Im Hinterzimmer

Der Brief ist fast einen Monat alt. Am 13. Jänner schreiben Anton Mittelberger und Simon Tinkhauser an Landeshauptmann Arno Kompatscher und an SVP-Obmann Philipp Achammer. Die zwei Terlaner SVP-Gemeinderäte warten bis heute vergeblich auf eine Antwort.
In dem äußerst sachlichen zweitseitigen Schreiben wird auf die Art der Kandidatenaufstellung für die angehenden Gemeinderatswahlen und die internen Richtlinien der SVP eingegangen. Tinkhauser und Mittelberger skizzieren dabei am Beispiel der Terlaner Fraktion Vilpian ein wenig schmeichelhaftes Szenario.
Im Schreiben heißt es:
„Wir denken, dem durch die politischen Skandale der letzten Jahre einhergehenden Schwund an SVP-Mitgliedern wird durch ein derartiges Verhalten in keiner Weise Rechnung getragen und der Trend zu Parteiaustritten sicherlich bestärkt, anstatt entgegengewirkt. Man bedenke nur, dass in Vilpian ca. 30% der SVP-Mitglieder im Jahr 2004 ihre Mitgliedschaft nicht verlängert haben.
Wir möchten der neuen Führung der SVP auf Landesebene und dem Landeshauptmann wirklich ein Kompliment für die transparente Amtsführung aussprechen. Aber leider ist von der Beschreitung dieses neuen Weges bisher in unserer Ortsgruppe nicht viel angekommen.“
Was aber ist in dem Etschtaler Dorf passiert?
Dem Brief an den Landeshauptmann und dem SVP-Obmann ist ein internes Rundschreiben der SVP Terlan beigelegt, in dem der formale wie der inhaltliche Fahrplan für die Gemeinderatswahlen festgelegt wird. Vorläufiger Endpunkt ist Dienstag, der 10. Februar. An diesem Abend soll der Koordinierungsausschuss der SVP Terlan die endgültige Liste für die Gemeinderatswahlen beschließen.
Anton Mittelberger und Simon Tinkhauser kritisieren aber vehement die Art, wie diese Kandidatenliste zustande kommen soll:
„Von unserem Ortsobmann von Vilpian wurde den Anwesenden ein Dokument präsentiert, das die Vorgehensweise und die Spielregeln für die anstehende Gemeinderatswahl im Mai skizziert.
Das Dokument hat bei uns für hohe Irritation gesorgt, da es doch im krassen Gegensatz zu dem von der SVP auf Landesebene eingeschlagenen Kurs der Transparenz und konträr zu den allseits propagierten basisdemokratischen Grundsätzen (siehe Webseite SVP und die letzten Pressemitteilungen) steht.
Vor allem der Passus über die Ermittlung der Kandidaten steht im Gegensatz zu jeder demokratischen Vorgangweise. Es wird hier nach dem Weg der SVP Mitgliedervorwahlen, der in der Vergangenheit erfolgreich und transparent angewandt wurde, wieder zur Hinterzimmermentalität zurückgekehrt, d.h. die Kandidaten werden hinter verschlossenen Türen von Seiten des Ortsausschusses ermittelt.
Es werden weder Kriterien angeführt, die bei der Ermittlung der Kandidaten als Grundlage dienen sollen, noch sonstige objektive Richtlinien bestimmt. Die Aufstellung der möglichen Kandidaten für die Wahl wird de facto willkürlich von Seiten des SVP-Ortsausschusses festgelegt.“
Verständlich wird die Kritik, wenn man sich die lokale Situation in Terlan genauer anschaut. Terlan hat neben dem Hauptort zwei Fraktionen, Siebeneich und Vilpian. 27 Kandidaten und Kandidatinnen sollen auf der SVP-Liste antreten.
Bereits im Jänner hat der SVP-Koordinierungsausschuss die genaue Verteilung der Listenplätze festgelegt. Demnach sollen 16 Kandidaten und Kandidatinnen aus Terlan, sechs aus Siebeneich und fünf aus Vilpian kommen.
Es ist der SVP-Ortsausschuss Vilpian, der darauf besteht, die Listenplätze für die Fraktion auf fünf zu beschränken. Es ist genau jene Anzahl von Gemeinderäten, die Vilpian seit Jahren im Gemeinderat hat.
