Chronik | Doping

Die EPO-Ermittlung

Gottlieb Taschler, Sohn Daniel, Schwiegersohn Johannes Dürr und Michele Ferrari bekamen am Mittwoch Besuch von den Carabinieri. Handys und Computer wurden beschlagnahmt.

Nils Kaben ist ein Journalist der alten Schule. Der ZDF-Sportreporter interviewte vor rund zwei Wochen am Rande des Biathlon-Weltcups in Antholz Gottlieb Taschler zu den Dopingvorwürfen. Das Interview, über 9 Minuten lang, flimmerte zu bester Sendezeit über die Bildschirme in Millionen deutscher Haushalte.
Kaben fragte hart. aber fair. immer wieder nach. Gottlieb Taschler. sichtlich gezeichnet, erklärte, dass er seinen Sohn wegen Schilddrüsenproblemen zum Doping-Arzt Michele Ferrari geschickt hätte. Vor allem aber lancierte die Südtiroler Biathlon-Legende und der – derzeit ruhende - Vizepräsident des Biathlon-Weltverbandes immer wieder eine Botschaft.

Wir haben keinerlei Informationen. Man hat uns nichts vorgelegt. Für mich zählen die Fakten und nicht, was ein Journalist schreibt. Weder bei der Staatsanwaltschaft in Padua, noch bei der Staatsanwaltschaft in Bozen gibt es etwas. Das wundert mich umso mehr. Ich habe Zweifel an der Echtheit der Telefonprotokolle“, sagte Gottlieb Taschler im ZDF-Interview.

Und weiter:

„Ich hoffe noch, dass ich von der Staatsanwaltschaft dieser Tage etwas Offizielles bekomme. Bisher habe ich es nur mündlich, dass nichts da ist. Das brauche ich irgendwann schriftlich. Aber bei der Staatsanwaltschaft gibt es nichts. Ich hoffe, dass es in kürzester Zeit Klarheit gibt.“

Gottlieb Taschlers Hoffnung ist nun in Erfüllung gegangen. Aber wahrscheinlich nicht so, wie es sich der bekannte Südtiroler Sportfunktionär erwartet hat.

Der Ermittlungsbescheid

Die Aktion der beiden Carabiniersondereinheiten ROS und NAS liefen am Mittwoch früh gleichzeitig ab. Die Beamten der NAS Bologna wurden in Ferrara am Wohnsitz von Michele Ferrari vorstellig. Gleichzeitig bekamen in Antholz Gottlieb Taschler, dessen Sohn Daniel aber auch Taschlers Schwiegersohn Johannes Dürr Besuch von den NAS und ROS-Beamten aus Trient.
Den vier Personen wurde ein Ermittlungsbescheid der Staatsanwaltschaft Bozen ausgehändigt. Unterzeichnet vom stellvertretenden Staatsanwalt Giancarlo Bramante geht es darin, nach dem italienischen Dopinggesetz, um unerlaubtes Doping, die Weitergabe und den Handel von Dopingmitteln. (Artikel 9, Paragraph 7 und für Daniel Taschler auch Paragraph 1 und 3).
Die Beamten stellten gleichzeitig Handys, Computer und verschiedenste Dokumentationen über Blutanalysewerte sicher. Die Beschuldigten händigten die Geräte und Unterlagen freiwillig aus.


Taschlers Schwiegersohn Johannes Dürr: Ermittlungen gegen ihn in Bozen

Spätestens damit aber wird klar, dass es längst eine formelle Ermittlung gegen Gottlieb Taschler & Co gibt. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Bozen die Ermittlungen auch auf Johannes Dürr ausgeweitet. Der österreichische Langläufer, der mit einer Taschler-Tochter verheiratet ist und in Antholz wohnt und trainiert, war im vergangenen Jahr nach einer sensationellen Leistung bei der Tour de Ski und bei der Olympiade in Sotchi zur österreichischen Medaillenhoffnung geworden. Doch am 23. Februar 2014 wurde der Senkrechtstarter positiv auf EPO getestet und im Juni 2014 rückwirkend für zwei Jahre gesperrt.

