Plus Menschen
![Tanja Pichler (Plus, Vorstand) und Katharina Hiller (Künstlerisches Betriebsbüro VBB)](/sites/default/files/styles/ar/public/2025-02/img_20250207_133148.jpg?h=d58853fb&itok=B7K3TOkQ)
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SALTO: Frau Hiller, wie war der Werdegang des Projekts „Plus“, wessen geistiges Kind ist es?
Katharina Hiller: Es gibt eigentlich einen bestehenden Freundeskreis, die Theaterfreunde VBB und Initiatorinnen waren Irene Girkinger, unsere letzte Intendantin und Waltraud Staudacher. Sie haben vor längerer Zeit das Projekt ins Leben gerufen und darunter hat sich eine Gruppe von Menschen gebildet, die das Theater jenseits des Ticketkaufs mit einem Beitrag unterstützen und dafür gewisse Bonusveranstaltungen oder andere Dinge bekommen. Das sind einfach theaterinteressierte Menschen, die am Theater ein wenig mehr teilhaben wollen. Mit der neuen Intendanz haben wir dann gesehen, dass es vielleicht gut ist, das noch einmal zu erweitern und auf eine andere Ebene zu stellen, zu prüfen und zu verändern. Wie kann man diese Community auch nochmal vergrößern und für mehr und diversere Gruppen öffnen?
Tanja Pichler: Ich bin zu dem Projekt dazugekommen, als Rudolf es dem Vorstand präsentiert hat. Im Vorstand fand man die Idee damals gut, meinte aber, dass man ein Gesicht bräuchte, um das gemeinsam mit dem Vorstand anzugehen. Judith Gögele hat mich dann im Herbst angesprochen - wir kannten uns bereits aus der Südtiroler Kulturszene und sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das Projekt mit Rudolf und einem Team weiterzuentwickeln. Ich fand die Idee super und unsere Vorstellungen waren da auf einer Wellenlänge. Im Dezember bin ich schließlich dem Vorstand beigetreten und wir haben unsere Überlegungen begonnen.
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Pichler & Hiller: „Wenn man sich etwas wünscht, dann sollte man dabei mitmachen und das ist bei allem so.“ Foto: SALTO
War das Projekt da in den Köpfen schon ausgereift?
Pichler: Es hatte noch keinen Namen und wir hatten erstmal einen Arbeitskreis, da waren anfangs nur Rudolf und ich. Meine Idee war es, gleich am Anfang mehr Leute dazu zu holen, um von Beginn an diverser zu denken. Wir haben als erste Waltraud Staudacher dazugeholt, weil sie ja auch die Theaterfreunde lanciert hatte. Dann wollten wir, was das Alter betrifft, möglichst breit aufgestellt sein und haben uns deshalb überlegt, wer Zugang zu den jüngeren Leuten haben könnte. Da ist mir Federico Rossi eingefallen, der in der Industriezone unter anderem im Bereich Latenight Clubbing aktiv ist. Rudolf und ich sagten uns dann, dass es auch einen Ort abseits des Theaters bräuchte. Damit man sich auch nicht immer nur im Theater sieht. Es bräuchte so etwas wie ein Lokal oder einen Stammtisch. Uns fiel da das Alma 9 von Elad ein, der ja auch kein gebürtiger Südtiroler ist und der mit seinem Freundeskreis und seinen Kunden im Alma 9 wiederum Andersdenkende zu dem Projekt bringen dürfte. Das haben wir uns gewünscht.
Hiller: Von unserem Team ist neben Rudi noch Andreas Widmann von der Kommunikation dabei, wie auch ich und Tanja.
„Wir dachten uns aber auch: Alles was nichts kostet, hat auch keinen Wert.“ - Tanja Pichler
Wenn Plus auf den Freundeskreis zurückgeht und an dessen Stelle tritt, weil man das Projekt ausweiten möchte, dann ist wahrscheinlich auch der Preis ein Knackpunkt. Wo reiht sich das VBB Plus zwischen den Plus Abos von SALTO und stol ein?
Hiller: Den Jahresbeitrag für Plus Menschen haben wir auf 25 Euro pro Jahr festgelegt. Wir haben lange darüber diskutiert, auch weil jener für den Theater Freundeskreis höher war. Wir haben uns für 25 Euro entschieden, weil da der Wunsch war, dass sich das viele leisten können.
