Politik | Skandal

Gutachten auf Abwegen

Ressortdirektorin Katia Tenti ordert ein Rechtsgutachten, das den Millionen-Deal für das Bauunternehmen Dalle Nogare ermöglichen soll – und schickt es an den Nutznießer.

Katia Tenti weiß, dass das ganze alles andere als koscher ist. Deshalb wählt die Ressortdirektorin und rechte Hand von Wohnbau-Landesrat Christian Tommasini auch einen Umweg.
An diesem 12. Dezember 2013 mailt Katia Tenti das amtliche Papier von ihrem Dienstcomputer im Land zuerst an ihre eigene Privatadresse. Von dort geht das Dokument wenig später dann direkt an das Postfach jener Person weiter, die es wohl am meisten interessiert. Antonio Dalle Nogare, Bauunternehmer und Nutznießer eines geplanten 25-Millionen-Euro-Deal mit dem Wohnbauinstitut (Wobi).
Nach Informationen von salto.bz hat die Carabinieri-Sondereinheit ROS jetzt bei der Auswertung des Mail-Verkehrs diese telematische Spur finden und dokumentieren können. Damit dürfte es für Katia Tenti eng werden. Gegen die hohe Landesbeamtin, die in einem privaten, persönlichen Nahverhältnis zu Antonio Dalle Nogare steht, ermittelt Staatsanwalt Giancarlo Bramante wegen Amtsmissbrauchs.
Die Wege, die das Gutachten genommen hat, sind mehr als nur ein Pluspunkt für die Staatsanwaltschaft. Denn damit ist auch nachgewiesen, dass der interessierter Bauunternehmer illegal ein offizielles Dokument des Landesrechtsamtes erhielt, noch bevor es die eigentlichen Adressaten des Rechtsgutachten gesehen haben.

Die Vorgeschichte

Der Wert dieses Dokuments wird verständlich, wenn man die Vorgeschichte kennt.
Das Wohnbauinstitut schreibt im Oktober 2013 einen Wettbewerb für den Bau von 100 Wohnungen in Bozen aus. Der Wettbewerb ist auf ein Grundstück zugeschnitten, das der "Mapp GmbH" gehört. Hinter diesen unscheinbaren Namen stehen Kapazunder der Südtiroler Bauwirtschaft. 
An dem Unternehmen sind die Bozner Bauunternehmer Antonio und Angelo Dalle Nogare mit 60 Prozent, der Meraner Ingenieur Siegfried Unterberger und der Latscher Immobilienmakler Peter Paul Pohl zusammen mit 40 Prozent beteiligt. Damit die Mapp GmbH aber zum Wettbewerb zugelassen wird, braucht es ein positives Gutachten sowohl der Gemeinde Bozen, wie auch der Landesraumordnungskommission. Aber genau hier gibt es ein Problem.
Die Mapp Gmbh hatte sich bereits im Herbst 2011 mit demselben Grundstück in der Reschenstraße an einer deckungsgleichen Wobi-Ausschreibung beteiligt. Die Raumordnungskommission des Landes hatte im Dezember 2011 aber ein negatives Gutachten abgebe.
Dagegen klagte das Trio Dalle Nogare, Unterberger, Pohl vor dem Bozner Verwaltungsgericht und verlor. Die Unternehmer gingen in Berufung. Aber auch der Staatsrat gab im März 2013 dem Land Recht und erklärte, dass die Ablehnungsgründe für das Grundstück absolut stichhaltig seien.