Holzlege und Schweizer Handy

Dabei sind die Beweismittel – die Gottlieb Taschler nach eigener Aussage bisher nicht kennt – mehr als schwerwiegend. Die Ermittler haben drei Treffen zwischen Taschler senior, junior und Michele Ferrari in Antholz rekonstruiert. Dazu noch zwei Treffen an zwei verschiedenen Autobahnausfahrten in Ferrara sowie ein Treffen im Haus des Dopingarztes.
Telefonischen Kontakt hielt Michele Ferrari dabei immer nur mit Gottlieb Taschler. Obwohl in keinem der Telefongespräche das Wort Doping fällt, gehen die Ermittler allein aufgrund der Umgangsformen und der Arrangements davon aus, dass es zu illegalen Handlungen gekommen sein könnte.
Der Königsbeweis ist aber ein langes Gespräch zwischen Daniel Taschler und Michele Ferrari am Nachmittag des 17. Oktober 2010 bei der Autobahnausfahrt Ferrara Nord. Die Ermittler haben das Gespräch in Ferraris Camper per Lauschangriff mitgeschnitten. Dabei gibt Ferrari dem jungen Südtiroler Biathlet genau Anweisungen, wie er das Dopingmittel EPO spritzen muss und wo er die Packungen verstecken soll.

Michele Ferrari: „Occhio hey, Du weißt, dass das ….. besser nicht im Haus zu behalten ist. Es ist eine Straftat. Hast du nicht einen anderen Platz?.....Jetzt wird es draußen ja schön frisch, deshalb kannst du....wichtig ist aber, dass es nicht gefriert. Ich weiß nicht, verstecke es unter der Erde oder unter Blättern. Aufgepasst, lass es nicht im Haus. Habt ihr nicht einen anderen Platz, wo....

Daniel Taschler: Nein, ich behalte es im Haus, das macht nichts...

Ferrari: Gibt es nicht einen Platz, der nicht der Eischrank ist und wo die Temperatur zwischen null und zehn Grad ist....

Taschler: Nein, ich behalte es im Haus und gut...

Ferrari: Jetzt, wo es kalt ist.....wichtig ist, dass es nicht gefriert, dass es nicht auf zehn Grad unter Null geht, dann passt es nicht...Aber wenn es zwischen null und zehn Grad bleibt, dann geht es gut. Das Beste wäre unter Blättern, ich weiß nicht, ob du einen Keller oder eine Holzlege hast...wenn du eine Holzlege (legnaia) hast, geht es auch gut, dann kannst du es dort lassen.“


Dopingarzt Michele Ferrari: "Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist".

Ebenso instruiert Ferrari Taschler wie die Kontaktaufnahme zu erfolgen habe. Michele Ferrari:

Ich gebe dir auch noch eine andere Telefonnummer, die du aber nicht über dein Telefon anrufen darfst. Du musst ein anderes Telefon verwenden, das nicht registriert ist und das du nur für diese Gespräche benutzt. Du besorgst dir ein anderes Telefon über eine dritte Person, die nicht du und auch nicht Gottlieb ist, und die ein Telefon und eine Sim-Karte kauft. Du darfst diese Simkarte aber auch nicht in deinem Telefon benutzen, denn sonst kann man das zu dir zurückverfolgen. Also, ich gebe dir jetzt meine andere Nummer, es ist eine Schweizer Rufnummer, die du aber nur für diese Sache gebrauchst. Es ist auf jeden Fall besser, wenn du überhaupt nicht anrufst.....“

Gottlieb Taschler wird jetzt nicht nur den Staatsanwalt überzeugen müssen, dass es bei den Gesprächen „nur um ein gesundheitliches Problem ging“.