Politik | Missbrauch

Schritt in die richtige Richtung

Die Landtagsdiskussion über ein sehr heikles Thema wurde heute für mehrere Stunden unterbrochen; schlussendlich wurde die Abstimmung darüber ausgesetzt.
Südtiroler Landtag 8. Juni 2021
Foto: Südtiroler Landtag/Werth
Unter dem Titel „Mut zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbedürftigen in kirchlichen und öffentlichen Einrichtungen in Südtirol“ hat das Team K ein Thema aufgegriffen, das derzeit brandaktuell ist. Mit einem Beschlussantrag, der einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorsah, sollte die Landesregierung unter anderem verpflichtet werden, eine unabhängige Gutachterkommission einzusetzen, welche die Fälle von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen in kirchlichen Institutionen und in öffentlichen Einrichtungen erfasst und aufarbeitet.
 
 
 

Nicht aus der Verantwortung stehlen

 

Wie Franz Ploner in seiner Stellungnahme erklärte, können sich Politik und Land  hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Der Abgeordnete des Team K wies dabei auch auf die diözesane Ombudsstelle hin, welche die Zahl der Menschen, die von Priestern und in kirchlichem Rahmen sexuelle Gewalt und Missbrauch erlitten haben, laufend erfasst und erweitert. „Seit ihrer Einrichtung 2010 ist die Zahl der gemeldeten Fälle auf 100 angestiegen, noch im Oktober 2019 waren es 75 gewesen; die Dunkelziffer dürfte erheblich sein“, so Ploner, der mit Nachdruck die Frage stellte, ob das Land Südtirol, dessen Bürger und Bürgerinnen Opfer kirchlichen und öffentlichen Missbrauchs geworden sind, nicht die Pflicht hätte, den Betroffenen zur Seite zu stehen.
 

Gegen „Schnellschüsse“

 

Nicht einverstanden mit dem vorgelegten Beschlussantrag zeigte sich der SVP-Abgeordnete Gert Lanz (SVP), der einen Ersetzungsantrag vorlegte. Damit sollte
die Landesregierung aufgefordert werden, Studien zu unterstützen, welche zur Vermeidung von Fällen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen in Südtirol Präventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Ploner (Team K) erklärte sich damit einverstanden unter der Bedingung, dass der Antrag von Lanz nur die Punkte 3 und 4 des ursprünglichen Antrags ersetzt. Dies wurde jedoch wiederum von Lanz abgelehnt. Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte, dass man bei diesem Thema sehr vorsichtig vorgehen müsse und keinen „Schnellschuss“ produzieren dürfe, der am Ende die Situation vielleicht sogar verschlimmern würde. Es gehe hier um gravierende Straftaten; sollte eine Kommission eingerichtet werden, müsste diese bei der Aufarbeitung auf laufende Ermittlungen Rücksicht nehmen. Der Landeshauptmann sprach sich deshalb für einen neuen, konsensfähigen Antrag aus.
 
 
 

Arbeitsgruppe soll nach konkreten Lösungen suchen

 

Nachdem absehbar war, dass der Beschlussantrag in seiner ursprünglichen Form die notwendige Unterstützung im Landtag nicht finden würde, hat Ploner die Abstimmung zum Beschlussantrag ausgesetzt. In der anschließend veröffentlichten Pressemitteilung des Team K erklären die Abgeordneten Franz Ploner und Paul Köllensperger, dass sie nach Absprache mit Landeshauptmann Kompatscher gemeinsam mit interessierten Landtagsabgeordneten sowie mit Kirchenvertretern und Rechtsexperten eine offene Arbeitsgruppe organisieren wollen, „um nach konkreten Lösungen zu suchen und zu versuchen, nach dem Vorbild von München und anderen deutschen Städten auch auf Landesebene durch unabhängige Kommissionen dieses delikate Thema aufzuarbeiten“.