Feedback statt Schulzeugnis
In Zukunft soll es an Südtirols Schulen als Alternative zu den Ziffernnoten auch Formen der kompetenzorientierten Bewertung geben. So sieht es der Gesetzentwurf zur „Guten Schule“ vor, den die Landesregierung diese Woche dem Landtag zur Diskussion vorlegt. Konkret bedeutet das: Schulen erhalten die Möglichkeit, sich vom Semester-Zeugnis und auch vom Abschlusszeugnis mit Ziffernnoten zu verabschieden. Damit fällt auch der Klassiker „versetzt“ oder „nicht versetzt“ am Ende des Schuljahres weg. Denn die Entscheidung, ob ein Schüler aufsteigt, fällt dann erst am Ende eines Zwei-Jahres- oder Drei-Jahres-Zeitraums.
Landesrat Philipp Achammer ist von diesem pädagogischen Kurswechsel überzeugt, hat aber bereits viel Kritik für seinen Vorstoß in Richtung kompetenzorientierte Bewertung geerntet und spricht von einer „unglaublich kontroversen Diskussion“. Heute (11. Mai) lud er die Presse zu einem Gespräch mit der Fachwelt, die die Abkehr vom klassischen Schulzeugnis ohne Wenn und Aber befürwortet. Der Tenor der Pressekonferenz: Dass dem Monopol der Ziffernnoten ein Ende gesetzt wird, ist die logische Konsequenz aus einer Entwicklung, die im heimischen Bildungssystem bereits im Jahr 2000 mit dem Gesetz zur Autonomie der Schule eingesetzt hat. Die Reform des Bildungsgesetzes erlöst Schulen, die seit Jahren nach reformpädagogischen Grundsätzen oder nach der Montessori-Methode arbeiten, aus einem Dilemma. Denn auch wo unterm Jahr mit kompetenzorientierter Bewertung gearbeitet wird, muss nach derzeitiger Gesetzeslage am Ende des Schuljahres doch ein traditionelles Zeugnis stehen. Drittes Argument: wissenschaftliche Studien belegen, dass Schulen, die Ziffernnoten durch ein sogenanntes Feedback-System ersetzt haben, besser fahren. Das zeigen u. a. die PISA-Ergebnisse aus Finnland, wo es bis zur 7. Klasse keine Ziffernnoten gibt.
Schulamtsleiter Peter Höllrigl, Schuldirektorin Michaela Dorfmann und Landesrat Philipp Achammer
Feedback ist der zentrale Begriff des kompetenzorientierten Ansatzes. An die Stelle der Note tritt die Rückmeldung des Lehrers. Wie Marion Stadler-Altmann, Dozentin an der Freien Universität Bozen, erklärt, neigten Schüler dazu, Noten persönlich zu nehmen. Ein professionelles Feedback des Lehrers – etwa zur Frage: Welche Aufgabe war zu bewältigen, und inwieweit habe ich sie bewältigt? - lege den Fokus hingegen auf das dem Schüler gesteckte Ziel. Anders gesagt: Wenn sich die Bewertung „von der Person des Schülers weg“ bewege, werde der Weg frei für die Konzentration auf das Lernziel. Das Feedback, so die Professorin, müsse spezifisch, einfach und klar formuliert werden und die Lernleistung dem Lernziel gegenüberstellen.
Rückendeckung für Landesrat Achammer kommt auch von Schulamtsleiter Peter Höllrigl und den Schuldirektoren Michaela Dorfmann (Schulsprengel Meran-Untermais) und Gustav Tschenett (Oberschulzentrum Mals). „Mittlerweile wird überall mehr oder weniger kompetenzorientiert unterrichtet“, sagt Dorfmann. An vielen Schulen gebe es bereits alternative Bewertungsinstrumente, dass nun das Monopol der Ziffernnoten falle, sei einfach ein logischer Schritt. Direktor Tschenett wundert sich über die Proteste gegen die Reform und kann die Kritik „sachlich nicht nachvollziehen“. Und der Schulamtsleiter beschwichtigt: Achammers Reformvorschlag folge nicht der Logik des Entweder-Oder, sondern beschreite den Weg des „sowohl als auch“.
Wir tun nichts anderes, als den Schulen neue Spielräume zu eröffnen“, sagt der Landesrat abschließend. „Und das ist aus meiner Sicht das einzig Richtige.“