Politik | Flüchtlinge

"Zeichen der Hoffnung für die Zukunft Europas"

EU-Parlamentarier zollen Freiwilligen, die sich um Flüchtlinge kümmern, Respekt. Sie fordern Änderung der Dublin-Regeln und humanitäre Visa. In Brixen wurde die Notschlafstelle indes geschlossen.

Es hat den Anschein, als habe sich die Lage in Südtirol entspannt. Zu Beginn der Unterstützungsaktion für den Freistaat Bayern in Sachen Flüchtlingsunterbringung rechnete man beim Land mit “etwa 300 bis 400” Menschen, die in Brixen auf ihrer Reise gen Norden vorübergehend untergebracht werden sollten. Doch schon gleich nachdem die Unterkünfte eingerichtet waren, zeichnete es sich ab: Weit weniger Flüchtlingen als ursprünglich angenommen nutzten die zeitweisen Schlafstätten. Trotzdem wurde die Maßnahme am Wochenende um eine weitere Woche verlängert. Doch wie die Landesregierung gegen Mittag bekannt gab, wird die vorübergehende Aufnahmeeinrichtung in Brixen “mit dem heutigen Donnerstag beendet”. In den vergangenen Tagen seien es nur sehr wenige Menschen gewesen, die in Brixen untergebracht wurden, heißt es aus dem Sozialressort. Daher sei man zum Schluss gekommen, dass die Anlaufstellen in Bozen und am Brenner derzeit ausreichen, um den Flüchtlinge auf der Durchreise eine Erstversorgung zu gewährleisten. Daher werden die beiden Strukturen auch “weiterhin aktiv” bleiben.


Dank von oben für die Menschen vor Ort

“Weiterhin aktiv” bleiben auch die freiwilligen Helfer an den beiden Bahnhöfen. Seit inzwischen knapp fünf Monaten versorgen sie dort die ankommenden Menschen mit dem Allernötigsten – gemeinsam mit den Helfern des Vereins Volontarius und mit Unterstützung von Rotem Kreuz und Caritas. Im Kleinen geht die Solidarität also weiter. Dafür erreicht die Zivilgesellschaft, hierzulande und europaweit, nun von höchster Ebene ein großer Dank. Das EU-Parlament hat sich in einer Sitzung mit der Flüchtlingsthematik beschäftigt und den Freiwilligen Respekt gezollt: “Das Parlament lobt die Bemühungen von Gruppen der Zivilgesellschaft und von Einzelpersonen in ganz Europa, die in großen Zahlen aktiv werden, um die Flüchtlinge und Migranten zu begrüßen und ihnen zu helfen. Diese Aktionen zeigen die wirkliche Wahrung der europäischen Werte und sind ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft Europas.”


EU-Parlament fordert Änderung der Dublin-Regelung und humanitäre Visa

Doch die folgenschwerere Neuigkeit ist die Entschließung, die das EU-Parlament am Donnerstag Mittag absegnete. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte in den vergangenen Tagen wiederholt eine verpflichtende Quotenregelung und Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten gefordert. Das Europäische Parlament gab nun seine Zustimmung zu Junckers Plan, 160.000 Flüchtlinge aus Italien, Griechenland und Ungarn über die 28 Mitgliedsstaaten zu verteilen. 432 Abgeordnete sprachen sich dafür aus, 142 waren dagegen, 57 enthielten sich. Das Parlament will einen “fairen, obligatorischen Verteilungsschlüssel”, über den die Asylsuchenden umgesiedelt werden sollen.

Konkret fordern die EU-Parlamentarier eine Änderung der Dublin-Regeln, die bestimmen, welcher Mitgliedstaat für die Abwicklung der Asylanträge zuständig ist. Außerdem hält es das Parlament “für absolut notwendig, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten sichere und legale Wege für Flüchtlinge schaffen, wie etwa humanitäre Korridore und Visa aus humanitären Gründen”. Szenen wie sie sich derzeit an der serbisch-ungarischen Grenze abspielen, soll es künftig nicht mehr geben. Auch blockierte Züge wie jene zwischen Österreich und Ungarn sowie Dänemark und Deutschland sollen der Vergangenheit angehören. Ehrgeizige Ziele, die sich das EU-Parlament gesteckt hat. Und geht es nach Abgeordneten, soll sich die EU auch ernsthaft mit der Beseitigung der eigentlichen Ursachen der Migration beschäftigen. Diese soll das Hauptthema des für 11. und 12. November in Malta anberaumten EU-Gifpels sein.


Auch in Bozen findet am Freitag, 11. September, der "Marsch der barfüßigen Frauen und Männer" statt. In insgesamt 60 italienischen Städten läuft die Veranstaltung, auf der unter anderem ein solidarisches, humanitäres und einheitliches Asylsystem gefordert wird. Beginn des Marsches ist um 19.45 Uhr am Waltherplatz in Bozen.