Hinter der Selbstbeschränkung steht ein einfache Überlegung: Stellt man zu viele Kandidaten auf, verstreuen sich die Vilpianer Stimmen und es besteht die Gefahr, dass die Fraktion Sitze im Gemeinderat verliert.
Weil es in Vilpian aber immer mehr als fünf SVP-Kandidaten gibt, fanden in den vergangenen 20 Jahren in Vilpian traditionell SVP-interne Vorwahlen um die Listenplätze statt. Diese Vorwahlen wurden 2015 aber plötzlich abgeschafft.
Im zitierten Rundschreiben der SVP Terlan heißt es:
„Man ist sich im Koordinierungsausschuss einstimmig einig, dass keine Vorwahlen für die Kandidatenfindung abgehalten werden sollen. Die Ortsausschüsse sollen autonom die jeweiligen Kandidatenlisten erstellen. Dadurch wird den Ortsausschüssen mit seinen Mitgliedern mehr Verantwortung übertragen, aber gleichzeitig werden die Ortsausschüsse aufgewertet und erhalten somit die ihnen zustehende Wichtigkeit“.
Was hier als Aufwertung verkauft wird, kritisieren Anton Mittelberger und Simon Tinkhauser als deutlichen Rückschritt. Wer letztlich kandidieren darf, das entscheiden einzig und allein die SVP-Ortausschüsse. Und das in geheimer Wahl. „Die Kandidaten müssen vom Ortsausschuss als geeignet angesehen werden“, heißt es in dem SVP-Dokument.
InteressenskonfliktDie beiden amtierenden SVP-Gemeinderäte verweisen in ihrem Schreiben aber auch auf einen latenten Interessenskonflikt, der durch diese Art der Kandidatenaufstellung entsteht:
„Besonders brisant wird dieser Sachverhalt natürlich durch die Tatsache, dass dem SVP-Ortsausschuss drei amtierende Gemeinderäte angehören, von denen zwei bereits ihre erneute Kandidatur angemeldet haben“.
Die Kritik ist klar: In diesem System wählen Kandidaten ihre Mitkonkurrenten aus. So mancher dürfte dabei eher auf seinen Sitz im Gemeinderat achten, als auf die Güte der Parteiliste.
Vor allem dann, wenn es nur wenige Plätze zu besetzen gilt.
Den beiden Briefeschreibern stößt aber auch ein anderer zentraler Punkt auf, der in den Spielregeln zu den Gemeinderatswahlen enthalten ist. Dort heißt es:
„Wer auf der jeweiligen Liste der Ortsgruppe kandidiert, muss sich bewusst sein, dass er sich an die Beschlüsse des Ortsausschusses halten muss.“
Die Bevormundung wollen die beiden SVP-Gemeinderäte aber keineswegs so generell akzeptieren. Anton Mittelberger und Simon Tinkhauser machen eine einfache Rechnung.
Vilpian hat rund 800 Einwohner, rund 400 davon sind wahlberechtigt. Es gibt rund 100 SVP-Mitglieder. 59 davon gingen zur letzten Wahl des SVP-Ortsausschusses. Von den 9 Ortsausschuss-Mitgliedern wurden manche mit nur einer Stimme gewählt.
„Es kann doch nicht sein, dass ein Ausschuss, der von 14 Prozent der Wahlberechtigten eingesetzt worden ist, bestimmt, wie sich zukünftige Räte - die ja auch von Nicht-SVP-Mitgliedern gewählt werden - bei wichtigen Entscheidungen zu verhalten haben“, meinen Mittelberger und Tinkhauser.
Beide sind immer noch überzeugte Volksparteiler. Doch sie haben inzwischen die Entscheidung gefällt, bei den Gemeinderatswahlen im Mai nicht mehr anzutreten. „Wir können uns mit dieser Verhaltensweise in keiner Weise identifizieren und diese undemokratische Art nicht mehr unterstützen“, sagen sie zu salto.bz.
Wir können uns mit dieser Verhaltensweise in keiner Weise identifizieren und diese undemokratische Art nicht mehr unterstützen.
Eine Antwort von SVP-Obmann Philipp Achammer erwarten sie sich aber immer noch.