Kultur | SALTO Gespräch

Tierische Satire

Ella Carina Werner ist Mitherausgeberin der Satirezeitschrift „Titanic“ und Gast bei den „Literaturnächten“ in Bruneck. Sie bringt u. a. feministische Tiergedichte mit.
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Foto: Alexander Krause
  • SALTO: Die endgültige Satirezeitschrift „Titanic“ ist tatsächlich gleich alt wie Sie. Wie junggeblieben sind sie beide?

    Ella Carina Werner: Wir sind beide in unseren allerbesten Jahren: mittelalt, abgebrüht, welterfahren. Leider wurde ich nur nicht ganz so oft verklagt wie „Titanic“, genau genommen noch nie. Jetzt werden Titanic und ich miteinander steinalt.

    Welchen Einfluss hatte die „Neue Frankfurter Schule“  auf Sie und Ihr Schreiben. Bzw. auf die Satirezeitschrift „Titanic“ heute?

    „Titanic“ ist ohne die Vertreter der „Neuen Frankfurter Schule“ gar nicht zu denken, sie waren die Gründungsväter und ihr anarchischer Geist schwebt immer noch über dem Heft. Ich persönlich bin natürlich totales Fangirl von Robert Gernhardt, F.W. Bernstein oder Hans Traxler - aber zugleich auch froh, dass mich auch viele andere Komikstile beeinflusst haben – von US-amerikanischen Stand-up-Comedians, Sitcoms, Berliner Lesebühnenautor*innen bis hin zu feministischen Comics. Das ist gut, um Gernhardt & Co. auch nicht als Überväter anzuhimmeln, sondern sich da hier und da abzugrenzen, zum Beispiel beim Frauenbild, wie ich es ja auch in meinen Tiergedichten mache. Komik verändert sich nun mal, ist immer kontextgebunden, muss stets neu gedacht werden.
     

    Was ich nicht mag, sind Provokationen um der Provokation willen...

  • Neuerscheinung: Feministische Themen sind wichtig und ernst – aber, das beweist dieses kongenial und farbenfroh illustrierte Buch, können auch sehr, sehr lustig sein! Denn wo sonst gibt es derart viel Konfliktpotential, Widersprüche und Missverständnisse? Foto: Verlag Antje Kunstmann GmbH

    In Ihrem aktuellen Buch widmen Sie sich dem feministischen Tiergedicht. Was ist Ihr liebstes?

    Puh, da gibt es viele! Vielleicht dieses: „Alles unter einen Hut / kriegt die Krakin. Die hat’s gut. / Mit einem Arm spielt sie Klavier, / mit dreien kippt sie Bier um Bier / und mit den allerletzten vieren / kann sie fröhlich masturbieren.“

    Gedichte spielten bisher keine Rolle in Ihrem publizistischen Schaffen? Oder schlummern noch unveröffentlichte in der Schublade?

    Oh ja, sehr viele, auch wenn ich diese Gedichte kaum publiziert habe! Im Alter zwischen 8 und 24 Jahren habe ich exzessiv komische Reimgedichte geschrieben, viele hunderte sind davon erhalten, die meisten sind etwas seltsam oder zu albern, aber ein Dutzend aus dieser Zeit finde ich immer noch sehr gut. Die kommen dann als mein „Frühwerk“ später in meine „Gesammelten Werke“. Inzwischen schreibe ich auch nicht-tierische, quasi menschliche Reimgedichte, auch in Ich-Form.

  • Die Quotensau: „In diesen Gedichten wird gefeiert, gebechert, getanzt, und vor allem sehr, sehr viel gechillt – weibliche Selbstermächtigung ist hier nicht nur eine soziale Utopie, sondern eine wilde, gelebte, befreiende Praxis.“ Foto: Verlag Antje Kunstmann GmbH
  • Welcher Humor sagt ihnen zu? Auf welchen können Sie kompromisslos verzichten?

    Ich bin da prinzipiell sehr offen: Von Max Goldts Kolumnen über Hazel Bruggers Comedy-Programme bis zu lustigen Kinderbüchern von Astrid Lindgren oder Roald Dahl holt mich vieles ab. Was ich nicht mag, sind Provokationen um der Provokation willen, gern von mittelbegabten männlichen Comedians praktiziert: „Ich sage mal was Unverschämtes gegen irgendwelche Minderheiten und werde dann für meinen mutigen Tabubruch gefeiert“, so was langweilt mich.

