Gesellschaft | Autonomiereform

Verein Politis zieht Bilanz zur Veranstaltung "Ausbau der Autonomie"

Das Südtiroler Autonomiestatut und seine Reform darf nicht den Politikern überlassen werden, sondern muss von den Bürgern mitgestaltet werden. Das Netzwerk für Partizipation und der Verein Politis veranstalteten dazu eine Diskussionsreihe.

Zehn Vortragsabende mit Parlamentariern, Wissenschaftlern, Rechtsexperten und noch einmal so viele Arbeitstreffen hat der Verein Politis seit September 2013 auf die Beine gestellt, dazu eine Online-Umfrage für Südtirols Bürger mit 70 Fragen, die Reform der Südirol-Autonomie betreffend. "Unsere Absicht war es, zu zeigen, dass die Bürger dieses Landes an einer Reform des Autonomiestatuts mitarbeiten wollen, dass es nicht nur eine Sache der Politiker sein kann, wie unser "Grundgesetz" verändert werden soll, ob es nun das Zusammenleben der Sprachgruppen betrifft, oder Themen wie Gesundheit und soziale Gerechtigkeit."

Projektleiter Thomas Benedikter hat die Veranstaltung mit dem Bildungsverein Politis und dem Netzwerk für Partizipation ins Leben gerufen. "Jetzt, nachdem die Reihe zu Ende ging, ist uns einmal mehr klar geworden, wie komplex das Regelwerk unserer Südtirol-Autonomie ist, aber auch wie reformbedürftig; vielfach hat sich gezeigt, dass einzelne Themenbereiche an und für sich genug Stoff für mehrere solcher Diskussionsabende ergeben hätten. So zum Beispiel der Proporz und die Sprachgruppen bzw. wie die neuen Mitbürger darin einzugliedern sind." 

Das derzeitige Autonomiestatut weist viele Baustellen auf

Die Teilnehmer am Bildungsprojekt teilen diesen Eindruck: "Man hat im Laufe der Treffen gesehen, dass unsere derzeitige Autonomie wirklich sehr viele Baustellen aufweist," meint Benno Kusstatscher aus Bozen, "auf der anderen Seite hat mich das Thema auch sehr fasziniert und ich war beeindruckt von der Leidenschaft, mit der die Experten zu den verschiedenen Aspekten des Autonomiestatuts diskutierten. Es ist wahrlich kein trockenes Thema." Das hohe Niveau der Vorträge und Diskussionen habe ihn nicht abgeschreckt, sagt Kusstatscher, "trotzdem haben wir uns schon Gedanken gemacht, wie man ein derartig komplexes Thema besser kommunizieren kann und ob das vorhandene Instrumentarium, also Vortrag und anschließende Diskussion, ausreicht, um ein breiteres Publikum anzusprechen." 

Eine wichtige Veranstaltung für die Zivilgesellschaft, so beurteilt Max Benedikter der Genossenschaft demos 2.0 das Projekt. Bürgerpartizipation sei ein vielfach gebrauchtes Schlagwort, das lebendig zu gestalten sei; die Mitsprache an einer Reform des Autonomiestatutes ziele genau in diese Richtung: "Diese Veranstaltungsreihe ist insofern gelungen, als es zum ersten Mal eine sprachgruppenübergreifende und politisch vollkommen freie Möglichkeit gab, über ein Thema zu reden, das den Politikern vorbehalten scheint." Die Diskussion könne nun auf einer breiteren Ebene fortgesetzt werden.

Ein Gesetz zur Überarbeitung des Status mit Bürgerbeteiligung

Das wünscht sich auch Veranstalter Thomas Benedikter: "Wir haben uns mit Landeshauptmann Arno Kompatscher getroffen und stellten ihm unseren Gesetzentwurf zur Autonomiereform vor, der eine echte Bürgerbeteiligung vorsieht. Die Ausarbeitung eines 3. Statuts wird laut Landeshauptmann wohl nach normierten Kriterien ablaufen, es wird also einen Autonomiekonvent geben, der hauptsächlich mit den Landtagsabgeordneten bestückt ist." Doch konnten sich das Netzwerk für Partizipation und Landeshautpmann Kompatscher dahingehend einigen, dass das partizipative Element zur Autonomiereform ins Gesetz hineingeschrieben werde, so Benedikter. 

Mehr als die Hälfte in der Umfrage wollen die Selbstbestimmung

Interessant auch die Umfrage, die das Sozialforschungsinsitut Apollis online durchführte: Unter den 350 detaillierten Fragebögen (70 Fragen) gab es eine Mehrheit für die Selbstbestimmung. "Über die Hälfte gaben an, dass die Selbstbestimmung im Grunde die Ideallösung für Südtirol wäre," sagt Benedikter. "Dass es sich dabei um keine Schwarz-Weiß-Meinungen handelt, ist daran zu sehen, dass auf alle Fragen sehr sorgfältig und differenziert eingegangen wurde."

Die Umfrage und die Vorträge sind in einem von Thomas Benedikter verfassten Abschlussband zu Veranstaltungsreihe nachzulesen; ein Buch, das eine interessante und höchst aktuelle Momentaufnahme der derzeitigen Autonomiepolitik verspricht. Benedikter und seine Mitstreiter wollen die Bürgerbeteiligung am Reformprozess weiter ausbauen: "Dazu möchten wir auch größere Vereine und Organisationen für unserer Sache gewinnen, denn nur so gelingt es, dem Thema noch breitere Aufmerksamkeit zu widmen." Die großen Südtiroler Tageszeitungen hätten die Bildungsreihe mehr ignoriert als honoriert, "ganz klar, dem deutschsprachigen Tagblatt sind wir zu direkt-demokratisch und dem Alto Adige zu autonomielastig," bekundet Thomas Benedikter mit einem Achselzucken. Am Thema vorbei kommt in nächster Zukunft wohl niemand.