Steht fest oder steht nicht mehr?
-
Dekonstruktion ist das Stichwort, und wiederkehrendes Aktionsmuster der zeitgenössischen Kunst, ein Stichwort, das sich Transart zur Devise macht und uns in digitalen Prozessen vor Augen führt, im Hinblick auf eigene Mechanismen, Gedankenelemente und verfestigte Annahmen bezüglich Gegenwart, Vergangenheit und Mythos.
Fruchtbaren Boden für diesen Dekonstruktionsprozess bietet am 13. September der NOI Techpark, Südtiroler Technik-Pol und Ideenschmiede was Wissenschaft, Wirtschaft sowie Ökologie betrifft, und nun schon seit Jahren unverzichtbarer Partner von Transart - nicht nur dank der beeindruckenden Räume und Flächen, die an der Grenze zwischen industrieller Archeologie und avantgardistischer Architektur rütteln, sondern auch dank der besonderen Aufmerksamkeit, welche dort der zeitgenössischen Kunst geschenkt wird und sie so erstrahlen lässt.
Der Kulturabend beginnt um 20:30 Uhr mit der Vorstellung IN MEDEAS RES der Wiener Tanzkompanie Liquid Loft, rund um das Verhältnis zwischen Tanz und Experiment. Schon seit jeher steht Liquid Loft dem Konzept der „Natürlichkeit“ auf der Bühne skeptisch gegenüber und hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, zu untersuchen, mit welchen Mitteln dieser Anspruch erreicht zu werden versucht und von welchem kulturellen Substrat er geprägt wird. Die Kompanie geht bei ihre Kunstauffassung davon aus, dass die unmittelbare Bedeutung eines inszenierten Körpers tendenziell nicht größer ist als jene eines Bilds oder einer verbalen Äußerung. Es folgt der Dekonstruktionsprozess. Objekt davon werden szenische Elemente jeder Art: Liquid Loft sucht nach unerwarteten Blickwinkeln, einem ungewöhnlichen Vokabular und lässt dabei Tänzer:innen, Raum und Ton spielen, die in einer besonders engen Beziehung verwoben sind.
-
IN MEDEAS RES ist ein Werk des Choreographen und künstlerischen Leiters der Tanzkompanie Chris Haring, das zwei Performerinnen in die Geschichte der Medea taucht, Protagonistin der Tragödie nach Euripides. Anstatt in dem Mythos nach einer neuen Interpretation zu graben, gibt die Performance verschiedene Assoziationen wieder, lässt einzelne Fragmente in den Vordergrund treten und stellt sie Bezugspunkten aus unserer Gegenwart gegenüber: Die Tragödie findet in unserem digitalen Zeitalter statt, dominiert von logozentristischen und patriarchalen Gedankenmustern. Dabei greift das Stück die Medea des Pier Paolo Pasolini auf, ein 1969 veröffentlichter Film, in dem der Regisseur davon absieht, die Geschichte Medeas anhand der Geschehnisse aus der klassischen Tragödie nachzuzeichnen. Stattdessen malt Pasolini Bilder aus den Erlebnissen der Protagonistin Maria Callas, die in mehrerer Hinsicht zwiegespalten ist: Auf der einen Seite winkt die Vergangenheit, auf der anderen grüßt die Gegenwart. Es heißt nun, sich zurechtfinden zwischen zwei Ländern und zwei Völkern. Der Film wird von einem visionären Charakter dominiert, der frei ist von jeder Folgerichtigkeit, und trotzdem in Medeas Innerstes eindringt, wo ein schmerzhafter Konflikt stattfindet zwischen der matriarchalen Gesellschaft in Maria Callas’ Heimatland und der patriarchalen Gesellschaft in Korinth, die sie dazu zwingt, eine ihrem Mann ewig untergeordnete Position einzunehmen.
