Gesellschaft | Prävention

Zwischen Klicks, Vapes und Energydrinks

Beim Forum Gesundheit in Brixen diskutierten Fachleute über Sucht, dass Jugendliche gefährdet sind – und es mehr Raum für junge Menschen als für Urlaubsgäste braucht.
Zwischen Klicks, Vapes und Energydrinks
Foto: Ivo Corrà
  • „Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der Schein und dauerhafte Erreichbarkeit sehr viel zählen, wodurch ein sehr großer Druck herrscht. Dieser Druck äußert sich sehr stark in Abhängigkeiten“, wie Michael Mayr, Direktor vom Landesressort für Gesundheitsvorsorge und Gesundheit, betont. Zusammen mit Sanitätsdirektor Josef Widmann eröffnete er die gestrige Infoveranstaltung „Zwischen Klicks, Vapes und Energydrinks“, im Vizentinum in Brixen. Ein Abend, bei dem sich Patrizia Corazza, Koordinatorin des Arbeitstisches Schule-Gesundheit, Bettina Meraner, geschäftsführende Primarin des Dienstes für Abhängigkeiten in Bozen, und Martin Fronthaler, Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, Fragen widmeten, wie etwa: ‚Wann wird eine Gewohnheit zur Sucht?‘, ‚Warum sind farbige Vapes mit Beerengeschmack so beliebt?‘, ‚Wie schafft man angemessene Umgebungen, um Süchten vorzubeugen?‘.

  • Bettina Meraner und Martin Fronthaler: erklären den Weg in die Sucht. Foto: Ivo Corrà
  • Bettina Meraner und Martin Fronthaler erklärten den Weg vom ersten Konsum über Gewohnheit bis hin zur Abhängigkeit. „Es gibt nie nur eine Ursache“, betonte Meraner. Umweltfaktoren spielten beim ersten Probieren eine große Rolle – etwa Gruppenzwang oder Neugier –, während persönliche Merkmale wie Charakter und Lebenssituation über den weiteren Verlauf entscheiden. Kritisch werde es, wenn Konsum dazu diene, Probleme zu lösen: „Wer merkt, dass er durch Alkohol lockerer wird oder mit anderen leichter in Kontakt kommt, speichert das als positive Erfahrung ab“, so Meraner.

     

    Möglichst bunt, süß und verträglich mit extrem hochdosiertem Nikotingehalt – eine grässliche Verkaufsstrategie der Tabakindustrie!

     

    Sogenannte Vapes, bunte elektronische Zigaretten, bieten solche positiven Erfahrungen jungen Menschen sehr niederschwellig. „Möglichst bunt, süß und verträglich mit extrem hochdosiertem Nikotingehalt – eine grässliche Verkaufsstrategie der Tabakindustrie!“, schildert Fronthaler.

    Tabak, Nikotin und Alkohol blieben nach wie vor die tödlichsten Substanzen, unterstrich Fronthaler. Doch vor allem die modernen Konsumformen bereiten Sorgen. Denn das Einstiegsalter in die Nikotinsucht sinkt konstant und liegt derzeit bei den 12–14-Jährigen. Genau dies sei ein entscheidendes Alter, erklärt Meraner, in dem junge Menschen wichtige Reifungsprozesse im Frontalhirn durchmachen, die ihr Entscheidungs- und Abwägungsvermögen für das restliche Leben prägen – Reifungsprozesse, die von Nikotin gehemmt werden. Aber sowohl das Handy, welches als ständiger Belohnungsmotor enorme Auswirkungen auf Konzentration und das eigentlich wichtige „Aushalten von Langeweile“ hat, als auch der Energydrink, der die „Architektur des Schlafes“ stört, greifen stark in die Entwicklung junger Menschen ein und beeinflussen das psychische Wohlbefinden dieser.

  • Jugendliche fühlen sich oft Fehl am Platz!

    Beim anschließenden Rundtischgespräch, an dem auch Patrizia Corazza teilnahm, wurde betont, dass Prävention individuell und lebensnah gestaltet werden müsse. Sucht beginne nicht nur mit Substanzen, sondern auch mit Verhaltensmustern – etwa bei übermäßigem Smartphone-Gebrauch, der Jagd nach Klicks oder beim Konsum von Energydrinks. Die Klüfte zwischen den Altersgruppen erscheinen oftmals groß, was die Vermittlung von Präventionsarbeit erschwere, wie ein Jugendarbeiter zur Diskussion bringt. Dennoch könne durch eine gewisse Vorbildfunktion viel erreicht werden, wie Fronthaler argumentiert – „auch kleine Erfolge, die man erreicht, wenn man mit Jugendlichen auf der Straße spricht, sind zielführend!

    Auf die Diskussionsfrage von Sanitätsdirektor Widmann, was nun die Wurzel des Problems sei, entgegnete Meraner: „Wir tun in Südtirol extrem viel für Gäste, was uns einen gewissen Wohlstand bringt. Das führt aber auch dazu, dass sich Jugendliche oft fehl am Platz fühlen, in diesem Idyll, das wir versuchen anzubieten.“ Es gelte als Erwachsene zu überlegen, wie viel den jungen Menschen Raum gegeben wird und wo sie wirklich dabei sein dürfen.

  • Die Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe Forum Gesundheit Südtirol, organisiert vom Südtiroler Sanitätsbetrieb.

    Die nächste Veranstaltung der Reihe findet am 20. November in Bruneck statt und widmet sich unter dem Titel „Das Kreuz mit dem Kreuz“ dem Thema Rückenschmerzen.

    Informationen sind unter www.gesundheit-suedtirol.it zu finden.

    Video der Veranstaltung
    Vortragsabend: "Zwischen Klicks, Vapes und Energydrinks" - YouTube