Monumentale Liebe
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Man nehme ein Dutzend Schauspieler, gebe sie in eine monumentale Kulisse, die lackglänzendes mit kaltem Stein zusammenführt (der schiefen Bühne Margherita Pallis werden die Bilder des Artikels kaum gerecht) und lege über alles einen durchgehenden, zwischen Spannung, Trance und hintergründigem Wummern wechselnden Klangteppich (GUP Alcaro). In 140 Minuten ohne Pause und ohne Vorhang oder Szenenwechsel gleiten die Handlungsmomente der großen Tragödie fast nahtlos ineinander, auch wenn es an manchen Stellen zwar nicht technisch, aber doch textlich ein wenig hakt. Marcus Antonius und Kleopatra (stark verkörpert von Anna Della Rosa) haben die jugendliche Schönheit hinter sich gelassen und nähern sich dem Abendrot ihrer Beziehung. Der Obsession der Königin für ihren König tut das keinen Abbruch, wie auch der Tragik nicht, mit welcher der altbekannte Ausgang abzusehen ist.
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Warum genau Kleopatra am Ende mit Zigarette und Revolver in den Freitod geht, ist fraglich, wenn man sich im restlichen Abend zwar nicht um historische Genauigkeit in Kostüm und Requisite bemüht, aber doch um einen römischen Look (Kostüm: Carlo Poggioli). Darf sich Antonius auch weiterhin ehrenvoll auf sein Gladius stürzen, so endet Kleopatras Bühnenleben statt mit dem Zischeln einer Schlange mit dem Knall eines Schusses. Vielleicht war man hier auch um ein stärkeres Aufbrechen der wertenden Parallelbiografie Plutarchs bemüht, die Shakespeares Stück von 1606/07 zu Grunde liegt. Kleopatra wird jedenfalls, mehr als jede andere Figur des Stücks modernisiert, von den Dämonifizierungen des römischen Historikers losgelöst, der in ihr ein klares Feindbild sah. Einzig in der Figur von Kaiser Oktavians, der das Publikum damit im Saal begrüßt, hat der Hass auf diese starke Frau noch expliziten Bestand.
Nun möchte man vielleicht meinen, dass Malosti und Co. durch eine große, monumentale Bühne und extravagante Kostüme ein Stück weit aus der schauspielerischen Verantwortung gezogen werden, aber das wäre weit gefehlt. Ohne große Veränderung und auf einer Bühne in Schräglage sind die Figuren des Stückes oft wie Zinnfiguren in ein großes Diorama gesetzt und bewegen sich während ihren Dialogen oft kaum durch den großen, leeren Bühnenraum. Malosti, der neben der männlichen Hauptrolle des Stückes für Regie und - gemeinsam mit Nadia Fusini - auch für Übersetzung und Stückfassung zuständig ist, wirft seine Kompanie auf ihre Rollen zurück. Während viele Schauspieler und Schauspielrinnen damit - auch auf recht statischen Zinnfigurbeinen - brillieren können, wie Malosti und Della Rosa, oder auch ein Danilo Nigrelli als zwiegespaltener Freund und Berater von Antonius, Enobarbus, so gibt es auch die Figuren im Stück, die kaum Bewegung erleben.
Der Widersacher von Antonius - Oktavian (Dario Battaglia) - bleibt trotz ausgesprochener Anstrengungen des Stückes eindimensional, ähnlich seiner Schwester Oktavia (Carla Vukmirovic). Ist Oktavian durch das Stück hinweg das genaue Gegenteil Kleopatras - sie ist beherrscht, passiv, wortkarg und steht mehr für ein Ideal der Unschuld als für Sinnlichkeit - so ist Oktavian dauerzornig. Battaglias Grundeinstellung zu all dem, was sein politischer Widersacher Malosti auf der Bühne macht, ist kaum kontrollierte Rage. Gibt dabei Oktavian seiner Wut zu viel Raum, so hat man das Gefühl, dass Oktavia, das ferne Gegenstück zu Kleopatra in Rom, nicht genug ausgearbeitet wurde. Mit den Dauern des Stücks und einem Mangel an Bewegung auf der Bühne sind beide Figuren recht schnell erschöpft.
Die Starrheit der Aufführung bringt aber auch mit sich, dass sich große Bilder immer wieder gut inszenieren und - über ein Schienensystem auf dem Boden - auch seitlich oder durch die Bühnenrückwand auf- und abfahren lassen, was besonders zur Erhöhung des Mythos der Kleopatra genutzt wird, die - wie es sich für eine Königin ziemt - kaum zu Fuß von A nach B muss. Sie gleitet, mal zur in ein fiebriges Delirium gesteigerten Musik und mal ganz still in kostbaren Roben auf die Bühne, überlebensgroß auf dem Schlachtross oder tanzend für den Mann, den sie sich untertan gemacht hat.
„Antonio e Cleopatra“ verleiht einem der weniger aufgeführten und stärker durch Historienfilme als Bühnenaufführungen vorgeprägten Shakespeare-Stücke, einen neuen Anstrich, der mutig ist, am Ende aber zu viel Respekt vor den Shakespeareschen Zeilen hat und deswegen nicht zum Rotstift greift. Am Ende wird man vom monumentalen Bühnenstück fast überrollt und damit der Liebe auf der Bühne ein Denkmal gebaut wird (auch wenn das die Liebe versaut), braucht es auch noch musikalische Einlagen, einmal auf E-Gitarre für einen dramatischen Moment und einmal mit Eros Darsteller an der Kelten-Harfe, die den Schluss hinauszögern. Ein Ende, an dem ganz im Sinne des Barden, in aller Ausgiebigkeit und ganz ohne Pathos-Verzicht langsam gestorben wird und in dem letzte Worte eine gewisse Überlänge haben.
„Antonio e Cleopatra“, eine Coproduktion des Emilia Romagna Teatro ERT / Teatro Nazionale, der Fondazione Teatro di Napoli - Teatro Bellini, des Teatro Stabile di Bolzano, sowie des Teatro Stabile di Torino - Teatro Nazionale und LAC Lugano Arte e Cultura ist noch heute und morgen (Beginn: 19 Uhr), sowie übermorgen (Beginn: 16 Uhr) im Stadttheater Bozen zu sehen.