Pichler: Wir haben auch darüber diskutiert gar nichts zu verlangen, um damit vielleicht noch mehr Menschen für das Theater begeistern zu können und wir Plus auch als große Inspirationsquelle für das Theater sehen und auch für die Menschen, die dabei zusammentreffen. Wir dachten uns aber auch: Alles was nichts kostet, hat auch keinen Wert. Wir wollten schon, dass der Beitrag ein Zeichen sein sollte und haben uns daher ‚benefits‘ überlegt um einen Anreiz zu schaffen.
Wie sehen diese aus?
Hiller: Es gibt unter anderem schon mit dem Filmclub eine Kollaboration, mit dem italienischsprachigen Theater, dem tsb und dem Museion…
Pichler: Das ist noch offen und kann wachsen, wenn es funktioniert: Je mehr Reichweite wir haben, umso größer ist auch der Anreiz für andere, uns zu unterstützen.
Hiller: Das andere sind Veranstaltungen für die normale VBB Besucher keinen Zugang haben. Das kann ein Künstlerinnengespräch sein oder auch ein Probenbesuch. Für Juli ist auch wieder eine Theaterfahrt geplant. Das schätzt unser Publikum sehr, weil Fahrt, Karten und alles weitere organisiert wird. Dann sieht man sich auch mal was anderes an, es geht ja nicht nur darum, dass die Menschen immer nur zu uns kommen, sondern auch darum, sich gemeinsam zu überlegen, was für das gemeinsame kulturelle Leben interessant oder spannend sein könnte. Das kann in alle Richtungen gehen, auch mit Workshops von den Menschen, die wir gerade im Haus haben.
Pichler: Es sollte auch eine unkomplizierte Art sein, um das Theater zu entdecken, wenn man noch keinen Zugang hat. Viele, auch junge, schreckt vielleicht ab, dass man sich schön kleiden muss für so einen Abend. Vielleicht kann man es so lockerer angehen, wenn man sich außerhalb, etwa mal zu einem Event im Alma hintraut oder zu einem Clubbing im Spazio. Und beim dritten Mal geht man dann vielleicht ins Theater. Für mich ist die Kultur ein Motor, der die Gesellschaft in jeglicher Weise voranbringt. Dafür brauchen wir aber auch die Leute.
Andrang: Viele Menschen wollten gestern, Montag 10. Februar, beim ersten Treffen der „Plus“ Personen Teil der neuen Initiative sein. Foto: Tiberio SorvilloDie Offenheit zur Gesellschaft hin, dass man sich auch vom Publikum Inputs holt, gibt es schon einige Male in Südtirol. Als erstes fällt mir der Museion Art Club ein, der auch autonom Veranstaltungen organisiert. Hat man bei den VBB vor, dass die Kommunikationskanäle in beide Richtungen offen sind?
Hiller: Ansonsten wäre es kein Austausch, kein Miteinander. Ich denke auch das von uns verwendete Wort ‚Community‘ sagt darüber schon einiges aus. Sonst ist es einfach ein Abo. Man muss sich die Gruppe die da kommt ja auch erstmal anschauen. Wo liegen bei denen die Interessen? Vielleicht würde es einige auch interessieren einmal einen Tag mit uns im Büro zu verbringen.
Pichler: Deswegen haben wir uns jetzt schon mal bis September ein Programm überlegt, das viele interessieren könnte, immer mit Bezug auf diverse Herkunft und diverses Alter.
„Die Tätigkeit der VBB ist natürlich in erster Linie deutschsprachig, wobei es nicht im Umkehrschluss heißt, dass wir nicht versuchen sollten auch Nicht-Muttersprachler für das Theater zu interessieren.“ - Katharina Hiller
Und für wen steht Plus offen? Oder wären wir schneller, wenn wir sagen würden, für wen nicht?
Hiller: Das steht allen offen. Der Punkt ist natürlich immer die Sprache, weswegen wir uns auch entschieden haben, mehrsprachig zu kommunizieren und auch nicht alles zu übersetzen. Wir wissen auch da noch nicht: Kommt das gut an? Kommt das schlecht an? Die Tätigkeit der VBB ist natürlich in erster Linie deutschsprachig, wobei es nicht im Umkehrschluss heißt, dass wir nicht versuchen sollten auch Nicht-Muttersprachler für das Theater zu interessieren. Es gibt ja auch Vorstellungen, die mit wenig Sprache auskommen oder die untertitelt sind. Theater ist Sehen, Hören, Fühlen. Es ist nicht nur Text.
