Kultur | Orchestra Haydn

Was am Ende übrig bleibt

Alissa Rossius ist Flötistin und Komponistin ist eine faszinierende Künstlerin ihrer Generation. SALTO hat mit ihr gesprochen.
Rossius Alissa
Foto: Irene Zandel
  • SALTO: Ihre musikalische Reise begann im zarten Alter von vier Jahren. Wie gelang es Ihnen, eine umfassende musikalische Ausbildung mit Auftritten, Aufnahmen und Wettbewerben, Schule und Freunden, bereits in jungen Jahren in Einklang zu bringen? 

    Alissa Rossius: Ich glaube, für mich war es ein Bedürfnis, Flöte zu spielen. Es kam in mir nicht der Gedanke auf, es nicht zu tun. So gesehen war es etwas sehr Natürliches für mich, der Rest war sozusagen die dazugehörende Begleitung. Ich bin dankbar, dass ich auf eine Schule ging, die nicht speziell musisch, sondern humanistisch geprägt war und ich dadurch einen weiteren Horizont erlangen konnte. Und ich bin dankbar um die Mentoren und Förderer, die mir auf dem Weg geholfen haben. Ohne diese wird es glaube ich schwer für einen jungen Menschen, egal mit wie viel Talent. Ich durfte meinem Talent Raum geben und wachsen - das ist ein Geschenk.
     

    Ich glaube alles, was dem Ausdruck dient, ist auf eine Weise verbunden, ob Sprache, Musik, Tanz…


    Sie haben die Gelegenheit gehabt, mit verschiedenen international renommierten Orchestern aufzutreten. Welche waren die freudigsten Momente für Sie als Solistin? 

    Ein besonderer Moment für mich war, als ich das Chaminade Concertino mit den Bamberger Symphonikern aufnahm. Ich erinnere mich, dass ich fast mitten im Orchester stand, umgeben von einer Klangwolke des Orchesters. Ich war Teil dessen und gleichzeitig in meiner eigenen Klangwelt und fühlte mich sehr geborgen, buchstäblich Teil von etwas Größerem. Hier ging es nicht um Perfektion, selbst nicht um uns als Künstler, sondern um etwas, was gerade die Musik vermag - darum, uns emporzuheben aus unserem Dasein. Auf English würde ich sagen: „there was something larger than life”.

  • Alissa Rossius: Flötenvirtuosin und Komponistin Foto: Irene Zandel
  • Können Sie uns das Flötenkonzert von Carl Nielsen mit 4 Adjektiven vorstellen? 

    Eine schöne Idee! Ich würde sagen: aufrichtig - zart - visionär - kaleidoskopisch.

    Sie haben Interesse daran, Verbindungen zwischen den Künsten zu finden. Ihr Blog „linguaanimarum.com“ ist diesen Themen gewidmet. Können Sie uns etwas darüber erzählen? 

    Ich begann meinen Blog Lingua Animarum vor vier Jahren aus einem Wunsch heraus, viele meiner Interessen zu vereinen, mich auszudrücken und dem Leser und Hörer eine Tür in meine Welt zu öffnen, wie ich Musik und andere Künste wahrnehme. Ich war von jung auf inspiriert von Felix Mendelssohn, ein Gesamtkünstler, der neben dem Komponieren viele andere Interessen verfolgte. Ich vermisse dies heutzutage etwas, man spezialisiert sich fast allzu sehr auf das Eine und lässt andere wichtige, zusammenhängende Dinge Außen vor. In früheren Jahrhunderten war man mehr flächendeckend interessiert an Dingen, es war natürlich, sich auch für andere Kunstformen zu interessieren, sich mit Künstlern anderer Kunstformen auseinanderzusetzen. Ich glaube alles, was dem Ausdruck dient, ist auf eine Weise verbunden, ob Sprache, Musik, Tanz… Auf meinem Blog schreibe ich über Themen, die mich interessieren, inspiriert durch ein Musikstück, ein Gemälde oder ein Gedicht und verbinde es miteinander. Z.B. über die Farbe Blau in Schumann’s Klavierquintett op. 44 und in Sorollas’ ,,Sea at Javea”, verbunden mit einem eigenen Gedicht. Auf diese Weise ergibt sich ein kleines Kaleidoskop, das ich der Welt gerne zeigen möchte. Die Lyrik hat mich immer sehr inspiriert, das Wort vermag etwas, was Musik nicht kann, und andersherum. Ich begann eigene Gedichte zu schreiben und das genieße ich sehr.

  • Alissa Rossius: Mit dem Blog linguaanimarum.com will sie eine Tür in ihre Welt zu öffnen. Foto: Irene Zandel
  • Sind Sie synästhetisch, sehen Sie z. B. Farben oder Zahlen beim Hören von Tönen? 

    Zahlen sehe ich keine, Farben schon, aber ich würde nicht wagen, mich als Synästhetiker zu bezeichnen, da ich mich nicht sehr ausgiebig mit der Definition beschäftigt.

    Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass "die Schönheit die Welt retten wird”?

    Eine große Frage. Ich stimme nicht ganz überein, denn Schönheit ist für mich noch nicht die Wurzel selbst. Ich glaube ich würde sagen - was am Ende übrig bleibt, ist Liebe. Darauf zu vertrauen, glaube ich, könnte unsere Welt retten.

  • 13.02.24 20.00 Uhr
    Haydn Orchester
    Thomas Dausgaard, Leitung
    Alissa Rossius, Flöte
    Werke von Sorensen, Nielsen und Ciajkovskij
    Bozen, Konzerthaus