    „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“ lautet der auf doppelte Verneinung angelegte Titel Ihres Vorgängerbuches. Eine klar positive Antwort auf die ganzen Lebens- und Erfolgsratgeber?

    Ja. Ich habe den Titel in einem sehr weiten Sinne gemeint: Frauen müssen nicht immer eine Funktion haben, sie können auch einfach herumhängen, gar nichts tun, im besten Sinne „unnütz“ sein, Slackerinnen, Flaneurinnen oder Faulenzerinnen sein, wie es sonst seit Jahrhunderten eher Männern zugestanden wird. Von Frauen wird ja sonst in der Regel erwartet, sich als Mutter aufzuopfern, und wenn nicht, dann aber wenigstens fleißig im Job durchzustarten.
     

    ...weil es Sache insbesondere der Satire ist, nach oben zu treten und sich für Schwächere einzusetzen, also für Abgehängte, Arme, Minderheiten. So war es schon bei Heinrich Heine, Kurt Tucholsky oder Gerhard Polt.

  • Mops und Möpsin: Die Gedichte von Ella Carina Werner hat Juliane Pieper illustriert. Foto: Verlag Antje Kunstmann GmbH

    Die „Titanic“ wäre vor kurzem beinahe „untergegangen“? Wie konnte sich das Satire-Magazin dennoch über Wasser halten?

    Auf unsere große Rettungskampagne vor 2 Jahren hin haben wir sehr viel Solidarität von Leser*innen erfahren, aber auch Nicht-Leser*innen, ja selbst der Satire komplett fernstehende Menschen haben uns neu abonniert oder „Retter-Shirts“ gekauft, einfach weil sie wollten, dass es diese Art von anarchischer Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen weiterhin gibt. Darauf ruhen wir aber uns aber jetzt nicht aus und müssen schauen, wie wir als Printmagazin im Zuge des allgegenwärtigen Zeitschriftensterbens langfristig überleben. Und gleichzeitig mehr und mehr digitale Wege gehen. 

    Humor bei Titanic war viele Jahre durchwegs Männersache. Das hat sich in den vergangenen Jahren schlagartig gewandelt. Haben Sie eine Erklärung?

    Wenn Frauen sichtbar sind, ziehen sie andere Frauen nach, so einfach ist das im Grunde. Als ich 2016 in die Redaktion kam, war ich die erste Textredakteurin nach knapp 20 Jahren. Jetzt haben wir eine weibliche Chefredakteurin. Ich vernetze mich ganz bewusst mit jungen weiblichen Komikproduzentinnen, um sie für Titanic und Satire allgemein zu begeistern, sie zu ermutigen. Diese weiblichen Netzwerke in der deutschen Humorbranche werden immer größer. Auch in den Late-Night-Redaktionen und in Gagschreiberteams sitzen immer mehr Frauen. Das Humor-Matriarchat steht also quasi vor den Toren ...

    Warum haben – so mein Eindruck – vor allem politisch nicht links stehende Zeitgenoss*innen keinen, bzw. einen etwas beschränkten Humor? Wie ließe sich das ändern? Was meint die Expertin?

    Gute Komiker*innen stehen meiner Meinung ja politisch per se immer links, weil es Sache insbesondere der Satire ist, nach oben zu treten und sich für Schwächere einzusetzen, also für Abgehängte, Arme, Minderheiten. So war es schon bei Heinrich Heine, Kurt Tucholsky oder Gerhard Polt. Gute „rechte“ oder auch „konservative“ Komik gibt es meiner Beobachtung eigentlich nicht. Mein Rat also an rechte Komiker*innen: Die politischen Ansichten ändern oder einfach aufhören, sonst wird das mit dem Weltruhm nichts ...   

  • Foto: Verlag Antje Kunstmann GmbH
  • Ella Carina Werner bestreitet am 11. März ab 20 Uhr die dritte Literaturnacht im UFO Bruneck. Sie liest aus Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt. Ihre zechenden Hühner und männermordenden Schwarzen Witwen wissen längst selbst, was ihnen guttut. Außerdem präsentiert sie alltagsnahe und komplett wunderliche Geschichten aus ihrem Leben als Frau, Mutter und Salonlöwin.