Richter & Sparkonto

Auch Richter lesen salto.bz. Und was löblich ist: Manche machen sich über die Berichte und Artikel auch ihre Gedanken.
So etwa hat Michele Paparella, Richter am Bozner Landesgericht einen Tag nach Erscheinen eines salto-Artikels in einem offiziellen Schreiben an die Präsidentin des Landesgerichts auf eine im Artikel aufgeworfene Grundsatzfrage verwiesen. „Diese Reaktion zeigt, dass das Bewusstsein in Sachen Interessenkonflikt am Bozner Landesgericht durchaus vorhanden ist“, sagt ein hochrangiger Südtiroler Jurist.
Am Vormittag, des 16. Juni 2016 hielt eine Gruppe von Südtiroler und Südtirolerinnen, die in die Schuldenfalle getappt sind und mitten in Exekutionsverfahren stehen, eine Pressekonferenz ab. Rund 80 Personen, die von Zwangsversteigerungen betroffen sind, kamen an diesem Vormittag ins Hotel Laurin.
Unter dem provokanten Titel „Magistropoli.Bz“ tischten der auf Banken und Wucher spezialisierte Rechtsanwalt Biagio Riccio und der Meraner Publizist Thomas Sigmund mehrere konkrete Fälle auf, in denen die Gruppe und ihre Anwälte davon ausgehen, dass Richter am Bozner Landesgericht die Spielregeln im Bereich des Interessenkonflikts nicht eingehalten haben.
„In einigen dieser Fälle wurde gegen die involvierten Richter bereits Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Triest eingereicht“, erklärte Thomas Sigmund auf der Pressekonferenz.
Es sind heikle Fälle, in denen es um die Zivilprozessordnung und die Enthaltungspflicht der Richter geht. Und um die Frage, wie die entsprechenden Gesetzesartikel auszulegen sind.
In Artikel 51 der Zivilprozessordnung wird festgelegt, wann sich ein Richter zu enthalten hat oder sich für befangen erklären muss. In Absatz 3 des Artikels heißt es:
„se egli stesso o la moglie ha causa pendente o grave inimicizia o rapporti di credito o debito con una delle parti o alcuno dei suoi difensori;“
Die Bestimmung zu einem Forderungs- oder Schuldverhältnis erscheint zunächst nicht eindeutig; die Auslegung scheint in der Zwischenzeit aber gefestigt. So hat der Kassationsgerichtshof erst 2012 entschieden, dass die Pflicht zur Enthaltung nicht nur bei fälligen Schulden, sondern auch bei sogenannten Dauerschuldverhältnissen, z.B. einem Bankdarlehen, angewandt werden muss.
Die Initiativgruppe kritisiert, dass mehrere Richter am Bozner Landesgericht Hypothekardarlehen von Banken im Grundbuch angemerkt haben und gleichzeitig aber Verfahren betreuen, in denen genau diese Banken Zwangsversteigerungen einleiten. Die Betroffenen gehen davon, dass diese Konstellation gegen das Gesetz verstößt.
Im salto-Artikel wird aber auch darauf hingewiesen, dass „an manchen Gerichten die Bestimmung sogar so weit ausgelegt wird, dass bereits ein Konto bei einer Bank Grund für eine Befangenheit ist.“
So etwa gibt es auch an der Bozner Staatsanwaltschaft mehrere Staatsanwälte, die aus diesem Grund einen Antrag auf Enthaltung gestellt haben.
Das Schreiben„Diese Reaktion zeigt, dass das Bewusstsein in Sachen Interessenkonflikt am Bozner Landesgericht durchaus vorhanden ist“
Der Satz, „an manchen Gerichten die Bestimmung sogar so weit ausgelegt wird, dass bereits ein Konto bei einer Bank Grund für eine Befangenheit ist“, wird in jenem Schreiben zitiert, das Michele Paparella am 17. Juni, also einen Tag nach der Pressekonferenz an die Präsidentin des Landesgerichts Elsa Vesco gerichtet hat.
Paparella ist Richter in einem laufenden Exekutionsverfahren, das den Sprecher der Initiativgruppe Thomas Sigmund betrifft. Umgehend nach der Pressekonferenz stellt der Richter einen Antrag um Enthaltung nach Artikel 51 der Zivilprozessordnung. Paparella begründet seine Enthaltung mit den in der Pressekonferenz aufgeworfenen Fragen und anderem auch mit einem Konto, das er bei der Gläubigerbank Sigmunds hat.
Michele Paparella ist in seinem Antrag an die Gerichtspräsidentin sehr klar: Er persönlich gehe zwar davon aus, dass ein Konto bei einer Bank keineswegs die Unparteilichkeit eines Richters beeinflusse, er will durch diesen Antrag aber dem Vorwurf entgegentreten, er habe es unterlassen, einen möglichen Interessenkonflikt aufzuzeigen.
Diese Reaktion des Richters ist nicht nur konsequent, sondern sie zielt auch darauf ab, diese Grundsatzfrage am Bozner Gericht zu klären.
Am 7. Juli 2016 hat die Präsidentin des Landesgerichts, Elsa Vesco, den Antrag auf Enthaltung von Michele Paparella abgelehnt. Vesco begründet die Ablehnung mit der nachvollziehbaren Begründung, dass der Inhaber eines normales Standard-Kontos, keineswegs eine besondere Beziehung zur Bank habe oder gar Einfluss in die Geschäftsgebarung dieser Bank nehmen kann.
Landesgerichtspräsidentin Elsa Vesco: Frage der Bankkonten geklärt.
Allein durch ein Konto bei einer Bank sei die Überparteilichkeit eines Richters keineswegs gefährdet und dieser auch nicht befangen.
Elsa Vesco folgt mit dieser Begründung der Argumentation ihres Vorgängers. Heinrich Zanon hatte bereits 2008 eine gleichlautende Begründung – zu einem ähnlichen Antrag abgeben, die jahrelang als Maßstab für die Bozner Richterschaft galt.
Diese Regelung dürfte auch im allgemeinen Rechtsverständnis anerkannt werden. Während die brisanteren Fälle – wo Richter oder Richterinnen Kredite bei Banken haben und dennoch Verfahren abwickeln, in denen diese Banken Partei sind – kaum sanierbar sind.
Sicher ist: Die Anträge auf Enthaltung werden sich durch den Druck der Betroffenen auch am Bozner Landesgericht nochmals deutlich erhöhen.