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Casini um Puccini

Im Rahmen einer Puccini-Veranstaltung ist morgen Dirigent(!) und Komponist(!) Beatrice Venezi in Bozen. Das italienische Amt für Kultur hatte die Idee für den Zauber.
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Foto: Ripartizione Cultura italiana
  • „Kulturminister Gennaro Sangiuliano hat Beatrice Venezi zur Musikberaterin ernannt. Im Rahmen dieser Ernennung wird Beatrice Venezi mit den direkten Kooperationsbüros des Ministers, dem Generalsekretariat und der Generaldirektion für die darstellenden Künste zusammenarbeiten.“ Diese Mitteilung wurde am 17. November 2022 auf der Seite des italienischen Kulturministeriums online gestellt. Wie und mit welchen peinlichen Erfolgen sich Gennaro Sangiuliano von der politischen Bühne verabschiedete, hat er vor ein paar Wochen mit Tränen in einem ausführlichen Interview zu bester Sendezeit auf RAI preisgeben dürfen. Seine musikalische Beratung, Dirigent(!) Beatrice Venezi, die die weibliche Bezeichnung für ihren Beruf strikt ablehnt, wird morgen in Bozen erwartet. Sie ist hier keine Unbekannte. 
    In einem gemeinsamen Abend von Stiftung Haydn, Teatro Stabile und der Musikschule Vivaldi wird am morgigen 11. Oktober der 100ste Todestag von Giacomo Puccini bemüht, um Beatrice Venezi in Bozen wieder eine Bühne zu geben. Die Fäden im Hintergrund zieht das italienische Amt für Kultur.
     

    Ob Venezi morgen in Bozen auch darüber sprechen wird?


    Die umstrittene Dirigentin ist seit wenigen Monaten Teil des beratenden Rates für italienische Kultur in Südtirol. War sie bei der ersten Sitzung im Juni 2024 über Videoschalte dabei, wird sie morgen leibhaftig in Bozen zu Puccini sprechen. Bestätigt hat sie vor wenigen Monaten in offizieller Berater(!)funktion insbesondere ihr Ansinnen zur „Wiederbelebung der italienischen symphonischen Musik von Verdi bis Puccini“ und ihren Einsatz in der „Organisation einer Opernsaison in Bozen“, welche „eine große Chance für die Stadt und die Region wäre, denn die Oper ist auch eine kulturelle Identität“. Und nun bringt sie sich schon gleich selbst auf die Bühne? Vermischen sich hier nicht Zuständigkeitsbereiche? Wer bezahlt Anreise, Unterkunft, anfallende Spesen und das Honorar für den auf Venezi zugeschnittenen Abend? Die Kulturabteilung, wo sie selbst beisitzt? 
    „Die Haydn-Stiftung wurde eingeladen, an der von der Abteilung für italienische Kultur der Provinz Bozen organisierten Veranstaltung teilzunehmen“, kommentiert die Generaldirektorin der Stiftung Haydn Monica Loss, die von Amts wegen auferlegte Veranstaltung. Loss betont aber beschwichtigend: „Wir stehen kurz vor der Eröffnung der Opernsaison Anfang November mit einem Puccini-Titel“ , und weiter, „das Buch von Beatrice Venezi ist eine Biographie eines der größten Opernkomponisten des letzten Jahrhunderts, dessen hundertster Todestag dieses Jahr begangen wird. Es gibt also thematische Verbindungen, die der Grund für die Einladung der Stiftung waren, diesen Abend einzuleiten.“ Beim Teatro Stabile heißt es, man würde nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. „Wir wissen, dass die weibliche Präsenz in Puccinis Leben und Werk von grundlegender Bedeutung war. Eine Musikerin, Dirigentin und Schriftstellerin bringt also die besten Voraussetzungen mit, um diese Begegnung angenehm und auf höchstem Niveau zu gestalten,“ kommentiert Mitveranstalterin Livia Bertagnolli, Direktorin der Musikschule Vivaldi.
     

    Vielleicht nimmt sie selbst Stellung.


    Beatrice Venezi ist im Kulturbereich in zweierlei (oder vielerlei) Hinsicht sehr umstritten. Einerseits regt sich immer wieder Widerstand klassischer Orchester, die den Dirigent(!) Venezi ablehnen, vor allem da sie in der Vergangenheit offen Sympathien für rechte politische Strömungen in Italien gezeigt hat. Andererseits wird auch ihr musikalisches Talent in Musikkreisen immer mehr kritisiert als bejubelt. Zum 100. Todestag von Giacomo Puccini dirigierte Venezi in Lucca Puccinis „Inno a Roma“, die dieser zum Ende des ersten Weltkriegs geschrieben hatte und die später von den Faschisten ideologisch instrumentalisiert wurde. Noch später von den Neofaschisten. Und Neofaschistinnen. Ob Venezi morgen in Bozen auch darüber sprechen wird? Oder womöglich sogar auf ihre Doppelrolle als Kulturberaterin des Amtes für Kultur und als gleichzeitig vom gleichen Amt geladene Autorin eingeht? Am 11. Oktober ab 18 Uhr soll ihr das Foyer des Bozner Stadttheaters Bühne dafür sein. 
    Benvenuto direttore d'orchestra! 

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Salto User
richter a Fr., 11.10.2024 - 11:51

Herr Hanni, die Welt ist nicht binär, so wie Sie sich das vorstellen. Die Gender-Problematik ist weit verbreitet und hat viele Facetten.

Fr., 11.10.2024 - 11:51 Permalink
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Salto User
richter a Fr., 11.10.2024 - 17:39

Antwort auf von Martin Hanni

Ja, es ist selbstverständlich, Herr Hanni, es freut mich, dass Sie das genauso sehen. Frau Venezi hat natürlich das Recht, sich Direttore zu nennen und nicht Direttrice.
Meinung nach könnte ein Ansatz zur Lösung des Problems darin bestehen, die traditionelle Geschlechtermarkierung in der Sprache abzuschaffen und durch ein neutrales System zu ersetzen, also eine systematische Umbenennung. Anstatt Suffixe, neue Pronomen oder Sternchen einzuführen, könnte man zum Beispiel männlich in Gamma 2, weiblich in Beta 4 und sächlich in Omega 1 umbenennen. Jeder wäre dann frei, selbst zu wählen, wie er oder sie sich bezeichnen möchte.

Das wäre ein Schritt, um die Sprache neutraler und inklusiver zu gestalten aber leider Utopie und wenig praktikabel

Fr., 11.10.2024 - 17:39 Permalink