#100417

I. Siegerei
Das unmögliche Bild nennt sich ein Spielfilm, der die Jury beim diesjährigen BFFB am meisten überzeugte. Für die Begründung bedienten sich die Juroren Noni Lickleder, Daniele Ciprì und David Wegmüller den letzten drei Gedanken des Films:
„Sich was vorzustellen ist vielleicht eh das Gleiche wie sich zu erinnern. Nur mit Bildern, die man noch nicht gemacht hat. Die Erinnerung ist so unzuverlässig, dass man meinen könnte, es wäre die Zukunft.“
Realisiert wurde Das unmögliche Bild von der jungen Österreicherin Sandra Wollner. Die heute in Berlin lebende Regisseurin war neben Mike Ramsauer, Maximilian Schlehuber, Beatrice Segolini und Ronny Trocker, Teilnehmerin beim Salto Talk am vergangenen Freitag. Da wusste freilich noch niemand, dass Wollner und ihr Film, als Sieger des Spielfilmwettbewerb hervorgehen werden. Viele hatten auf die Filme Die Einsiedler oder Mister Universo getippt. Aber wer kann schon in die Zukunft sehen?
Eine Riesenüberraschung war der Preis selbst, die Siegertrophäe. Es ist nämlich ein Riesen-Ei aus einer hölzernen Schale mit einem herausschlüpfenden Bergkristall. Der Preis passte gut in die kleine Tasche der Siegerin und in die lockere Runde an Kinomenschen, welche sich nach der Preisverleihung überheblich die Frage stellten: Das ist der erste Preis? Wo sind denn die Pokale von früher geblieben, die man mit Sekt füllt, zum Trinken in die Runde reicht, bis alle schwindelig sind?
Aber ich hatte das Bergkristall-Teil unterschätzt. Je länger ich darauf starrte, sah ich darin, in eine positive Kinozukunft. Ich blickte, wie in einem Traum, auf ein beinahe unmögliches Bild:
Ich allein, an der Punta del Massullo auf Capri. Selbst auf einem Bergkristall spazierengehend.
II. Wahrsagerei
Buona visione flüsterte eine unbekannte, mich in meinen Wachtraum einführende Stimme. Schlaftrunken betrat ich die erste Stufe des Treppenaufgangs, der mich direkt auf die Dachterrasse der Villa Malaparte führte, auf welcher Jean-Luc Godard, Teile des Klassikers Le Mépris drehte.
Ich erreichte das begehbare Flachdach ohne Geländer, setzte mich "über das Meer", und hörte einem Sirenen-Chor zu:
- Keine platten Dialoge, keine dummen Happy Ends, keine bloße Unterhaltung...
- Das Mainstream-Kino wird untergehen, hier und jetzt...
- Schmalspur- statt Schleimspur-Filme...
Die wohltuenden Sentenzen waren Balsam für meine Seele. Doch plötzlich war ich, Depp ich, wieder am roten Teppich vor dem hiesigen Kino und nicht mehr auf der roten Villa. Für einen Moment aber, war ich am falschen Platz, im richtigen Film gewesen. Fantastisch!
Das mich ewig prägende Filmerlebnis war dann auch ein komplett anderes, als jenes des Bozner Bürgermeisters Renzo Caramaschi, der bei der Preisverleihung auf die Frage "Welchen Film haben Sie beim Festival gesehen?", mit Humor folgende Pointe formulierte: „I film che vedo negli ultimi mesi, sono altri film, hehe. Non sono un granché...“
Als Regisseur der Stadt Bozen muss er wohl viel zu viel Mainstream machen. Schade.
fine primo tempo