Pichler: Theater in einer anderen Sprache muss ja auch kein Hindernis sein, sondern kann im Gegenteil einen Zugang darstellen. Wir dachten uns, probieren wir es mal.
Judith Gögele: Neben Tanja Pichler und Rudolf Frey, gab es gestern Abend auch eine Wortmeldung von Präsidentin Judith Gögele zur Einweihung des neuen „Community“-Projektes. Foto: Tiberio SorvilloEs gehen die verschiedensten Menschen ins Theater, was ihr ja auch widerspiegeln wollt. Reicht die Liebe zum Theater als verbindendes Moment in eurer Community oder rechnet ihr auch damit, moderieren zu müssen? Werden Konflikte unter Theaterliebhabern anders ausgetragen?
Pichler: Mit Konflikten habe ich nicht gerechnet, das muss man dann sehen, wenn das so kommt. Aber ich denke schon, dass diese Menschen, die ja gemeinsam an einen Ort kommen, schon eher einen Wunsch für die Zukunft teilen, einen Blick nach vorne, wo es dann vielleicht keine Barrieren im Theater mehr gibt, über die man reden muss.
Hiller: Natürlich, wo viele Leute zusammen kommen, da ist viel los. Da kann es natürlich sein, dass da Dinge hochkochen, die wir auch noch nicht bedacht haben. In meiner Vorstellung ist das ein Kreis, in dem sich die Menschen auch losgelöst vom Theater in der Stadt treffen. Vielleicht ist an einem Tag auch niemand von den Vereinigten Bühnen dabei, beim Stammtisch.
Pichler: Ein weiterer Vorteil, den uns Plus bietet ist, dass für die Stücke der VBB auch viele Menschen von außerhalb hierher nach Bozen kommen und eine Zeit lang hier arbeiten, die an und für sich die Stadt und die Szene hier nicht kennen. Auch für diese Menschen kann das Plus eine Möglichkeit sein, hier schnell Fuß zu fassen und inkludiert zu werden. Das tragen sie dann, wenn sie sich mit Menschen in Bozen unterhalten und mit ihnen getrunken oder auch getanzt haben, im besten Fall positiv nach außen und erzählen es weiter. Für die Boznerinnen und Bozner ist es eine Möglichkeit, internationale Künstlerinnen und Künstler kennenzulernen.
Quasi ein Blick hinter die Kulissen?
Hiller: Das gibt es sehr viel im Theater, dass Menschen dazu keinen Zugang haben und gar nicht ahnen, was wir alles fürs Theater machen und gerade die Treffen außerhalb des Theaters sind da eine Möglichkeit, den Leuten auch die Berufe des Theaters näherzubringen.
Was sind die Gradmesser des Erfolgs solcher Aktionen, wenn man sich derartig breit aufstellt?
Hiller: Das eine sind natürlich die Anmeldungen für Plus. Ich finde aber schon, dass wir auch bis September schauen können, wie viele sich für die einzelnen Veranstaltungen anmelden und auch kommen. Zu Beginn der Spielzeit haben wir eine Präsentation des neuen Programms, nur für Plus Menschen geplant und ab da sollte man dann schon eine Evaluierung im Halbjahres-, oder Dreivierteljahres-Rhythmus machen. Man sollte vielleicht auch forcieren, dass die Leute ihr Feedback abgeben.
Pichler: Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir uns auch daran beteiligen. Nur so spürt man, ob es klappt. Wenn man sich etwas wünscht, dann sollte man dabei mitmachen und das ist bei allem so. Wir freuen uns selbst sehr drauf.
Nächster „Plus“-Programmpunkt auf dem VBB-Terminplan soll ein Blick in den Kostümfundus der Vereinigten Bühnen Bozen sein. Passend zur Faschingszeit, natürlich mit Krapfen.
Wer Plusmitglied werden möchte, oder sich für die bereits fixierten Termine interessiert findet weitere Informationen hier online.