Gesellschaft | Zusammenleben

Nicht ich, sondern wir

Studierende der Uni Bozen haben in Schlanders zu einer Konferenz zu Sorge und Pflege eingeladen. Es brauche neue Wege für stärkere Gemeinschaften.
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Foto: Uni Bozen

Die Sonne scheint, der Duft nach Essen liegt in der Luft und die Menschen wirken entspannt. Freitag, der 8. April, ist der dritte und letzte Tag der By Design or By Desaster Conference 2022 Radical Care in der BASIS in Schlanders, organisiert vom Master-Studiengang Eco-Social Design der Uni Bozen. Die Konferenz findet zum neunten Mal statt und wird zu einem großen Teil von den Studierenden selbst organisiert.

„Auf dieser Konferenz versuchen wir neue Wege zu erforschen, wie man sich um sich selbst, um die Schwächeren, aber auch um die Gemeinschaft sorgt“, erklärt Sofia Scroppo vom Organisationsteam. „Durch neue Netzwerke und Beziehungen kann eine stärkere Gemeinschaft entstehen, die sich auf vielen verschiedenen Ebenen kümmert und gegenseitig unterstützt.“

 

Sorgearbeit neu gedacht

 

Wie neue Wege dafür aussehen könnten, erzählen verschiedene Vortragende und Workshop-Leiter:innen. Einer von ihnen ist Timo Wans von MYZELIUM. Das deutsche Bildungs- und Kooperationsnetzwerk begleitet Menschen in der Gründung von gemeinschaftsbasierten Unternehmen, arbeitet an der Strukturentwicklung von Dörfern, Städten und Regionen und bringt die eigene Expertise auch in der Wissenschaft ein.

 

Was würden sie tun, wenn sie Pippi Langstrumpf wären - Timo Wans

 

Der Kern der Vision von gemeinschaftsbasierten Unternehmen liegt in der Rolle der Konsument:innen, „die als Mitglieder eines Unternehmens Verantwortung übernehmen, anstatt nur das Produkt zu kaufen, sobald es verfügbar ist“, so Wans. Sobald ein Unternehmen gegründet ist, übernehmen die Mitglieder die Investitions- und Produktionskosten. „Hier gibt es drei Arten der Solidarität: zwischen den Mitgliedern und dem Unternehmen, das nicht mehr am Markt ist, zwischen den Mitgliedern untereinander, da jeder so viel zahlt, wie er kann und drittens über die Zeit hinweg, weil manche bereits zu Jahresbeginn die volle Summe zahlen, andere monatlich;“

 

Auf eine Frage der Teilnehmer:innen, wer gemeinschaftsbasierte Unternehmen initiieren soll, antwortet Wans: „Wir starten mit den Unternehmer:innen und fragen sie nach ihrer utopischen Vision. Was würden sie tun, wenn sie Pippi Langstrumpf wären. Das ist ein kraftvoller Moment. Mit dieser Motivation können sie es schaffen, 20, 40 oder 100 Leute von ihrer Idee zu überzeugen und Mitglied zu werden.“

 

Sozialarbeiter:innen arbeiten in repressiven Systemen und sind dabei mit vielen sozialen Herausforderungen konfrontiert - Sebastiano Moltrer

 

Austausch suchen

 

Eine andere Weise, Sorge zu tragen, ist die Arbeit von Menschen in sozialen Berufen wie Pädagoginnen und Pfleger. Sebastiano Moltrer kennt die Arbeitsbedingungen in diesem Feld, er ist selbst Sozialarbeiter, Community Organizer und Social Circus Trainer. Bei seiner Performance in der BASIS jongliert er mit weißen Bällen, um so die schwierige Situation von Menschen in sozialen Berufen zu verdeutlichen.

 

„Sozialarbeiter:innen arbeiten in repressiven Systemen und sind dabei mit vielen sozialen Herausforderungen konfrontiert – etwa das Fehlen eines unterstützenden Netzwerks, Gesundheitsprobleme, finanzielle Unsicherheiten, Wohnungslosigkeit oder sexueller Missbrauch.“ Er ruft auf der Konferenz deshalb Designer:innen auf, sich mit Menschen in sozialen Berufen auszutauschen, um gemeinsam sozialen Herausforderungen zu begegnen.

Genau das hat Rodrigo Luis bereits getan. In der BASIS stellt er „Laura“ vor, ein Stuhl für Menschen im fortgeschrittenen Alter. Inspiriert wurde der Design-Student dabei von seiner Mutter, die als Altenpflegerin arbeitete. Der Stuhl ist nicht niedrig und auch nicht sonderlich flauschig und weich. Dadurch erleichtert er es, älteren Menschen vom Stuhl aufzustehen. Zudem regen die Rillen an den Armstützen die kognitiven Fähigkeiten an, wenn man mit den Händen darüberfährt.

 

Bewusstsein schaffen

 

Anna Niesing von KAUZ – Werkstatt für Klima, Arbeit und Zukunft, einem EU-geförderten internationalen Bildungsprojekt, ist wie auch Moltrer im sozialen Bereich tätig und hielt einen Workshop auf der Konferenz. „KAUZ basiert auf vier Säulen. Dazu gehört das Bildungsmaterial für transformative Bildung, ein Podcast zur sozial-ökologischen Transformation, Erklärvideos mit Expert:innen, die noch am Entstehen sind, und Mikro-Learnings. Mikro-Learnings sind kleine Grafiken und Bilder, die auf ironische oder lustige Weise Themen wie Klimagerechtigkeit oder Verkehrsproblematiken aufzeigen und auf Twitter oder Instagram geteilt werden können.“

 

 

Das Bildungsmaterial befindet sich noch in der Testphase und kann per Mail angefragt werden: „Ziel ist es, dass Menschen, die Lust haben, Workshops zu machen, sich diese Beschreibungen nehmen und sie an verschiedene Zielgruppen anpassen können. Bisher haben wir die Workshops in Deutschland, Österreich und Südtirol mit Erwachsenen oder Schüler:innen durchgeführt. Dabei ist es wichtig, gemischte Zielgruppen anzusprechen, nicht nur Gruppen, die bereits viel über Transformation und den Umgang mit Natur wissen.“