Tentis Druck

Als dieselben Unternehmer kein halbes Jahr nach dem Staatsratsurteil aber erneut mit demselben Grundstück am Wobi-Wettbewerb teilnehmen wollen, taucht in den Rechtsämtern eine berechtigte Frage auf. Geht das überhaupt? Eine Rechtsanwältin des Raumordnungsressorts geht davon aus, dass dieses Grundstück vom Wettbewerb ausgeschlossen werden muss.
Damit tritt Katia Tenti auf den Plan. Am Abend des 12. Dezember 2013 soll der Bozner Gemeinderat ein positives Gutachten zur Verbauung des Grundstückes abgeben. Katia Tenti wird über Vermittlung der Bozner Stadträtin Chiara Pasquali an diesem Vormittag bei der Leiterin des Rechtsamtes Bianca Giudiceandrea vorstellig. Ihr Anliegen: Die Anwältin soll per Rechtsgutachten bestätigten, dass die Teilnahme am Wettbewerb rechtens sei. Giudiceandrea ist aber anderer Rechtsmeinung und lehnt ab ein solches Gutachten abzugeben. Vor den Ermittlern bestätigt die Anwältin der Gemeinde jetzt von Tenti bedrängt worden zu sein.
Weil Tommasinis Ressortdirektorin in der Gemeinde nicht weiterkommt, verlegt die hohe Beamtin ihr Aktionsfeld noch am selben Vormittag in die Landesverwaltung.

Der Rechtsgutachter

Fabrizio Cavallar ist ein äußert fähiger und versierter Jurist. Im Rechtsamt des Landes gilt er als Experte in Sachen Urbanistik. Es verwundert deshalb nicht, dass Cavallar im Frühjahr 2012 als die Unternehmer Dalle Nogare/Unterberger/Pohl vor dem Bozner Verwaltungsgericht klagen die Verteidigung des Landes übernimmt. Cavallar gewinnt den Prozess gegen die Bauunternehmer für das Land am Ende auch.
Es verwundert, dass sich Katia Tenti 17 Monate später ausgerechnet an ihn mit jenem Ansinnen wendet, das man ihr in der Gemeinde verwehrt hat. Innerhalb weniger Stunden schreibt Fabrizio Cavallar am Vormittag des 12. Dezember 2013 ohne formellen Auftrag ein Rechtsgutachten, das die Teilnahme des Dalle Nogare-Grundstücks am Wobi-Wettbewerb ermöglichen wird.
Cavallars 180-Grad-Wende ist zwar nicht unbedingt nachvollziehbar, sie könnte aber durchaus damit begründet werden, dass sein Gutachten nur die formale Frage der Wettbewerbsteilnahme geklärt hat. Doch das ist so nicht der Fall.
Liest man das Rechtsgutachten, das Fabrizio Cavallar im Schnelldurchgang verfasst hat, so fällt auf, dass der Anwalt darin nicht nur die Frage der Wettbewerbsteilnahme behandelt, sondern auch ein juridisches Argumentarium vorgibt, wie man bei Land und Gemeinde für die Verbauung eintreten kann.

Dalle Nogares Computer

Offizielle Adressaten von Cavallars Gutachten sind der Chefurbanist des Landes Anton Aschbacher, der Abteilungsdirektor im Wohnbauamt Wilhelm Palfrader und die eigentliche Auftraggeberin Ressortdirektorin Katia Tenti.
Cavallars Rechtsgutachten soll die Bedenken mehrerer Gemeinderäte gegen den Deal zerstreuen. Was am Abend des 12. Dezember dann auch gelingt. Dabei bekommen die Gemeinderäte Cavallars Gutachten erst gar nicht zu Gesicht.
Dass es hingegen Antonio Dalle Nogare schon längst in der Hand hat, sollte nie herauskommen. Doch die ROS-Beamten beschlagnahmen den Firmen-Server des Unternehmens Dalle Nogare und finden darauf das Mail von Katia Tenti.
Es ist ein neuer Mosaikstein eines Polit-Skandals. Und schon einmal wurde in Südtirol Stein an Stein gelegt.

ACHTUNG!
Meinungsvielfalt in Gefahr!

Wenn wir die Anforderungen der Medienförderung akzeptieren würden, könntest du die Kommentare ohne
Registrierung nicht sehen.

Erfahre warum