Aufgabe”, meint Achammer: “Die Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden – der Zusammenhalt der 28 EU-Mitgliedsstaaten muss in Zeiten zunehmender Zweifel unbedingt wieder gefestigt werden. Und außerdem muss auch für die wichtige Rolle der Europäische Union in der Welt, gekämpft werden.“ Dafür wünsche die SVP Weber alles Gute.