Auch Chris Haring wählt eine stark bildschöpferische Erzählstimme, die archaische Formen und Motive des Mythos heraufbeschwört und eine unterbewusste Ebene anspricht. Dabei mutiert die Landschaft ständig, wird zeitweise sogar wie eine zweite Haut der Protagonistin.
IN MEDEAS RES wird auch am 14. September im NOI Techpark Bruneck repliziert, mit Beginn um 20:30 Uhr.
-
Das Projekt FEMINA von Riccardo Giovinetto seinerseits geht mit den Werkzeugen der Dekonstruktion an eine andere Art von Mythos heran, jenen der Anmut und Schönheit der italienischen Renaissancemalerei. Die um 21:45 Uhr beginnende Performance basiert auf einer Interaktion in Echtzeit zwischen Audio und Video, in welcher die Porträtgesichter der Musen einiger berühmter Künstler wie etwa Leonardo, Botticelli und Piero della Francesca zum Glänzen kommen - sie werden bis auf ihre Grundbausteine aufgelöst und in digitaler Form wiedergegeben, gehen hierbei eine Interaktion mit der Musik des Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina ein. Einerseits leben also in der Vorstellung die Polifonien des sechzehnten Jahrhunderts mit dem Schwung digitaler Verzerrung und Transformationen wieder auf, werden in ihrer Natur verwandelt und mit elektronischen Klängen kombiniert; andererseits filtert FEMINA primäre Elemente der Gemälde heraus -Punkte, Linien, Farben- und nimmt sie auseinander, als träte neben die Perspektive des Malers und den Blick der Porträts, die uns mit von Ölfarbe leuchtenden Augen mustern, ein außenstehender Beobachter. Dieser wird durch das Zerlegen der Porträtelemente dazu aufgefordert, die Schönheit der italienischen Renaissance auf eigene Art und Weise zu rekonstruieren.
Giovinettos Kunstschöpfung zeichnet sich durch Medienvielfalt aus und lässt ein außergewöhnliches Zusammenspiel aus Ton und Bild entstehen
Giovinettos Kunstschöpfung zeichnet sich durch Medienvielfalt aus, die etwa aus audio-visionären Performances bestehen kann, oder aber sich in Form von Installationen sowie ganzen Konzertkompositionen präsentiert. Häufig kreiert der Künstler Skulpturen, die anhand digitaler Strukturen auf Laute reagieren und dabei in Echtzeit bearbeitet werden, sodass sich ein außergewöhnliches Zusammenspiel aus Ton und Bild formt.
Zudem werden am 13. September im grünen Zentrum des Techparks, der OASIE der Dantestraße, auch die Angebote des Kids Culture Club rund um die provisorische Holzkonstruktion Flaminga weitergeführt. Neben den morgendlichen Treffen mit verschiedenen Schulen finden am Nachmittag von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr Workshops statt, die von bilding koordiniert werden - eine Einladung an Kinder und Familien, an den kreativen Prozessen teilzunehmen, die in Anbetracht der eindrucksvollen Struktur von Monika Abendstein und dem bilding-Team sprießen und das junge Publikum um Ausdruck, um Blüte bitten.
-
Tickets und Termine
Am Freitag, 13. September, bietet das Festival Transart die Bühne für zwei Meisterwerke der zeitgenössischen Kunst. Treffpunkt ist der NOI Techpark in Bozen, wo der Kulturabend um 20:30 Uhr mit IN MEDEAS RES beginnt, einer Tanzaufführung der Wiener Kompanie Liquid Loft unter der Leitung von Chris Haring. Um 21:45 Uhr geht es weiter mit FEMINA, einem Projekt von Riccardo Giovinetto rund um die Schönheit der italienischen Renaissancemalerei.
Die Tickets für alle Vorstellungen im Rahmen von Transart sind online auf der Website des Stadttheaters Bozen (Dienstag bis Freitag von 14:30 bis 19:00 Uhr und Samstag von 15:30 bis 19:00 Uhr) oder bei der Transart OASIE verfügbar; letztere ist an jedem Festivaltag von 17:00 bis 20:00 geöffnet.