Kultur | Salto Afternoon

Die Welt neu denken

Der Politiker, Journalist und Südtirol-Urlauber Raniero La Valle stellte gestern (9.8.) sein Buch zum Ukraine-Krieg vor und sehnte eine pazifistische Weltordnung herbei.
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Foto: Salto.bz

Es war auf den Tag genau der 80. Todestag des österreichischen Widerstandkämpfers Franz Jägerstätter. Am 9. August 1943 wurde der Kriegsdienstverweigerer und zum Tode verurteilte Jägerstätter hingerichtet, seit 2007 wird er in der römisch-katholischen Kirche als Seliger verehrt. Für den Kinofilm von Terrence Malick über das Leben Jägerstätters wurde vor einigen Jahren auch in Südtirol gedreht, unter anderem in St. Valentin bei Seis. Nur einen Steinwurf vom Drehort entfernt, in St. Konstantin, lud gestern der Verein Pax Christi in den Stanglerhof, um das kürzlich erschienene Buch Leviatani, dov'è la vittoria? des 92jährigen Politikers und Journalisten Raniero La Valle vorzustellen, der – wie viele andere Urlauber – derzeit als Tourist in Südtirol weilt. Der Tourismus war auch Grund, dass die für 17 Uhr angesetzte Veranstaltung eine halbe Stunde später beginnen sollte, nachdem kleinere und größere Blechlawinen die ein und andere Straße verstopften. Nachdem den (gut-)gläubigen Veranstalter*innen nicht einmal Stoßgebete nutzten, um ihr Ziel Stanglerhof rascher zu erreichen, hielten sich Christian Troger und Francesco Comina mit ihren einführenden Worten kurz und überließen nach nur wenigen Minuten dem Hauptprotagonisten Raniero La Valle das Wort. Sein Credo lässt sich in drei Slogans zusammenfassen: Lasst die Welt in Ruhe. Schluss mit dem Krieg. Eine andere Politik ist möglich.
 

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Am Rande im Zentrum: Auch das von Francesco Comina erschienene Buch "Solo contro Hitler. Franz Jägerstätter. Il primato della coscienza" blieb bei der gestrigen "Leviatani, dov'è la vittoria?"-Veranstaltung  nicht unerwähnt / Foto: Salto.bz


Der Politiker, Journalist und Intellektuelle Raniero La Valle hat viel in seinem Leben geleistet und es ist gar nicht so einfach ein paar Eckdaten aus seiner Biografie herauszufischen, um ihn und sein Schaffen kurz und knapp zu präsentieren. Comina versuchte es zwar, doch La Valle winkte ab. Es ging auch nicht wirklich um seine Legislaturperioden in Parlament und im Senat oder seine unzähligen Artikel für viele Zeitschriften und TV-Reportagen; es ging um etwas viel wesentlicheres: den Weltfrieden. „Um aus dem Ukraine-Krieg aussteigen zu können, und wieder Frieden herzustellen, bedarf es eines neuen politischen Paradigmas und eine neue Aufwertung des internationalen Rechts,“ meinte der unabhängige Linke, fortschrittliche Katholik und Buchautor.
 

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Kultur vor Politik: Anstelle einer Logik des Krieges eine Logik des Friedens entwerfen / Foto: Salto.bz


Seinen Vortrag begann La Valle stehend, mit einer Auflistung an Siegen und Niederlagen der beiden Kontrahenten Ukraine und Russland. Wie ein Schiedsrichter stellt er sich dazwischen und beschwor als predigender Vermittler eine Kulturrevolution herbei, die zu einer pazifistischen Politik gelangen könne, die vehement gegen alle und jede Art von Waffen vorgehe. „Es bedarf einer nicht vertikalen sondern horizontalen neuen internationalen Weltordnung“, sagte La Valle und gab sich überzeugt: „Wir sollten von der sovranistischen Logik der Macht, welche Ursache von Krieg ist, aussteigen, und in eine vielflächige Logik des Friedens eintreten, in welcher nicht die Hegemonie einer Macht über eine andere gestellt wird, sondern wo eine gegenseitige Befruchtung der Unterschiede zu einem positiven Zusammenleben führen können.“ 
 

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Arbeit im Urlaub: Raniero La Valle stellte gestern sein Buch im Landgasthaus Stanglerhof vor / Foto: Salto.bz


„Nicht der Sieg eines Modells über das andere, in welchem sich eine militärische Logik verbirgt, ist zu verfolgen, sondern der Horizont des Friedens“ gab sich La Valle hoffnungsvoll. Die historische Figur des italienischen Pazifismus bietet in seinem Buch eine kritische wie historische Analyse und fragt sich: „Wie und warum nutzten die Staaten – die Leviathane, die der Finanzkapitalismus der 1990er Jahre für tot erklärt hatte – wieder das Hauptinstrument der Angst: den Krieg?“ Für sein Buch hat La Valle die Entwicklung der Lage in der Ukraine nach Fakten, Chroniken und Situationen geordnet.
Er plädierte dazu, „die Welt neu zu denken.“ 
 

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Krieg und Frieden: Das aktuelle Buch von Raniero La Valle. Mit einem Vorwort von Francesco Comina / Foto: Salto.bz